Arbeiten im ländlichen Raum

Zusammenstellung

kirchner-raddestorf

Beginn: 11/02

 

  

Leben und Arbeit in einem ländlichen Raum. 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Einführung. 2

Dörfer und Wirtschaftsflächen. 2

Der Altacker 2

Rodungsäcker und Kämpe. 3

Gemeinheit (Allmende, Mark) 3

Dorf, Ackerflur und Gemeinheit 3

Wirtschaftsbedingungen in vorhistorischer Zeit 4

Jungsteinzeit(4500-1800 v. Chr.) 4

Die erste "ökonomische Revolution" 4

Bronze- und Eisenzeit von 1800 v. Chr. bis etwa zur Zeitenwende. 5

Bäuerliche Selbstversorgungswirtschaft 5

Der Raum in der römische Kaiserzeit 5

Feudalismus und Gutsherrschaft 5

Die Dreifelderwirtschaft 6

Das 15. und 16. Jahrhundert 6

Feldbestellung 1519. 6

Zeit der Revolutionen, das 18. Jahrhundert 6

Bauernarbeit zu Ende des Jahrhunderts 7

Bauernbefreiung und Auswirkungen. 7

Preußische Reformen 1806. 8

Die hiesige Ablöseverordnung von 1833. 10

Die Bauern werden frei 10

Durch die Gemeinheitsteilungen entstehen große Höfe. 10

Die Folgen der Veränderungen. 11

Aufschwung und Marktorientierung. 11

Wirtschaftliche Verbesserungen nach Ablösungen. 12

Tierzucht - Grafschaft Hoya (Zählung 1864) 12

Industrialisierung und Gründerjahre. 13

Problembehaftete Landwirtschaft in der Gründerzeit 13

„Höhen und Tiefen“ – die erste Hälfte des 20. Jh. 13

Imperiales Großmachtstreben und das Land. 13

Mechanisierung 1910. 13

Einschätzungen (1) 13

Die Entwicklung zwischen den Weltkriegen. 14

Absatzprobleme und Überproduktion. 14

Ernte in Borstel 1928. 14

Einschätzungen (2) 15

Landwirtschaft und das Dritte Reich. 15

Entschuldung der Erbhöfe. 15

Bilder zur Ernte in den 30er Jahren. 16

Zwangsarbeiter, unfreiwillig Helfer im Krieg. 17

Landwirtschaft in bundesrepublikanischer Zeit 17

Nachkriegsentwicklung (Übersicht) 17

Entwicklungsphasen der Landwirtschaft 17

Periodisierung der Agrarlandschaft 18

Kriegsfolgen und Währungsreform. 19

Belastungen verzögerten den Aufschwung. 19

Der Neuanfang. 19

Hausschlachtung 1945. 19

Krisen und Strukturwandel 20

Flüchtlinge und Vertriebene - neue Impulse. 20

Verschiebungen in der Branchenstruktur 20

Der Weg zur Dienstleistungsgesellschaft 21

Beobachtungen in unserem Raum.. 21

Die „gute alte Zeit“ - Bilder aus den 50er Jahren. 21

... und die harte Wirklichkeit der Ödlandbauern. 22

Meliorationsarbeiten 1950-1970. 22

Traditionen verabschieden sich. 23

Der unaufhaltsame Abstieg. 23

Die Zukunft der Landwirtschaft 23

Der Umwandlungsprozess 23

Zukunftsperspektiven der niedersächsischen Landwirtschaft 24

Bioraffinerien statt Bioziegenkäse. 25

Lexikon der Fachbegriffe. 25

Literaturverzeichnis. 26

Örtliche Chroniken. 26

Überregionale Beschreibungen. 26

 

 

 

 

Einführung

 

 

 

Dörfer und Wirtschaftsflächen

 

 

nach Seedorf, Hans Heinrich und Meyer, Hans-Heinrich (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN (II)

Vor den Agrarreformen des 19. Jahrhunderts war der ländliche Siedlungsraum aufgeteilt in drei Landschafts- und Wirtschaftselemente, die etwa ringförmig umeinander lagen: Im Kern das Dorf, daran anschließend als mehr oder weniger geschlossener Innenring die Feldmark und als Außenzone die Gemeinheit (Mark, Allmende), an die sich in nur noch wenigen Gebieten, insbesondere im Bergland, die Reste des ehemaligen Bannwaldes anschlossen.

Mit der Bevölkerungszunahme und der Stellenvermehrung in den Dörfern hatten sich im Laufe der Zeit die Ringe immer stärker ausgedehnt und sich nach außen verlagert. In den meisten Fällen stieß der Außenring der Gemeinheit mit dem der Nachbardörfer zusammen, was zu den in vielen Urkunden belegten Konflikten um die Weide und Holzberechtigungen führte. In anderen Fällen hatte man infolge der Übervölkerung des Dorfes die Feldmark so weit ausdehnen müssen, dass von der Gemeinheit (Gemeinen Weide) nichts mehr übriggeblieben war.[....]

In der Feldmark unterschied man:

Der Altacker

Am wichtigsten für die dörfliche Wirtschaft waren die Äcker, die je nach Bodengüte mehr oder minder ringförmig den Ort umgaben. Die besten Böden hatte der Altacker (Esch). Er war die Grundlage des bäuerlichen Siedlungsansatzes, um Brotgetreide (in der Regel Roggen) zu erzeugen. Am Altacker waren nur die Althöfe, nicht die Nachsiedlerschichten beteiligt.

Die Felder waren zumeist von Wällen, Hecken oder Zäunen umgeben, damit das stets hungrige Vieh nicht in die Äcker einbrach. Zur Unterhaltung der Wälle oder Zäune waren Feldgemeinschaften erforderlich, die unter der Leitung des Bauermeister (Schulzen) auch die Saat und Erntetermine bestimmten.

In allen Gebieten Niedersachsens waren mit den mittelalterlichen Hofteilungen die Parzellen auf den begehrten Altäckern immer wieder geteilt worden. Auf den Flurkarten des 17. und 18. Jahrhunderts sehen wir deshalb schmale lange Besitzstreifen von vielfach nur 2 bis 4 Ruten Breite (etwa 9  18 m) und bis zu 1 km Länge (Langstreifenfluren) [....].

Rodungsäcker und Kämpe

Um den Altacker gruppierten sich die späteren Rodungsäcker (Radeland), die als solche an den Namen und der Flureinteilung zumeist erkennbar sind. Mit der Bevölkerungszunahme hatte man schon im Mittelalter nicht nur die Altäcker randlich erweitert, sondern durch Rodungen neue Felder gewonnen, die man wegen der notwendigen Aufsicht und Erreichbarkeit möglichst in Dorfnähe angelegt hatte. In den Geestgebieten war das nicht leicht möglich; denn die für den Ackerbau geeigneten anlehmigen Flächen waren bald vergeben. So mußte man, oft gegen einen erheblichen Widerstand der Weideberechtigten, getreidefähige Böden in der Gemeinheit kultivieren und sie dort wegen des weidenden Viehs mit Wällen und Hecken umgeben. Solche Ackerkämpe findet man bei fast allen Dörfern. Sie gehörten anfangs zumeist dem rodenden Dorf, wurden später aber häufig geteilt, weil es sich oftmals um teilungsberechtigtes Erbzinsland handelte.

Die Parzellen der einzelnen Besitzer lagen im Gemenge. Gleichlaufende Parzellen waren zu Gewannen zusammengeschlossen, die auch "Felder" ...genannt wurden. Alle Parzellen eines Gewanns mussten gleichzeitig mit derselben Frucht bestellt werden, weil manche Parzellen nur über Nachbargrundstücke zu erreichen waren, für die dann das Überfahrrecht galt. Außerdem mussten genaue Saat und Erntetermine sowie Brach und Stoppelweidezeiten eingehalten werden; denn die größer werdenden Dorfherden, die in der Gemeinheit nicht mehr satt wurden, benötigten unbedingt die Brachweide und nach der Ernte die Stoppelweide.

Wegen der notwendigen Stoppelweide konnten auch keine späträumenden Feldfrüchte, wie Rüben und Kartoffeln, mit in die Fruchtfolge aufgenommen werden. Sie blieben auf die kleinen eingezäunten Kohlhöfe in Dorfnähe beschränkt und spielten als Viehfutter noch keine Rolle (vgl. Abb.50).

Wie die Äcker, so wurden auch die Wiesen privat bewirtschaftet. Doch die Heuernte war gering. Es bestanden alte Hutungsrechte, nach denen die Dorfherden im Frühjahr und Herbst die Wiesen abweiden durften, wobei in den feuchten Gebieten immer große Trittschäden entstanden. Heu war so knapp, dass das meiste Vieh mit Stroh durch den Winter kommen musste, dann aber so geschwächt war, dass Rinder zuweilen im Frühling allein nicht mehr die Weiden erreichen konnten und am Schwanz aus den Ställen und auf Schleppen auf die Weiden gezogen wurden ("Schwanzvieh").

Insgesamt waren die privat genutzten Felder und Wiesen im 18. Jahrhundert in eine Unmenge von Besitzparzellen zersplittert, die keine individuelle ertragsorientierte Wirtschaft zuließen. Dafür waren die Parzellen zu klein, und der Flurzwang sowie die Hutungsrechte standen dem entgegen.

Gemeinheit (Allmende, Mark)

Diente das Ackerland vorwiegend der Brotgetreideerzeugung und damit als Nährfläche für den Menschen, so war die Gemeinheit die Hauptfutterfläche für das Vieh. Die Gemeinheit, auch (gemeinsame) Mark, Gemeine Weide, Meente oder Allmende genannt, schloss sich als Außenwirtschaftsring des Dorfes an das Ackerland an. Sie war, nicht wie die Feldmark, an Einzelbesitzer aufgeteilt, sondern diente, wie der Name schon sagt, der Allgemeinheit, der Dorfschaft, den Berechtigten oder Markgenossen.

Die Gemeinheiten bildeten ein wichtiges Glied in der damaligen bäuerlichen Wirtschaft. Ja, manchem war, besonders in der sog. Heidebauernzeit, der Anteil an der Gemeinheit wichtiger als der Anteil an der Ackerfläche. Einerseits dienten die Gemeinheiten als Weideflächen für Schafe, Rinder, Pferde, Schweine, Gänse und Bienen. Andererseits wurden sie auch für den Holzeinschlag und Torfstich sowie für die Plaggengewinnung als Grundlage der Düngerwirtschaft genutzt.

Die einst, mit Ausnahme der Hochmoore, auf den Gemeinheiten stockenden Wälder waren durch den Viehverbiss sowie durch den Nutz und Brennholzeinschlag vor allem in den Geestgebieten weitgehend beseitigt worden, so dass sie kaum noch Bauholz liefern konnten. Aus diesem Grund hatten die Bauern schon seit dem Dreißigjährigen Krieg auf ihren Hofplätzen Eichen gepflanzt, um jederzeit Bauholz und im Herbst Eicheln als Schweinefutter verfügbar zu haben. Besser war es um die königlichen und gutsherrlichen Forsten bestellt, aus denen die Dorfherden herausgehalten werden konnten.

 

Dorf, Ackerflur und Gemeinheit

eines Dorfes im Landkreis Rotenburg/Wümme) 1754.

1 Hofplätze mit Eichen, Grashöfe (Wischhöfe) und Gärten (Kohlhöfe) (dunkle Flächen), 2 Triftwege in die Gemeinheit, 3 Altäcker mit zersplitterten Langstreifen, 4 jüngeres Rodeland, 5 Kampflur in der Gemeinheit, 6 Gemeinheit (Allmende): Heide, Bruch und Buschland, 7 Hochmoor. Ansatzstelle des Dorfes, das 1740 aus 23 Hofstellen mit rd. 50 Wohngebäuden bestand und etwa 280 Einwohner zählte, war eine Grundmoränen-Lehminsel inmitten von Sand und Moorböden, die im Laufe der Jahrhunderte in sehr schmale Besitzparzellen (Langstreifen) aufgeteilt worden war. Durch die Bevölkerungszunahme war man gezwungen, auf wesentlich schlechteren Böden Rodeäcker und Kämpe anzulegen. Ausschnitt aus der Zehntkarte von E. H. Cumme 1754.

Quelle: H.Leerhoff: Niedersachsen in alten Karten. Neumünster 1985, S.155.

 

 

 

Wirtschaftsbedingungen in vorhistorischer Zeit

aus dem Kapitel „Wirtschaft“ von Seedorf/Meyer (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN. Band II1996.

Jungsteinzeit(4500-1800 v. Chr.)

Die erste "ökonomische Revolution"

In der Jungsteinzeit hat sich ein geradezu revolutionärer Wandel der Wirtschafts- und Lebensweisen der Menschen vollzogen, der die Landschaft bis in die heutige Zeit entscheidend verändert hat: der Übergang von der aneignenden, extensiven und nichtsesshaften Lebensweise der mesolithischen Jäger, Sammler und Fischer zur intensiven Wirtschaftsweise der Ackerbau, Viehhaltung und Vorratswirtschaft treibenden sesshaften Bauernkulturen. Mit Recht wird dieser Übergang häufig als "ökonomische Revolution" oder auch als "neolithische Revolution" bezeichnet. Mit ihr begann die Umwandlung der Naturlandschaft in eine Kulturlandschaft.

Eine Kulturlandschaft, die anfangs aus nur kleinen, in den Wald hineingerodeten Äckern und aus den durch Baumhieb und Viehverbiss sich herausbildenden Wiesen in den Talauen bestand.

Die ersten Spuren dieses ältesten Bauernvolkes, dessen Name abgeleitet ist von den typisch gebänderten Tonwaren (sog. Bandkeramiker), lassen sich in den Gebieten mit den fruchtbarsten Böden, nämlich in den südniedersächsischen Lößgebieten vor etwa 6.000 - 7.000 Jahren archäologisch belegen. Lebensweise und Kulturimpulse dieses Volkes, das zuerst die Lößböden der Becken und Täler des Niedersächsischen Berglandes rodete und in Kultur nahm, kamen wohl aus dem vorderasiatischen Bereich, wo Viehhaltung und Getreidebau bereits zwei bis drei Jahrtausende früher bekannt waren. Ungeklärt ist, ob sich dabei bäuerlich lebende Menschengruppen oder lediglich die Kunde von Ackerbau und Viehzucht ausgebreitet hatten.

Mehr als tausend Jahre lang bestand nach Norden, zum Norddeutschen Tiefland, eine Kulturgrenze, die etwa mit der Nordgrenze der Lößbörden zusammenfiel. Die wildreichen Wälder und Moore und die fischreichen Gewässer des Tieflandes boten offensichtlich noch lange bessere Voraussetzungen für die Lebensweise von nomadisierenden Jägern und Sammlern als für Ackerbauern. Die schlechten Böden der Geest und der Moore reizten lange Zeit nicht zur Übernahme des Ackerbaus.

Wie archäologische Funde belegen, hat es aber wohl zwischen beiden Kulturbereichen Kontakte gegeben, die wahrscheinlich mit zunehmender Bevölkerungszahl und mit der Verknappung ackerfähiger Böden im Süden im 3. Jahrtausend v. Chr. zur Entstehung der ersten norddeutschen Bauernkultur geführt haben. Nach der Form ihrer Tongefäße wird sie als Trichterbecherkultur oder nach ihren monumentalen Grabbauten auch als Großsteingrab oder Megalithkultur bezeichnet. Die Trichterbecherleute waren endgültig sesshaft geworden. Sie wohnten in festen Dörfern und bauten verschiedene Nutzpflanzen an, insbesondere Weizen und Gerste sowie Erbsen, Linsen und Lein. Als Haustiere hielt man Rind, Schaf und Ziege, Schwein und Hund. Die Sippengräber aus Findlingen sind wohl der beste Beweis für die Sesshaftigkeit dieser Bevölkerungsgruppe, die sich weitgehend von den bisher bevorzugten See- und Flussufern löste und weiter binnenwärts die besseren, lehmigen Böden aufsuchte. Das waren zum einen lehmige Grundmoränenflächen, auf denen gleichzeitig die zum Grabbau benötigten großen Findlinge gewonnen werden konnten, und zum anderen Sandlößflächen wie beispielsweise die im Uelzener Becken oder in der Südheide bei Wittingen-Hankensbüttel, auf der Syker Geest bei Goldenstedt oder am Osthang der Dammer Berge am Dümmer.

Sicherlich erfolgte die Rodung der überall vorhandenen Wälder mit scharfen Steinbeilen und -äxten und mit Hilfe von Waldbränden. Doch wie sie im einzelnen vor sich ging und ob die Ackerwirtschaft zunächst ein Hackbau oder bereits ein Pflugbau war, ist noch weitgehend ungeklärt. Wir dürfen aber mit einer bäuerlichen Bevölkerung rechnen, die bereits durch größere Rodungsinseln und durch den Vieheintrieb in die Wälder die Naturlandschaft umgestaltet hatte, vorherrschend blieben jedoch natürliche Wälder.

In der folgenden Zeit der Schnurkeramiker oder Einzelgrableute (ab 2000 v. Chr.) scheint nicht der Ackerbau, sondern die Weidewirtschaft im Vordergrund gestanden zu haben, doch fällt in diese Periode auch der erste sichere Nachweis von Pflugspuren, während als Reittier erstmals das Pferd Verwendung fand.

Bronze- und Eisenzeit von 1800 v. Chr. bis etwa zur Zeitenwende

Bäuerliche Selbstversorgungswirtschaft

Auch in den folgenden Kulturperioden der Bronzezeit und der vorrömischen Eisenzeit waren im Tiefland sicherlich die Haustiere das tragende Wirtschaftselement. Rinder und Schweine wurden in den graswüchsigen Niederungen gehalten und Schafe auf den Geestflächen, wie die häufig unter Grabhügeln angetroffenen Heideböden und -plaggen belegen. In den Lößgebieten herrschte weiterhin der Ackerbau vor.

Noch immer war die bäuerliche Wirtschaftsweise im wesentlichen auf die Selbstversorgung (Subsistenzwirtschaft) ausgerichtet. Handwerkliche Tätigkeiten wie die Herstellung von Geräten und Werkzeugen aus Knochen und Holz, die Töpferei oder die Gerberei gehörten zum allgemeinen Hauswerk, d.h. sie wurden neben der Landwirtschaft in den arbeitsärmeren Zeiten des Jahres auf den Höfen selbst durchgeführt. Eine Ausnahme bildete die neue Technik der Metallverarbeitung. Sie war offensichtlich weitgehend von Berufshandwerkern (z.B. von Schmieden) übernommen worden, die sich genug Spezialwissen angeeignet hatten, um nicht nur das einheimische Raseneisenerz, sondern auch die begehrte Bronze und sogar Silber, die durch Fernhandel, Tausch, Beute, Geschenk oder als Tribute nach Germanien gelangt waren, zu Kultgegenständen oder hochwertigen Werkzeugen zu verarbeiten.

Das Wirtschaftsleben der Bronze und vorrömischen Eisenzeit war abhängig von den klimatischen Bedingungen. War die Bronzezeit noch eine wirtschaftliche Blütezeit gewesen, in der die Bevölkerungszahl stark angewachsen war, wie die großen Hügelgräberfelder der Geest erkennen lassen, so bewirkte die Klimaverschlechterung der vorrömischen Eisenzeit einen wirtschaftlichen Niedergang mit Anpassungserscheinungen:

1. die nunmehr notwendig gewordene Winteraufstallung des Viehs, die eine Futtervorratswirtschaft erforderte;

2. die allgemeine Einführung des dreischiffigen Wohnstallhauses (Pfahlbauten – vgl. Kapitel „Nds. Wohnen“), in dem Mensch und Haustier unter einem Dach lebten;

3. die Einführung kälte- und nässe-unempfindlicher Getreidearten (Roggen und Hafer statt Weizen und Gerste) sowie

4. auf der Geest eine Verstärkung der witterungs-unabhängigeren Schafhaltung, die damit zur weiteren Verheidung und Degradation der Böden (Ortstein, Raseneisenerz und Dünenbildung) führte.

 

 

Der Raum in der römische Kaiserzeit

In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten scheint sich die Wirtschaft erholt zu haben und die Bevölkerungszahl wieder angestiegen zu sein, wie die wachsende archäologische Funddichte aus dieser Zeit zeigt. Die Verdrängung des Hakenpfluges durch den schollenwendenden Scharpflug machte den Ackerbau wirtschaftlicher. Der Fern und Nahhandel blühten auf, wie nicht nur die in großer Zahl damals neuangelegten Wegetrassen belegen (z.B. die hölzernen Bohlenwege in den Mooren des Tieflandes), sondern auch die reichhaltigen römischen Importfunde: hochwertige Tonwaren aus den Manufakturen Galliens, Italiens und des Rheinlandes (z.B. Terra sigilata), römische Silbermünzen, Bronzegeräte und schmuck, Perlen, Glas oder Basaltmahlsteine aus der Eifel.

Wegen der schwierigen Verkehrsverbindungen des Binnenlandes vollzog sich der größte Teil dieses Handels von See her über die Flussmündungen. Wie Grabungen auf der Dorfwurt Feddersen Wierde im Land Wursten nördlich von Bremerhaven sowie im Rheiderland südlich von Emden gezeigt haben, profitierten vor allem die Siedlungen auf den hohen Prielufern der Marschen bzw. auf den Hochufern der Flüsse von den aufblühenden Handelsverbindungen. Diese Orte waren direkt mit flachgängigen Küstenschiffen erreichbar. Eigens für den Tauschhandel hatte man außerhalb der Dörfer befestigte Marktplätze angelegt, wo die begehrten römischen Importwaren gegen die heimischen Produkte der Marsch und der benachbarten Geest, wie Rinderhäute, tierische Fette, Wolle, Tuche etc., von germanischen Zwischenhändlern eingetauscht wurden, die sie dann ins Binnenland weiterleiteten.

Der Handel brachte Wohlstand in die Marschen, und er veränderte die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen: Es war inzwischen nicht nur ein professionelles Metallhandwerk entstanden, das über den Bedarf der Siedlung hinaus für den Handel produzierte, sondern bald wurden Handwerk und Handel von einer sozial herausgehobenen Herrenschicht zentral organisiert und gelenkt.

Die gegen Ende der römischen Kaiserzeit einsetzende  Völkerwanderungszeit bedeutete an vielen Stellen im nordwestdeutschen Raum eine Siedlungsausdünnung oder gar ein Siedlungsabbruch ("Siedlungslücke") sowie ein wirtschaftlicher Niedergang.

 

 

 

Feudalismus und Gutsherrschaft

 

 

 

Die Dreifelderwirtschaft

 

Die Landwirtschaft des Mittelalters beruhte hauptsächlich auf zwei Wirtschaftszweigen, dem Ackerbau und der Viehzucht.

 

 

Ernteszenen aus dem 14. Jahrhundert

Zunehmender Bevölkerungsdruck führte zu intensiver Landbearbeitung.

 

Aus diese Notwendigkeit heraus entwickelte sich die Dreifelderwirtschaft. Die einzelnen Gewannen, oft mehrere zusammen, wurden in einem anwechselnden Rhythmus bebaut.

Im ersten Jahr wurde Wintergetreide angebaut, im zweiten Jahr Sommergetreide und im dritten Jahr blieben diese Äcker dann brach liegen, damit sich die Böden erholen konnten.

Für das Bearbeiten der einzelnen Flurstücke bestand Flurzwang, das heißt, alle anfallenden Arbeiten mussten zur gleichen Zeit angegangen werden: das Pflügen, das Säen und das Ernten. Dieser Ordnung konnte sich niemand widersetzen.

Dieser Flurzwang war auch damit begründet, dass ein Nachbar dem anderen, beispielsweise durch Überfahren der Äcker, keinen Flurschaden zufügen konnte und auch der Diebstahl war leichter zu verhindern.

Der Flurzwang galt auch damals schon für die Weinberge, die aber nicht zu den normalen Gewannen zählten und an einer Stelle der Gemarkung zusammengefasst, jeweils durch einen Zaun von der übrigen Flur ausgenommen.

Die Arbeiten in den Weinbergen, so auch die Weinlese, durfte – wie heute noch – wenn auch aus anderen Gründen – erst zu einer bestimmten Zeit beginnen.

Wer Sonderkulturen anlegte, musste diese einzäunen und sie damit von der Feldflur ausnehmen. Damit entzog er sie der allgemeinen Nutzung (z. B. als Weide) und musste dafür der Gemeinde ein geringes Entgelt bezahlen.

Auf einigen gemeindeeigenen Äckern und an den Feldwegen standen vielerlei Obstbäume. Sie wurden meistbietend versteigert, wobei die Früchte nur den Dorfbewohnern zustanden.

Mit der allmählichen Einführung der Stallfütterung in der Mitte des 18. Jahrhunderts und durch die Abschaffung der Dreifelderwirtschaft, wurde der alten Dorfmarkgenossenschaft die Grundlage entzogen.

Die Bevorzugung der Markgenossen gegenüber den Armen wurde durch die Französische Revolution eingestellt. Damit entstand die politische Gemeinde von heute.

Aus Heimatbuch Hochstadt 1984 Gerd Pressler Quelle: Queichtalmuseum

 

 

 

 

Das 15. und 16. Jahrhundert

 

 

 

Feldbestellung 1519

 

 

Holzschnitt des Petrarca – Meisters von 1519

 

 

 

 

Zeit der Revolutionen, das 18. Jahrhundert

 

 

 

Bauernarbeit zu Ende des Jahrhunderts

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Die schwere Arbeit des Landmanns mit den einfachen Ackergeräten gehört der Vergangenheit an. Sie dauerte vom frühen Morgen bis zum Abend, im Herbst und Winter bis zur Dunkelheit. Die Feldarbeit begann im zeitigen Frühjahr mit dem Ausstreuen des Mistes, der danach untergepflügt wurde. Der einfache Pflug ging nicht sehr tief; er riss die Erde nur zehn bis fünfzehn cm auf. Das Säen auf die dann wieder glatt geeggten Äcker geschah mit der Hand. Der Bauer wusste genau, wie viel Körner er dem “Seidock” (= Säetuch) zu entnehmen hatte, die er dann mit geübtem Schwung über das Feld streute. Diesem Säen folgte ein nochmaliges Eggen, das Sträken (= flach streichen), um das Saatgut unter die Krume zu bringen.

Die Zeit bis zum Sprießen des Getreides blieb nicht ungenutzt. Es musste für Feuerung gesorgt werden. Mit Torfmesser, Torfspaten und Schiebkarre ging es zu den “Placken”. Nach dem Abräumen der obersten Heideschicht wurden im Abstand von ungefähr 30 cm Schnitte in den nun bloß liegenden Moorboden geführt. Diesen Senkrechtschnitten folgten Querschnitte im Abstand von etwa fünfzehn cm. Das Herausschneiden der Torfsoden erfolgte in Stufen, die man “Bänke” nannte. Die wasserhaltenden Torfe wurden dann auf die Oberkante gelegt, und von den helfenden Frauen weggefahren und luftdurchlässig aufgesetzt. Sie wurden im Laufe des Sommers mehrmals umgesetzt (“geringelt”), damit auch die unteren Stücke dem trocknenden Wind ausgesetzt waren. Die Arbeit im Moor war anstrengend. Je tiefer die Männer gruben, um so schwerer wurden die vollgesogenen Torfsoden. Die Männer standen zuletzt in den mit Moorwasser vollgelaufenen Kuhlen und trugen bei dieser Arbeit Holzschuhstiefel. Man unterschied weißen, braunen und schwarzen Torf. Der schwarze eignete sich besonders zum Heizen, während der Weißtorf mehr der Gluterhaltung diente.

Das Einbringen der ausgetrockneten Torfsoden erfolgte im Spätherbst. Wenn der Boden noch locker und nachgiebig war, konnte es geschehen, dass Wagen und Pferde einsackten. Den Pferden wurden deshalb breite Moorschuhe untergeschnallt, die ihnen einen festen Halt geben sollten. Am einfachsten war der Transport nach einem frühen Froste, der das Moor passierbarer machte.

Im Juni folgte der Grasschnitt, damit das Vieh über den nächsten Winter gebracht werden konnte. Die Schwaden wurden mehrmals gewendet, damit Sonne und Wind ihnen die Feuchtigkeit entzogen. Ein regenreicher Monat minderte den Heuertrag der Wiesen, die noch nicht gedüngt wurden, und zwang die Bauern oft, ihre Herden wegen Futtermangels möglichst früh wieder auf die gemeinsame Weide zu treiben.

Im Juli und August begann die Getreideernte. Dann standen die Mäher bereits bei Tagesanbruch in einer Linie nebeneinander, gefolgt von den Binderinnen, die die Garben banden und aufstellten. Welch ein erfreulicher Anblick, wenn am Abend die Hocken auf den abgemähten Feldern standen! Bei trockenem Wetter konnten die Garben nach einer Woche eingefahren werden. Eine Regenperiode hatte einen Ernteverlust zur Folge und traf die Bauern, die nur von den Erzeugnissen ihrer Höfe lebten, schwer. Wie froh waren sie, wenn die Wagen abgeladen und die noch vollen Garben auf den Boden gestakt waren! Das Dreschen war Winterarbeit. Dann lagen die Kornbündel mit einander zugekehrten Ähren auf der Lehmdiele. Fleißige Männer schwangen die Flegel im gleichmäßigen Takt, um sich beim Ausholen nicht gegenseitig zu behindern. Dem Dreschen folgte die Trennung der Getreidekörner von dem Kaff und den Unkrautsamen. Das geschah mit der großen “Worpschüffel”. Das Dreschgut wurde gegen den Wind geworfen, der die leichten Bestandteile weiter fliegen ließ als die schweren Körner. Der Klang des Dengelns und Schärfens der Sensen, die anfeuernden Rufe beim Aufladen und Abfahren der Garben und der sich immer wiederholende Taktschlag der Drescher waren vertraute Geräusche. Heute wachsen nicht mehr Klatschmohn, Kornblumen, Kornraden und Disteln auf den Schlägen. Damit ist ein Stück Poesie und Eigenart verlorengegangen, was die schwer arbeitenden Bauern allerdings kaum empfunden haben werden.

Bei den auf den Heideflächen gehüteten Schafen handelte es sich um Heidschnucken. Das waren anspruchslose und widerstandsfähige Tiere, deren Wolle allerdings nicht mit der höher gezüchteter Tiere konkurrieren konnte. Zum Hüten gebrauchte der Schäfer außer seinem Hund die “Schute” oder “Schapsschüffel”. Das war eine an beiden Seiten hochgebogene Schaufel mit einem langen Stiel, mit der er etwas Erde aufnehmen konnte. Blieb ein Tier zurück, so trieb er es mit einem gezielten Wurf wieder der Herde zu.

Das Scheren erfolgte, wenn die Tage am längsten waren. Zuvor mussten die Schafe aber gewaschen werden, da sich in ihren Fellen Schmutz und Ungeziefer angesammelt hatten. Sie wurden an einer seichten Stelle der Aue oder Siede in das Wasser getrieben und durch Reiben und Drücken einer Körperwäsche unterzogen. Das Scheren geschah nach dem Trocknen in einer Scheune.

Die Schafe blieben fast das ganze Jahr hindurch im Freien. Nachts wurden sie durch aufgestellte Hürden am Weglaufen gehindert, und bei starkem Frost und Unwetter brachte man sie in die Schafställe, die abseits der Höfe auf freiem Feld standen. Sie waren der Anlaß, diesem Siedlungsgebiet den Namen “Hammelburg” zu geben. Hier entstand 1955 auch ein Neubaugebiet mit der Bezeichnung “Borgkamp”.

 

 

 

 

Bauernbefreiung und Auswirkungen

 

 

 

Preußische Reformen 1806

 

 

Am Beginn der Intensivierung der Landwirtschaft standen in Preußen die Agrarreformen

Reformen sind keine Revolutionen. Und doch meinten am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts preußische Politiker und Beamte nichts weniger als eine Revolution in Gang gebracht zu haben. Schon 1799 meinte der preußische Minister Struensee zu einem französischen Abgesandten, dass die "heilsame Revolution, die ihr von unten nach oben gemacht habt, sich in Preußen langsam von oben nach unten vollziehen" werde.

Doch zwischen 1799 und 1806 liefen Reformvorhaben in einem solchen Schneckentempo ab, daß es noch einmal eines Impulses von außen bedurfte, um Preußen auf einen neuen Weg zu bringen. Die vernichtenden Niederlagen gegen die französische Armee im Oktober 1806 markierten den Wendepunkt. Der König war nach Königsberg geflohen, eine Gruppe an Reformen interessierter Bürokraten machte sich an die Arbeit. Ein zentrales Ergebnis dieses Krisenstabes war die Rigaer Denkschrift vom September 1807. Hier wurde jenes widersprüchliche Vorhaben einer revolutionären Revolutionsprophylaxe ausformuliert. Klar analysierten Karl August von Hardenberg, Barthold Georg Niebuhr, Theodor Schön und Karl von Stein zum Altenstein in dieser Schrift die mobilisierenden Kräfte, die von der Revolution von unten ausgegangen waren: "Alle schlafenden Kräfte wurden geweckt, das Elende und Schwache, veraltete Vorurteile und Gebrechen wurden - freilich zugleich mit manchem Guten - zerstört."

Mach meinen Gutsherrn nicht an!

Ein Bewährungsfeld bot sich in der Landwirtschaft und der ländlichen Gesellschaft an. Erste Reformversuche vor 1806 waren halbherzig geblieben. Am Grundprinzip der Gutsuntertänigkeit wurde nicht gerüttelt. Vor allem für das ostelbische Preußen bedeutete dies, dass die überwiegende Mehrheit der Bauern Frondienste für den Gutsherrn leisten mussten. Die spannfähigen Bauern mussten mit Zugvieh und Ackergerät unentgeltlich auf den Feldern der Gutsherren arbeiten. Die nichtspannfähigen Bauern wurden gegen Verköstigung für verschiedenste Handarbeiten herangezogen. Ihrer rechtlichen Stellung nach waren viele dieser Bauern sogenannte Lassiten (Laßbauern). Haus, Hof und Inventar gehörten dem Gutsherrn, der den Bauern das Nutzungsrecht überlassen hatte. In der Regel bestimmte der Gutsherr über Hofnachfolger und Besetzung der Stellen. Ohne Erlaubnis der Herrschaft durfte die Bauernstelle nicht verlassen werden; für die Heirat musste die Zustimmung des Gutsherrn eingeholt werden; die Kinder mussten Gesindedienste leisten.

Neben diesen gesellschaftlichen und rechtlichen Hemmnissen bestand auch in der Agrarstruktur ein dringender Reformbedarf. Die Feld- und Wiesenflur glich einem unentwirrbaren Flickenteppich aus Feldern von Bauern, Kleinbauern und Gutsherren sowie von den Dorfbewohnern gemeinsam genutzten Flächen (Allmende). Die Dreifelderwirtschaft führte dazu, dass ein Drittel der Nutzflächen ungenützt brachlag. Der Flurzwang verhinderte jeden individuellen Anbau. Diese konkreten agrarischen Probleme wurden mit den Separationen, in denen Bauern- und Gutsland getrennt wurden, sowie der Einführung verbesserter Fruchtfolgen zwar angegangen. Doch generell galt: "Noch 1807 war das ländliche Leben und Arbeiten wesentlich von der alten Agrarverfassung bestimmt" (Heinrich Kaak).

Wie eine Befreiung, ein Donnerknall erschien da das Oktoberedikt von 1807. Das "Politische Journal" urteilte im Dezember 1807: "Mit Recht hat dieses Edict eine summarische, erhebende Sensation bewürkt. Dem Adel ist ein Vorrecht genommen, das Publikum darf hoffen, dass er mehrere von denen verlieren wird, die sich nicht in seinem individuellen Werth, in seinen Diensten für den Staat begründen." Das Oktoberedikt läutete rechtlich das Ende des Mittelalters auf dem Lande ein. Es ermöglichte die freie Berufswahl. Grund und Boden konnten nun von allen, die es sich leisten konnten, erworben werden. Vorher war Landerwerb Adligen vorbehalten gewesen. Sensationell schließlich: Das Oktoberedikt hob die Gutsuntertänigkeit auf. Vom Martinitag 1810 an sollte es in Preußen nur noch "freie Leute" geben.

Allerdings brauchte diese revolutionäre Absichtserklärung Ausführungsbestimmungen. In ihnen wurde das revolutionäre Potential Schritt für Schritt entschärft. Je mehr sich die politische Lage stabilisierte, um so zaghafter wurden die Reformen. Am fortschrittlichsten präsentierte sich noch das Regulierungsedikt vom 14. September 1811. Alle Lassbauern sollten gegen Entschädigungszahlungen oder Landabtretungen an den Gutsherrn zu Volleigentümern ihrer Höfe werden. Doch selbst dieser Schritt ging vielen Gutsbesitzern noch zu weit. Sie konnten Einfluss auf den preußischen König nehmen, der daraufhin eine Revision dieser Regelung anordnete. Das Ergebnis war die Deklaration zum Regulierungsedikt von 1811, die am 29. Mai 1816 erlassen wurde. In ihr wurden nur noch jene Bauernstellen zu den Regulierungen zugelassen, die Spannvieh hielten. Allen anderen Bauern wurde die Möglichkeit des Eigentumserwerbs verwehrt. Begleitet wurden diese die Besitzverhältnisse regelnden Erlasse durch die sogenannte Landeskulturgesetzgebung. Sie leitete die Aufteilung der seit Jahrhunderten von der Dorfgemeinschaft gemeinsam bewirtschafteten Flächen in die Wege und forcierte die effektivere Ausnutzung der landwirtschaftlichen Flächen.

Ein Landgeistlicher beschrieb um 1840 die Auswirkungen der Agrarreform auf ein nicht genanntes Dorf: "Aus dürftigen Wirthen sind schon nach einem kurzen Zeitraum ziemlich wohlhabende geworden. Einzelne, der Trägheit und dem Laster ergebene Bauern, welche die sich ihnen darbietenden Mittel zur Verbesserung ihrer Güter nicht benutzen wollten, gingen zwar mit raschen Schritten ihrem Untergang entgegen; die übrigen dagegen, welche, nachdem die Fesseln gelöst waren, die erlangte Freiheit mit umsichtiger Betriebsamkeit ausbeuteten, sind in eine viel bessere Lage gekommen. Nicht nur reichen die verbesserten Weiden, der ausgedehntere Klee- und Erdtoffelbau dem Vieh kräftiger Nahrung dar, sondern auch die sorgfältig bestellten, zum Theil abgemergelten Felder gewähren reiche Ernten, so dass schon mehrere Besitzer zum Ausbau haben schreiten müssen. Die Wohnhäuser sind jetzt mit wenigen Ausnahmen nicht nur nach außen freundlich, sondern auch der Eingang in die Häuser schreckt nicht mehr zurück, ladet vielmehr ein."

Geschildert wird hier ein idealtypischer Prozess. Verlust und Niedergang wird aus moralischen Kategorien abgeleitet, nicht aus möglichen Problemen der Landwirte. Dennoch weisen die Bemerkungen über den vermehrten Anbau von Klee und Kartoffeln sowie die Schilderung der sich wandelnden Einstellung der Bauern, die die neuen Freiheiten zu nutzen wussten und für den sich ausbildenden freien Markt produzieren, den Pfarrer als sachkundigen Beobachter aus. Allerdings fehlt ein Hinweis auf die Viehhaltung, die sich infolge der Agrargesetzgebung neu strukturierte. Die Gutsherren hatten vor den Reformen die Bauern gezwungen, spannfähiges Vieh zu halten, um die auf den Gütern anfallende Arbeit bewältigen zu können. Nach Ablösung der Dienste ging die Zahl der vor allem als Zugvieh gehaltenen Ochsen in Preußen zwischen 1816 und 1840 stark zurück. Dagegen stieg die Zahl der Schweine, Kühe und Schafe deutlich an. Die Gutsbesitzer entdeckten die Schafzucht als lukrative Einnahmequelle und gingen zur Massentierhaltung über. Die Bauern im unmittelbaren Einzugsgebiet von Städten wechselten von der Spannvieh- zur Kuhhaltung, um die wachsenden Städte mit Frischmilchprodukten zu versorgen.

Dies waren Zeichen einer Intensivierung der Landwirtschaft, die sich vor den Reformen so nicht abgezeichnet hatte. Denn die Fortschritte in der Viehwirtschaft wurden ergänzt und befördert durch Entwicklungen im Ackerbau. Die in Privateigentum überführten Flächen konnte jeder Bauer nach eigenen Entscheidungen und Marktbedürfnissen bebauen. Der Flurzwang entfiel. Die Fruchtwechselwirtschaft drängte die klassische Dreifelderwirtschaft allmählich zurück; allerdings war dies ein Prozess, der von Dorf zu Dorf unterschiedlich aussah.

Die Kartoffelschlacht wurde gewonnen.

Wesentlich beschleunigt wurde durch die Agrarreformen der Anbau neuer oder bisher vernachlässigter Kulturpflanzen. Zwar war bereits im letzten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts ein sprunghafter Anstieg des Kartoffelanbaus zu verzeichnen. In Georg Heinrich Zinkens "Allgemeinem oeconomischen Lexicon" hieß es schon 1800 unter dem Stichwort "Erdbirn": "Man bepflanzt ganze Stücke auf dem Felde damit, um für die großen Haushalte sowohl eine gute Zukost für Gesinde als ein treffliches Futter für die Schweine zu haben." Doch der Durchbruch kam erst in den Jahren nach den Agrarreformen. Die Gutsbesitzer brauchten die Kartoffeln für ihre zahlreich betriebenen Brennereien. Die Bauern bauten die Knolle für den Markt- und Eigenbedarf an, nutzten sie insbesondere für die Stallfütterung oder verkauften sie an die gutsherrlichen Brennereien, um zu Barkapital zu kommen. Der Kartoffelanbau hatte das Ernährungsverhalten weiter Bevölkerungskreise revolutioniert und - mit Ausnahme der Hungerkrise von 1846/47 - entscheidend dazu beigetragen, den Hunger als existenzbedrohendes Schicksal, zumindest in Friedenszeiten, vergessen zu machen.

Ähnlich revolutionär war der Anbau von Klee und Zuckerrüben. Michael Dieterich meinte in seinem "Naturhistorisch-oekonomisch-technologischen Handwörterbuch" von 1816/17, der Klee "(liefert) die besten Futterkräuter, deren Anbau der Landwirth einen großen Theil seines Wohlstandes verdankt". Die Zuckerrübe eroberte sich weite Anbauflächen des preußischen Agrarlandes. Zucker wurde auf Verbraucherseite von einem Luxusgut zu einem Bestandteil der Alltagskost. Auf Produzentenseite wurde die Zuckerrübe zu einer vor allem von agrarischen Großunternehmern forciert angebauten Hackfrucht.

Bei aller Dynamisierung der Landwirtschaft in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts existierten Konstanten, die den allmählichen Übergang deutlich machen. Nach wie vor beanspruchte Getreide den Hauptanteil des Bodens. Die technische Entwicklung war von einer durchgreifenden Maschinisierung noch weit entfernt. Die Düngung blieb auf die "natürlichen Produktionsbedingungen" angewiesen. Zwar zeigte der "konterrevolutionäre", 1848 in den Torbogen eines Paderborner Bauernhofs eingemeißelte Spruch: "Willst Du sein ein frommer Christ / Bauer, bleib bei deinem Mist; / lass die Narren Freiheit singen / düngen geht vor allen Dingen", dass die Bedeutung der Düngung den Landwirten bestens vertraut war. Doch die durch die Stallhaltung vermehrt anfallenden Düngemittel standen in keinem Verhältnis zu dem ab dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts vermehrt ausgebrachten chemischen Dünger. Dennoch: Die Landwirtschaft hatte unübersehbar die Fesseln einer aus ständestaatlicher Sicht etablierten Wirtschaftsform abgeworfen, griff die Möglichkeiten der neuen Marktchancen auf und gestaltete weite Teile ihrer Produktion um.

 Doch wer vermittelte dieses Wissen in die Bauerndörfer? Eine speziell für die Bauern geschaffene Öffentlichkeit existierte nur rudimentär. Der fehlende Informationsfluss in die Dörfer war den Agrarreformern bewusst, forderten sie doch im Landeskulturedikt von 1811 zur Gründung landwirtschaftlicher Vereine auf. Mit diesen Vereinen wurde allmählich eine Kommunikationsebene geschaffen, die den Erfahrungsaustausch über landwirtschaftliche Fragen beschleunigte und förderte. Vor allem durch öffentlichkeitswirksame Ausstellungen konnte ein breites Publikum angesprochen werden. Hohe Preisgelder machten die Ausstellungen attraktiv und wirkten motivierend auf die Bauern und Gutsbesitzer.

Das neue Wissen und die damit verbundene Dynamisierung der Landwirtschaft übten unmittelbar Einfluss auf das Landschaftsbild aus. Die kultivierten Flächen dehnten sich aus. Das Verhältnis zwischen Acker- und Grünland verschob sich zugunsten der Ackerflächen. Insgesamt zeigte sich eine intensiver genutzte Landschaft, die in vielen Regionen von Kartoffel- und Zuckerrübenfeldern geprägt war. Das Landschaftsbild, wie es sich den Betrachtern darbot, veränderte sich. Um ihre Äcker intensiver nutzen zu können, begannen die Bauern einzelne Strauch- und Baumgruppen zu roden, neue Wege anzulegen und Steine von den Feldern zu räumen.....

Auszüge aus einem Artikel von Jürgen Schmidt Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.10.2001, Nr. 250

 

Die hiesige Ablöseverordnung von 1833

 

 

Die Bauern werden frei

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Der Osnabrücker Bürgermeister Bernhard Stüwe gab mit seiner Schrift “Über die Lasten des Grundeigentums” den letzten Anstoß zu der Ablösungsverordnung des Jahres 1833. Sie ermöglichte, dass alle grundherrlichen Verhältnisse, die Frondienste, die Zins und Zehntzahlungen, die Dienstgelder und die Abgaben an Korn und Vieh durch eine einmalige Zahlung an den Grundherrn abgelöst wurden. Das geschah durch die Berechnung des Wertes der jährlichen Leistungen, der dann mit 25 multipliziert wurde.

Die Bauern gingen nur zögernd auf diese Neuerung ein. Sie wurde ihnen erleichtert durch die Gründung einer staatlichen “Creditanstalt”, die ihnen die notwendigen Gelder zu einem niedrigen Zinssatz und zu tragbaren Amortisationsraten lieh. Die Verhandlungen mit der Domänenkammer Hannover als Vertreterin des Grundherren kamen im Auestrich bereits 1844 zu einem Abschluss. Die Halbmeyer in Siedenberg, Wehrenberg, Heide und Stelle hatten jeder etwa 880 Taler aufzubringen. Der Vollmeyer Spricksmeyer zahlte 1588 und der Vollkötner Menze 480 Taler. Die beiden Junkermeyer Oldenburg und Hasselbusch hatten bereits 1838 ihre Selbständigkeit erhalten. Sie waren mit der Zahlung von 662 bzw. 746 Talern an die Münchhausensche Familie besser davongekommen als die herrschaftlichen Bauern in Voigtei.

Die Privatisierung der Höfe hätte leicht zu einer Zersplitterung bei gleichberechtigten Erbteilungen oder Verkäufen führen können. Um dieses zu verhindern, sollte die Erbfolge mit der Bevorzugung des Anerben wie bisher bestehen bleiben. Der Staat hatte ein Interesse an der ungeteilten Erhaltung der alten Höfe. Aus diesen Erwägungen entstand das hannoversche Höferecht, das den ältesten Sohn als Anerben eines leistungsfähigen Hofes vorsah.

Auch die kirchlichen Lasten wurden abgelöst. Bisher hatte jeder Halbmeyer zum Unterhalt der Kirchendiener beitragen müssen. Er musste dem Pastor jedes zweite Jahr eine Schweineschulter und ein Brot und dem Küster eine Schulter und zwei Brote liefern. Gleichzeitig fielen auch die Abgaben an die “niedere Geistlichkeit”, womit die Schulmeister gemeint waren.

 

Durch die Gemeinheitsteilungen entstehen große Höfe

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat sich das Landschaftsbild zwischen Aue und Moor entscheidend verändert. Die Gemeinheiten hatten oft Ärger gemacht, denn jeder wollte sie nützen, aber keiner sie hegen. Als man erkannte, dass der Bauer nur bereit war, seinen Besitz pfleglich zu behandeln, kam es zu dem Gesetz über die “Gemeinheitsteilung für die Grafschaften Hoya und Diepholz” des Jahres 1824, das mit der Privatisierung vernachlässigter Heide und Moorflächen auch die Rechte aufhob, die die Hude und den Heid- und Plaggenhieb betrafen.

Der Aufteilung der Gemeinheiten gingen langjährige Verhandlungen voraus. Dem Antrag auf eine Generalteilung – das war die Teilung des Gemeinbesitzes unter mehreren Ortschaften – folgten Vermessung, Kartierung und Bonitierung. Die Zuteilungen erfolgten unter Berücksichtigung der alten Rechte und der unterschiedlichen Bodenarten sowie der Festlegung eines neuen Wege und Grabennetzes.

In den folgenden Spezialteilungen wurden die den einzelnen Ortschaften zugeteilten Abfindungen auf die einzelnen Höfe verteilt.

Das Steyerberger Fleckensarchiv etwa enthält mehrere Rezesse zu den Spezialteilungen im Raum der Bauernschaft Voigtei. Die erste wurde bereits 1832 ausgehandelt. Die vier Interessenten in Siedenberg und Wehrenberg hatten die Teilung der Schildhorst und Fladdergemeinheit beantragt. Es handelte sich dabei um 116 Morgen Anger und Bruchland und um 68 Morgen Heide. Anger und Bruchland wurden in sechs und Heide in vier Bodenklassen verschiedener Güte unterteilt. Der Wert der einzelnen Bodenarten wurde mit dem Wert der ersten Klasse des Anger und Bruchlandes verglichen. So galten z.B. drei Morgen Angerland der sechsten Klasse und vier Morgen Heide der vierten Klasse so viel wie ein Morgen der ersten Klasse des Anger und Bruchlandes. Daher kommt es, dass die vier Halbmeyer unterschiedlich große Flächen bekamen, nämlich 38, 33, 46 und 45 Morgen. Sechzehn Morgen wurden unter den vier Anbauern, der Schule und dem Amt Steyerberg aufgeteilt. Für die gemeinschaftlichen Wege blieben acht Morgen (Die Zahlen wurden auf volle Morgen gerundet).[...]

Die Bewertung dieser Fläche geschah nach “Kuhweiden”. Man rechnete fünf Morgen Heide oder vier Morgen Angerboden und schätzte, dass der “Brand” 226 Kühen ausreichend Futter geben könne.[....]

Von der Gesamtfläche, die 1989 Morgen betrug, entfielen auf die Bauernschaft Wehrenberg 345 und auf die Bauernschaft Siedenberg 301 Morgen. In der sich anschließenden Spezialteilung, die mit einer Verkoppelung verbunden war, sollten zusammenhängende und größere Grundstücke geschaffen werden, die auf neu angelegten Wegen leicht zu erreichen waren. Alter, Besitz und neue Zuteilung wurden entsprechend den Bodenqualitäten und unter Berücksichtigung alter Rechte verteilt. In Wehrenberg kamen dabei 413 und in Siedenberg 446 Morgen zur Teilung. Es handelte sich meistens um Anger und Heideland. Die vier Halbmeyer erhielten durchschnittlich 180 Morgen und die Anbauern, die hier als Brinksitzer geführt werden, etwa zwanzig Morgen. Der Schule wurden sechzehn Morgen zugeteilt; dreißig Morgen gingen für Wege, Gräben, Sandkuhlen und Sammelplätze verloren. Die beiden Siedenberger Bauern hatten so viel Heideland, dass sie weiter Schafherden halten konnten.

Fast gleichzeitig erfolgte die Generalteilung der Steyerberger und Siedenberger Fichten. Dazu ist zu lesen:

“Der Boden besteht aus sehr tief stehendem Moor und ist mit Kiefern und Birken teils locker, teils in Gruppen bestanden. Die Grundflächen sind beim Auftauen des Schnees wegen des gefrorenen Moorbodens versumpft.”

Außer der Domäne Steyerberg waren Deblinghausen, Siedenberg und Wehrenberg mit Hornvieh und Schafen weideberechtigt. Das Land war jedoch so mager, dass die 950 Morgen nur für 90 Kuhweiden ausreichten. Davon entfielen auf die Bauernschaft Wehrenberg 108 Morgen gleich neun Kuhweiden und auf die Bauernschaft Siedenberg 99 Morgen gleich acht Kuhweiden.[...]

1886 wurde das Siedener Moor unter seinen Nutznießern geteilt. Dazu gehörten Klein-Lessen, Sulingen, Maasen, Borstel, Pennigsehl und die in der Ortschaft Voigtei vereinigten Bauernschaften. Von den 1313 ha Land waren 1023 ha Moor, 245 ha Heide und 45 ha Anger. 726 ha der Moorfläche erschienen abbauwürdig. Um ihre Bonität feststellen zu können, wurde die Mächtigkeit der Moorschichten geprüft, die ja nicht gleich dick waren. Man setzte den Heizwert von drei braunen gleich dem von vier weißen oder zwei schwarzen Torfsoden. Auch das nasse Moor stellte einen Wert dar. Bei der Teilung fielen 234 ha an Stelle, 228 ha an Heide und 87 ha an Oldenburg. Davon waren 2/3 Weideboden und 1/3 Torfboden.

Auch hier folgte der Generalteilung die Spezialteilung. [...]

Es darf aber nicht vergessen werden, dass dem Gewinn von zunächst ziemlich wertlosem Land auch Unkosten folgten. Die Kosten der Vermessungen und Bewertungen sowie die Verpflichtungen für Wege, Gräben und Brücken fielen den neuen Eigentümern zu.

 

 

 

Die Folgen der Veränderungen

 

 

Aufschwung und Marktorientierung

aus dem Kapitel „Wirtschaft“ von Seedorf/Meyer (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN. Band II1996.

Auch die Landwirtschaft erlebte in den Aufbruchjahren des frühen Industriezeitalters einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung. Umwälzende Strukturveränderungen in den Eigentumsverhältnissen und Betriebsformen, die als Agrarreformen bzw. Bauernbefreiung bezeichnet werden (Ablösung der Dienste und Lasten, Gemeinheits- bzw. Markenteilungen, Verkoppelung der Felder u.a.m.) boten erstmalig den Bauern die Möglichkeit einer individuellen Wirtschaft.

Die Folge war eine Nutzungsintensivierung durch die Einführung neuer Feldfrüchte, neuer Düngungsmethoden und Arbeitsgeräte. Sie erhöhten die Erträge innerhalb weniger Jahrzehnte beträchtlich und machten den Weg frei für eine leistungs- und marktorientierte Wirtschaftsweise. Ermöglicht wurde das durch die rapide wachsende Bevölkerungszahl und durch die gestiegene Kaufkraft der Bevölkerung.

Mit dem Aufblühen der Städte und dem Wachsen der Industrie, mit dem Bau der Eisenbahnen und der Straßen gaben die Bauern und viele kleinere Stelleninhaber die reine Eigenversorgung auf und versuchten, zum eigenen Vorteil möglichst viel für den Markt zu produzieren: Brotgetreide und Kartoffeln für die Arbeiterhaushalte der Städte, aber auch Futter für die stark ausgeweiteten eigenen Schweine und Rinderbestände. An die städtischen Schlachthöfe wurden Schweine, Kälber, Rinder und Schafe geliefert. Weiterhin erzeugte man zunehmend Milch, Butter, Eier und Geflügel, örtlich auch viel Obst und Gemüse. In den Lößbörden sowie im Uelzener Becken wurden Zuckerrüben in die Fruchtfolgen aufgenommen. Rübenzucker trat an die Stelle des teuer importierten Rohrzuckers.

Bauholz und vor allem Grubenholz wurden aus den holzreichen Gegenden an die Steinkohlen und Eisenerzbergwerke abgesetzt. Schließlich gelangten sogar die in den Geestgebieten von den Feldern aufgesuchten Findlinge und kleineren Steine für den Straßen und Hafenbau zum Verkauf.

Das Geld der Bauern kam den Dörfern zugute. Gerade die Zuckerrübe brachte hohe Gewinne ein. Viele aufwendig gebaute Bauernhäuser, in den Lößgebieten die sog. "Rübenburgen", sind Kennzeichen der Gründerzeit. Darüber hinaus entstanden nun überall im Lande, insbesondere mit dem Bau der Eisenbahnen und Straßen, Landhandelsunternehmen, Molkereien, Kleinhandelsgeschäfte, Handwerksbetriebe und neue Dienstleistungsberufe.

Die Marktwirtschaft erforderte Kapital und spezielles landwirtschaftliches Wissen, das aus dem wachsenden Kenntnisstand der modernen Agrarwissenschaften breiten bäuerlichen Bevölkerungsteilen zugänglich gemacht werden musste. So wurden landwirtschaftliche Vereine und Schulen gegründet, z.B. die bekannte Wiesenbauschule in Suderburg (gegründet 1853, jetzt Fachhochschule Nordostniedersachsen für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik, Abfallbeseitigung und Tropenwasserwirtschaft). Man griff den Selbsthilfegedanken Friedrich Wilhelm Raiffeisens auf (1818-1888), um Bank- und Warengeschäfte genossenschaftlich zu organisieren: Die Gründung der ersten Bezugs, Absatz und Kreditgenossenschaften fällt in diese Zeit.

In der Gründerzeit steigerte die Landwirtschaft ihre Leistungskraft nochmals beträchtlich. Zwar hatte sich die Nutzfläche seit 1870, d.h. seit dem Abschluss der Gemeinheitsteilungen und Verkoppelungen nicht mehr wesentlich ausgedehnt, doch wurden bei der Nutzungsintensivierung große Fortschritte erzielt. Züchtungserfolge, die technische Verfeinerung und zunehmende Benutzung mechanischer Ackergeräte, verbesserte Bodenbearbeitungsmethoden und nicht zuletzt der Siegeszug der mineralischen Düngung brachten enorme Produktionssteigerungen in den landwirtschaftlichen Betrieben. Zugleich erschöpften sich jedoch auch die Möglichkeiten zur Gründung neuer landwirtschaftlicher Betriebe, da mit wachsenden Überseeimporten von Getreide und Fleisch verschiedene Produkte nicht mehr kostendeckend abgesetzt werden konnten. Die nun zur vollen Blüte gelangende Gründerzeit war somit auch eine Phase der wirtschaftlichen Zusammenbrüche. Viele Höfe gingen in Konkurs. Sie waren nicht mehr durch das Meierrecht geschützt. Die leichte Möglichkeit, Geld zu leihen, die scheinbar so günstigen wirtschaftlichen Bedingungen, verführten manchen zu riskanten finanziellen Abenteuern. Viele Höfe wurden auf Auktionen zerstückelt. Es entstanden neue Anbauerstellen, häufig gekoppelt mit einem Handwerk.

 

Wirtschaftliche Verbesserungen nach Ablösungen

Straßenausbau und Aueregulierung

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Die Bauern haben durch die Ablösung ihrer Pflichten ein kostbares Gut gewonnen: sie wurden endlich frei von jahrhundertealter Bevormundung und Unterdrückung. Durch die Landzuweisungen nach den Gemeinheitsteilungen wuchsen die alten Höfe zu stattlichen Anwesen. Verkoppelung und Wegebauten haben den Fluren ihre heutige Gliederung gegeben. Die Bauern haben entwässert, gerodet und planiert und dadurch der Landschaft ein anderes Aussehen gegeben. Ihnen kam die Erkenntnis zu Hilfe, dass die Fruchtbarkeit der Felder und Wiesen durch die im Boden enthaltenen Nährstoffe bedingt ist. Die Verwendung des künstlichen Düngers machte aus dem als minderwertig geltenden Heideboden fruchtbringendes Ackerland. Die Bauern machten sich auch Teile der einst gemiedenen Moore nutzbar. Sie durchzogen sie mit Gräben, die das braune Moorwasser der Siede und der Aue zuführten. Die Entwässerungsarbeiten begannen bereits vor dem ersten Weltkriege im Siedener Moor. 1912 wurde die Siedener Bruchgemeinschaft gegründet, die gemeinsame Entwässerungsarbeiten an der Siede vorsah.

Die neuen Felder ermöglichten einen vermehrten Anbau von Kartoffeln, Getreide und Futterpflanzen. Da die alten Weideplätze urbar gemacht worden waren, blieb das Vieh in den Ställen. Der dadurch vermehrte Anfall von tierischem Dünger verbesserte die Bodengare und brachte bessere Ernten. Das ging allerdings auf Kosten der Schafe. Schafe, Bienen und Torf brachten keinen Gewinn mehr; die Kartoffel wurde die Grundlage der Schweinemast und gepflegtes Grünland die der Milch und Fetterzeugung. Schon im 18. Jahrhundert hatte man sich bemüht, das Rindvieh durch Einkreuzen englischer Zucht zu veredeln. Man schätzt, dass das Durchschnittsgewicht einer Kuh zu dieser Zeit etwa 350 kg betrug. Den Bemühungen der Züchter  hier die Herdbuchgesellschaft Mittelweser  gelang es, Gewicht und Milchertrag zu steigern. Eine Milchkuh wog um 1900 bei 500 kg und erzeugte 2000-3000 Liter Milch im Jahr. Gegenwärtig liegt ihr Gewicht bei 700 kg und die Milchleistung bei 6000-8000 Liter Milch.

Mit der zunehmenden Bevölkerung in den Städten stiegen Handel und Verkehr. Die Bauern fanden dabei einen Markt, auf dem sie ihre Erzeugnisse gewinnbringend absetzen konnten. Aber der Zustand der Straßen war ihren Fahrten zu den Verbrauchern hinderlich. Die abseits liegenden Höfe waren nur auf ungepflasterten Wegen zu erreichen, die im Sommer sandig und in der feuchten Jahreszeit morastig waren und die Kräfte der Pferde strapazierten. Wer z.B. von Hasselbusch nach Kirchdorf wollte, musste wegen der miserablen Wegeverhältnisse über Borgstedt und Loge fahren. Die sonntäglichen Fahrten zur Kirche  waren zeitraubend und beschwerlich. Welch eine Erleichterung brachte der 1878 begonnene Straßenbau. Teils Chausseen mit Kopfsteinpflaster und Sommerwege, der die Pferdehufe schonen sollte. Später gab es Schotterstraßen. [...]

 

Auch den immer wiederkehrenden Überschwemmungen rückte man zu Leibe. Flussbegradigungen – heute verpönt als unzulässige Eingriffe in die Natur – waren die Voraussetzungen dafür, neue Nutzflächen zu erschließen und bisherige zu verbessern.

 

Tierzucht - Grafschaft Hoya (Zählung 1864)

Heinrich Gade, Historisch-geographisch-statistische Beschreibung der Grafschaften Hoya und Diepholz, Bd. 1 Nienburg 1901, S. 21ff.

[....] Unter den Haustieren nimmt hier das Pferd einen der ersten Plätze ein. Die Pferdezucht in der Grafschaft ist von einigem Ruf und erstreckt sich nicht allein auf die Zucht von Arbeitspferden, sondern vorzugsweise auf die edlen Rassen. Aus ist von Seiten der Regierung von jeher, von der Zeit der Grafen bis zur Jetztzeit, viel dafür getan. Seit 1735 besteht das Landgestüt Celle ....(und unterhält)...zahlreiche Deckstationen im Raum.....1864 wurden in der Grafschaft 14.489 Pferde incl. Füllen gezählt.

Esel findet man im ganzen wenig hier, 1864 nur 93.

Gutes, vielfach schweres Rindvieh ist in guter Art und großer Menge vorhanden und wird auch viel ausgeführt. Die neuere Zeit hat viel für die Rindviehzucht getan, besonders seit dem Bestehen der landwirtschaftlichen Vereine und der durch dieselben veranstalteten Ausstellungen, namentlich durch Einführung und Einkreuzung fremder Rassen. 1864 sind in diesem Bezirk gezählt 80.535 Stück Rindvieh.

Auch die Schafzucht ist bedeutend. Es werden Schafe verschiedener Rassen, auch deren Kreuzungen gehalten. In den Heidegegenden sind besonders die Heidschnucken, eine Art kleiner ...Schafe, die sich an dem spärlichen Futter, das die Heide und der sandige Boden ihnen an Heidekraut und dürftigen Gräsern bietet, genügen lassen und außer einer geringwertigen Wolle ein schmackhaftes Fleisch, vor allem aber den in diesen Heidegegenden so nötigen Dünger liefert. Die Gesamtzahl der Schafe einschließlich Schnucken und Lämmer betrug 1864 201.392.

Ziegen werden nur in kleinen Haushaltungen vorzugsweise von weniger bemittelten Leuten gehalten. 1864 .... 9.060.

Schweinezucht ist hier erheblich , und werden Schweine auch in großen Mengen ausgeführt und in der Regel gut bezahlt.. Bedeutende Beträge werden aus diesem Zweig des landwirtschaftlichen Betriebes erzielt und für manchen kleinen Haushalt bildet der Erlös aus der Schweinezucht die Hauptbareinnahme. Der Bedarf für die Haushaltungen ist ebenfalls sehr groß.

Als Hausgeflügel werden gehalten: Gänse, Enten, Hühner, Tauben, Puter, Pfaue, Singvögel. In neuerer Zeit ....sind auch viele ausländische Hühnerarten eingeführt (worden), und ist die Brieftaubenzucht in Aufnahme gekommen.....

Die Gewässer sind ziemlich fischreich. Unter anderen Fischen sind zu nennen: Aale, Hechte, Karpfen, Breitfische, Barben, Gründlinge, Quappen, namentlich auch in der Weser der Lachs.....

 

 

Industrialisierung und Gründerjahre

 

Problembehaftete Landwirtschaft in der Gründerzeit

aus dem Kapitel „Wirtschaft“ von Seedorf/Meyer (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN. Band II1996.

 Insgesamt gesehen war die Gründerzeit eine bis dahin einzigartige Phase technischen und wirtschaftlichen Aufschwungs, die in den Städten und Gewerbezentren von einer geradezu sprunghaften Bevölkerungszunahme begleitet war. Allein von 1870 bis 1905 verdoppelten und verdreifachten die meisten niedersächsischen Mittel und Großstädte ihre Einwohnerzahlen.

Die ländlichen Gebiete waren hingegen schon damals in ihrer Entwicklung zurückgefallen. Gewerbebetriebe siedelten sich in den Dörfern und Kleinstädten nur sehr zögerlich an, während die Landwirtschaft bereits in einen Strukturwandel eingetreten war. Besonders die verkehrsabgelegenen Gebiete wie das Emsland, Ostfriesland oder das Hannoversche Wendland waren schon in der Gründerzeit zu Problemräumen geworden, die ihre strukturellen Schwächen zum Teil bis heute beibehalten haben.

 

 

 

 

„Höhen und Tiefen“ – die erste Hälfte des 20. Jh.

 

 

 

Imperiales Großmachtstreben und das Land

 

 

Mechanisierung 1910

 

Dampfdrusch im freien Feld 1920

„Seitdem es Dampfdreschmaschinen gibt, wird kein Flegeldrusch mehr durchgeführt.“ (Siemann-Bericht a.a.O.)

in: B.W. Linnemeier, Beiträge zur Geschichte von Flecken und Kirchspiel Schlüsselburg 1986

 

Einschätzungen (1)

Heinz Hormann in: 900 Jahre Warmsen, eine Gemeinde in Wort und Bild, Schriftenreihe der Samtgemeinde Uchte Band 5 1996

Um die Jahrhundertwende waren die bisher bedeutungsvollsten Agrarreformen, die Beseitigung der grundherrschaftlichen Verfassung, die Gemeinheitsteilung und Verkopplung im wesentlichen abgeschlossen. Diese Reformen haben die Besitz und Siedlungsstruktur der Landwirtschaft grundlegend verbessert. Ohne diese Maßnahmen wäre die damals einsetzende und bis zur Gegenwart fortdauernde wirtschaftliche und technische Aufwärtsentwicklung nicht denkbar gewesen. Das Höfegesetz, die Eintragung in die Höferolle, war eine wesentliche Grundlage.

Bald wurde der Begriff „Einheitswert“ geschaffen, der die Ertragsfähigkeit der Böden und Betriebe ermittelt und unter anderem für steuerliche Zwecke große Bedeutung hat.

Die Erkenntnisse der Wissenschaftler „Liebig“ und „Thaer“ führten zu veränderten Bewirtschaftungsformen von Grund und Boden. Die Landwirte erkannten, dass eine gründliche Fachausbildung an den sogenannten Ackerbauschulen und Berücksichtigung der Lehren der Wissenschaft eine Steigerung der landwirtschaftlich Erzeugung am sichersten fördere.

Infolge dieser Erkenntnis gingen die ersten jungen Landwirte aus Warmsen zur Ackerbauschule nach Neustadt a. R.. Später holten sie ihr geistiges Rüstzeug in den neu gegründeten Landwirtschaftsschulen in Uchte, Bassum und Stolzenau. Die Direktoren dieser Schulen dienten immer richtungsweisend der modernen Landwirtschaft.

Zur Förderung der Landwirtschaft wurde der Landwirtschaftliche Verein gegründet, „Landtechnik, Raiffeisen“, verschiedene Genossenschaften. Auch die Gründung der Zweckverbands-Sparkasse in Uchte 1870 diente letztlich dem Wohle der Landwirtschaft....

Die Verbesserung der Bodenbewirtschaftung, Einführung der Fruchtwechselwirtschaft, Anwendung von Mineraldünger erbrachten mehr und bessere Erträge.

Der Landwirtschaftliche Verein machte Dünger und Sortenversuche, um für die hiesigen Böden ertragreiche Sorten zu finden. Allein die Einführung der Sorte „Petkuser-Roggen" hatte schlagartig eine starke Erhöhung der Ernteerträge zur Folge.

Durch Meliorationen und Anwendung der Mineraldünger Kalk und Kali konnten große Heideflächen urbar gemacht werden. Dampfmaschinenkolonnen zogen mit großen Seilzugpflügen von Ort zu Ort. Der Boden wurde ca.100 cm tief gewendet und anschließend durch Leguminosenanbau langsam in Kultur gebracht. So wurde in harter Arbeit Ödland in Wiesen, Weiden und Ackerflächen umgewandelt.

Mit diesen Kultivierungsmaßnahmen wurde gleichzeitig die Entwässerung der Feuchtgebiete durchgeführt. 1916 wurde der „Unterhaltungsverband Uchter Mühlenbach“ gegründet. Als Wasserlauf II. Ordnung wurde dieser unter Leitung von Kreisbaumeister Eckert bis zur Quelle in Haselhorn-Schmalenbruch ausgebaut.

In den Jahren 1933/34 dann auch die Wasserläufe III. Ordnung in Großenvörde und Sapelloh.

Gleichzeitig wurden viele Flächen dräniert und die Gemeindewege durch Leistung der Anlieger befestigt. Alles wurde in Handarbeit und mit Pferdegespannen bewältigt. Als zusätzliche Arbeitskräfte waren arbeitslose Notstandsarbeiter aus Hannover verpflichtet. Die Männer wohnten zum großen Teil im Saal in der Gastwirtschaft Jenhorst-Kalteschale. In der Gemeinde Sapelloh waren sie auf den Höfen zu je 2 Personen untergebracht. Die Unterbringung mussten die Grundstücksanlieger tragen. Als Lohn bekamen die Männer 46 Pfennig pro Stunde. Vom Verbandsvorsitzenden wurde sonnabends die Lohntüte an der Baustelle verteilt. Für die Menschen aus der Stadt waren Dränung und Wegebau eine schwere, ungewohnte Arbeit.

So wurden unter größter Belastung aller Beteiligten viele Kilometer Gräben gebaut und durch die Verbesserung der Vorflut, in erster Linie als Entwässerung, eine Steigerung der Bodenproduktion mit einer größeren Ertragssicherung erreicht. Auch die Flurbereinigung als Möglichkeit zur Arrondierung der Flächen, verbunden mit Wirtschaftswegebau, Aussiedlung und Aufstockung, dient der Sicherung der landwirtschaftlichen Betriebe. Die nun mögliche bessere Bodenbewirtschaftung, Einführung der Fruchtwechselwirtschaft, Anwendung von Mineraldünger führten zu einer vermehrten Viehhaltung.

Die stetig wachsende Produktion erhöhte auch den Bedarf an Stallungen und Lagerraum. So veränderte sich durch bauliche Maßnahmen das Bild der Höfe von Jahr zu Jahr.

Zur Vermarktung der größeren Produktmengen trugen die Genossenschaften und der Landhandel wesentlich bei.

1906 wurde in Warmsen die erste Molkerei (Windel) gebaut, 1920 eine in Haselhorn (Rethmeier).

Zur Verbesserung der Rinderzucht wurde 1902 eine Bullenhaltungs-Genossenschaft in Warmsen gegründet. Der folgte später der Milchkontrollverein. Rinderzüchter aus dem Raum Warmsen sind Mitglieder der 1912 gegründeten „Herdbuchgesellschaft Mittelweser“. Sie sind bestrebt, die Zuchten durch die Benutzung wertvoller Vatertiere die Zuchten zu verbessern. Die Leistungen der Tiere betrugen um 1925 2.500 Liter Milch mit 2,5 % Fett, 1935 3.300 Liter mit 3 % Fett, 1955 4.100 Liter mit 3,4 % Fett.

 

 

 

Die Entwicklung zwischen den Weltkriegen

Absatzprobleme und Überproduktion

aus dem Kapitel „Wirtschaft“ von Seedorf/Meyer (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN. Band II1996.

Die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten war wegen der fehlenden gewerblichen Arbeitsplätze nach dem Ersten Weltkrieg zwar noch angestiegen, nach 1933 jedoch auch hier erstmals absolut rückläufig. Die Möglichkeiten zur Gründung neuer landwirtschaftlicher Betriebe erschöpften sich mit den wachsenden Überseeimporten von Getreide und Fleisch und mit den enormen Produktionssteigerungen in den bestehenden landwirtschaftlichen Betrieben.

Bereits in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts erreichte die Marktproduktion der landwirtschaftlichen Betriebe ein solches Ausmaß, dass die Produkte nicht immer mehr kostendeckend abgesetzt werden konnten. Besonders kleinbäuerliche Betriebe, aber auch große Bauernhöfe mussten aufgegeben werden, weil es ihren Besitzern an Kapital und den notwendig gewordenen betriebswirtschaftlichen Kenntnissen fehlte. Als in den 30er Jahren im Hinblick auf die Kriegswirtschaft die Importe unterbunden waren und im Zweiten Weltkrieg sowie in den Nachkriegsjahren die Selbstversorgung sichergestellt werden musste, stieg die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe noch einmal an.

 

Ernte in Borstel 1928

in Geschichte des Kirchspiels Borstel, Hrsg. Heimatverein Borstel 1990

 

Einschätzungen (2)

Heinz Hormann in: Chronik Warmsen 1996

1921 kamen die ersten Schlepper auf den Markt. Gerade der „Lanz Bulldog" war für unsere Gegend „das Zeichen“ des Schleppers. Damit begann der Siegeszug der Landtechnik. Auf den von Max Eyht gegründeten Wanderausstellung der D.L.G. wurden den Landwirten die Entwicklungen der Landmaschinen vorgestellt. Um 1930 reifte der Schlepper zur Mehrzweckmaschine heran und wurde mit Zapfwelle und Mähwerk ausgerüstet.

Dazu kamen die ersten luftbereiften Ackerwagen, die ein höheres Ladevolumen ermöglichten.

Hiesige Schmiedemeister übernahmen Vertretungen der Schlepperfirmen. Die gummibereiften Wagen wurden zum Teil in ihren Werkstätten gebaut.

So passte sich das ländliche Handwerk sich der Entwicklung der Technik an.

Die ersten Schlepper in der Gemeinde besaßen die Lohnunternehmer, die mit ihren Dreschmaschinen von Hof zu Hof zogen und damit den Göpelantrieb für den Erntedrusch ablösten.

Bis dahin wurden Dreschmaschine und Dampfkessel mit 4 Pferden bespannt, um zu den Hofstellen zu kommen. In Nachbarschaftshilfe ging es von Hof zu Hof, denn für einen Dreschtag waren etwa 15 Arbeitskräfte notwendig. Aus Geldmangel hatten 1939 nur einige Landwirte in Warmsen, Großenvörde und Bohnhorst eigene Schlepper.

1930 kamen die ersten Grasmähmaschinen, 1934 Getreideselbstbinder und Sämaschinen. ... In der Innenwirtschaft kam die wesentliche Arbeitserleichterung mit der Stromversorgung. Bis 1936 hatten nur einige Landwirte ein Stromaggregat, um sich selbst zu versorgen. 1937 wurde das gesamte Gemeindegebiet von der HASTRA mit Strom versorgt. Hierdurch wurde besonders die Arbeit der Frauen in der Innenwirtschaft erleichtert.

Denken wir an den Weg vom Butterfass zur Melkmaschine, vom Schlagbrunnen zur Elektropumpe, vom Handwaschen zur vollautomatischen Waschmaschine, vom offenen Herdfeuer zum Elektroherd. Die Vorratshaltung wurde durch die Kühltruhe sehr vereinfacht. Moderne Heizungssysteme und sanitäre Einrichtungen erhöhen den Lebensstandard.

 

 

 

Landwirtschaft und das Dritte Reich

 

 

Der nachstehende Artikel wurde dem Heimatbuch von Darlaten entnommen und gibt wahrscheinlich einen Zeitungsartikel – möglicherweise der örtlichen Regionalzeitung aus dem Jahre 1936 wieder, leider wird aber die genaue Quelle nicht genannt. Er wird in Auszügen zitiert:

Entschuldung der Erbhöfe

Antragsfrist bis 31. Dezember 1936

In den Jahren vor der Machtübernahme führte der außergewöhnliche Rückgang der Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu einer wachsenden Verschuldung der deutschen Landwirtschaft. Die Höfe hatten eine Schuldenlast zu tragen, die in vielen Fälle über den Betriebswert hinausging. Die Zinslastlast, die der Bauer aufzubringen hatte, überstieg oft bei weitem die Zinsleistungsfähigkeit.

In diesem für das gesamte deutsche Volk untragbaren Zustand griff die nationalsozialistische Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen ein, von denen die wichtigsten das Reichserbhofgesetz und das Schuldenregelungsgesetz sind:

Die landwirtschaftliche Entschuldung hat zum Ziel:

1. den Bauern und Landwirt so zu stellen, dass er aus dem Ertrag seiner Arbeit den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestreiten kann.

2. Weiterhin die Verzinsung und allmähliche Abtragung der Schulden aus der Vergangenheit zu ermöglichen.

3. Eine erneute Verschuldung zu verhindern.

4. Die Gläubiger vor dem Verlust ihrer Forderungen zu bewahren.

Durch die Reichsnährstandsgesetzgebung und die Marktordnung ist eine Festigung der wirtschaftlichen Verhältnisse herbeigeführt. Diese hat zur Folge, dass heute jeder Bauer, der seinen Hof ordnungsgemäß bewirtschaftet, auskömmlich leben und seinen Verbindlichkeiten nachkommen kann. Eine ordnungsgemäße Wirtschaft ist aber ohne Schuldenregelung nicht möglich. Es ist nicht angängig, dass der Bauer die Erträge des Betriebes Jahr für Jahr an seine Gläubiger abführt und auf dem Hofe die notwendigsten Instandsetzungen und Anschaffungen unterbleiben. Darum müssen die Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit im Entschuldungsverfahren in der Weise bereinigt werden, dass die Schulden den Bauern nicht mehr drücken.. Kein Hof darf mehr Lasten haben als er aufbringen kann.

Trotzdem eine Schuldenregelung Voraussetzung jeder ordnungsgemäßen Wirtschaftführung ist, haben es viele Bauern versäumt, rechtzeitig die Eröffnung des Entschuldungsverfahrens zu beantragen... Die Achte Durchführungsverordnung zum Schuldenregelungsgesetz bestimmt darum, dass jeder Bauer, dessen Schuldenlage eine Entschuldung erfordert, bis zum 31. Dezember 1936 den Antrag auf Einleitung des Entschuldungsverfahrens stellen kann.....

Für den Fall, dass einige Bauern von dieser letzten Gelegenheit, ihre Schulden zu regeln, nicht Gebrauch machen, hat der Kreisbauernführer wegen des öffentlichen Interesses an der Schuldenregelung das Recht erhalten, den Antrag auf Eröffnung eines Entschuldungsverfahrens an Stelle des Bauern zu stellen. ...

Die Kreisbauernführer und Ortsbauernführer nehmen die Anträge zur Weiterleitung an das Entschuldungsamt Bückburg entgegen. ....

 

Bilder zur Ernte in den 30er Jahren

Die nachfolgenden Bilder sind zweier Chroniken (Voigtei und Warmsen) entnommen. Sie werden ergänzt und ausgetauscht im Laufe der weiteren Bearbeitung. Immerhin zeigen sie deutlich, die unterschiedlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bauern. Ein Pferdegespann bedeutete durchaus einen gewissen Reichtum, immerhin zeigen auch zwei Ochsen schon ein gewisses Wohlhaben. Wer seine Kühe einsetzen musste, der tat aus wirtschaftlicher Notlage, denn für die Milchproduktion war diese schwere Arbeit keineswegs förderlich. Oft half man sich auch gegenseitig und lieh seine Zugtiere aus.

Einige konnten schon mit ersten mechanischen Hilfen auf ihren Feldern arbeiten, Handarbeit zeigte hier meist an, dass man über keine größeren Mittel verfügte.

Der Staat sorgte dafür, dass die Ausbildung gefördert wurde, um die in den Wirtschaftkrisen der Weimarer Republik arg finanziell strapazierten, teilweise hoch verschuldeten landwirtschaftliche Betriebe zu fördern.

Mit einem Entschuldungsprogramm gelang es den Nationalsozialisten viele Anhänger in unserem ländlichen Raum zu gewinnen, obwohl letzteres in den Chroniken selten entsprechende Würdigung findet.

Feldbestellung 1935

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Kuhgespann mit Saategge 1936

Bildersammlung Wiehe

in: 900 Jahre Warmsen, eine Gemeinde in Wort und Bild, Schriftenreihe der Samtgemeinde Uchte Band 5 1996

Roggenmahd in den 1930ern

Bildersammlung Wiehe

in: 900 Jahre Warmsen, eine Gemeinde in Wort und Bild, Schriftenreihe der Samtgemeinde Uchte Band 5 1996

Mähen 1938

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Getreideernte 1930er

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Getreideernte 1936

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Dreschen 1938

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Lehrgänge für Melker und Viehpfleger 1932

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Zwangsarbeiter, unfreiwillig Helfer im Krieg

Franzosen in Voigtei 1942

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

 

 

 

Landwirtschaft in bundesrepublikanischer Zeit

 

 

 

Nachkriegsentwicklung (Übersicht)

aus und nach den Kapiteln „Landwirtschaft / Betriebszweige“ und „Niedersächsische Agrarlandschaften“ von Seedorf/Meyer (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN. Band II. 1996.

Trotz des anhaltend starken Rückgangs der Betriebszahlen bewirtschaften oder besitzen die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen immer noch etwa 81 % der Gesamtfläche, d.h. rd. 2,7 Mio. ha landwirtschaftlich genutzte Fläche, etwa 1 Mio. ha Wald sowie 0,3 Mio. ha Moore, Gewässer und Unland. Nur 0,7 Mio. ha der niedersächsischen Landesfläche werden von Gebäuden, Verkehrs und Industrieflächen, Höfen, Gärten, Parks und Übungsplätzen eingenommen.

Entwicklungsphasen der Landwirtschaft

Die Hungerjahre der Nachkriegszeit sind manchem noch in Erinnerung, als durch den Zuzug von über 2 Millionen Flüchtlingen nach Niedersachsen und durch die unzureichende Düngerversorgung der Böden die Nahrungsdecke nicht ausreichte. Deshalb waren anfangs die Nahrungsmittelerzeugung und -versorgung der Bevölkerung ein Hauptanliegen der Bundes und der Landesregierungen.

Um dem Nahrungsmangel zu begegnen, wurden großräumig Bodenuntersuchungen und Kartierungen durchgeführt, die feststellen sollten, auf welchen Grünlandstandorten der Marschen und Flussniederungen Brotgetreide angebaut werden könne.

Allenthalben wurden Moorkultivierungen vorgenommen, um neue Nährflächen zu schaffen. Im Emsland sind z.B. von 1950 bis 1970 rd. 111.000 ha kultiviert, 14.000 ha gedränt, 640 km Flussläufe sowie 6.200 km Vorfluter und Gräben ausgebaut worden. Um die Menschen aus der Armut zu führen, sind 1.250 neue Bauernhöfe und rd. 5.000 Nebenerwerbsstellen für Flüchtlinge und Einheimische geschaffen worden. Als gesellschaftspolitisches Ziel galt es, möglichst viele bäuerliche Vollerwerbsbetriebe (ca. 25 ha) zu erhalten bzw. neu anzulegen.

Als in der 2. Nachkriegsphase die Unterversorgung beseitigt und damit die Ernährungsbasis gesichert waren und die Preise und Löhne in der Landwirtschaft gegenüber denen der anderen Wirtschaftsbereiche weit zurückblieben, begann die Umstrukturierung der gegenüber dem westlichen Ausland mit Arbeitskräften überbesetzten Landwirtschaft. Jetzt wurde die zu teuer gewordene Arbeit durch Kapital (besonders durch Maschinen) ersetzt, wurden der technische Fortschritt genutzt und Arbeitskräfte in die Industrie entlassen.

Der Einsatz von großen Erntemaschinen und der Ersatz der Zugtiere durch Schlepper erforderten einen Ausbau der Wirtschaftswege und eine Vergrößerung der Betriebe, die wiederum die Zusammenlegung von Grundstücken durch Flurbereinigungen verlangten, um maschinengerechte Flächen zu erhalten. Damit war z. T. die Aussiedlung aus beengten Dorflagen verbunden. Auch eine Wasserregulierung der Nassgebiete war notwendig geworden, um die landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten zu verbessern und den Hochwasserschutz für die Siedlungsgebiete zu gewährleisten. Neugebildete Wasser und Bodenverbände übernahmen diese dringliche Aufgabe.

Um marktgerecht produzieren zu können, begannen die größeren Betriebe mit einer Spezialisierung auf bestimmte Produkte. Und für die Vermarktung war der Anschluss an Absatzorganisationen erforderlich, die wiederum Einfluss auf die Produktionsrichtung nahmen. Damit wurden die vorher vielfach noch übliche hofeigene Erzeugung, Verarbeitung und Verteilung aufgegeben.

Der dritte Anpassungsprozess wurde durch die Einordnung in den größeren europäischen Agrarmarkt erforderlich, der in die bisherigen Absatzgebiete viele neue Konkurrenten aus anderen Klima und Marktgebieten brachte, aber auch die Chancen erhöhte, selbst für den größeren europäischen Markt zu produzieren. Das bedeutete für den fortschrittlichen Teil der Landwirte eine noch weitgehendere Spezialisierung und der Aufbau schlagkräftiger Absatzorganisationen, um bei der begrenzten Nachfrage mithalten zu können, besonders auch im Hinblick auf die strenger gewordenen Bestimmungen im Umweltbereich, in den Bauvorschriften und bei den Fragen der Lebensmittelqualität.

In der gegenwärtigen 4. Nachkriegsphase ist die Landwirtschaft bemüht, nachdem durch den Schrumpfungsprozess schon vielerorts hochleistungsfähige und stabile Betriebe entstanden sind, weiterhin durch Betriebsvergrößerungen und anhaltende Rationalisierungsmaßnahmen wieder Anschluss an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu finden. Denn mit Agrarpreissteigerungen ist angesichts des Überangebots an Agrarprodukten innerhalb der EG und auf dem Weltmarkt nicht zu rechnen. Zumeist ist eine Einkommenssteigerung nur durch die Steigerung der Angebotsmenge möglich.

Trotz verschiedener Beihilfen (Flächenstillegungsprämien, Aufforstungshilfen, Produktionsaufgaberenten) kommt neben den Betriebsstillegungen die notwendige Abnahme der Produktionsflächen nur schleppend voran; denn die verbleibenden Landwirte sind in der Regel bemüht, ihre Flächen zu vergrößern, um damit die Einkommensverluste auszugleichen. Das bedeutet eine Betriebsvergrößerung durch die Zupachtung von Flächen der aufgegebenen Betriebe. Die Regel heißt hier, rein wirtschaftlich gesehen, "wachsen oder weichen";

Periodisierung der Agrarlandschaft

Im Landesdurchschnitt werden etwas mehr als ein Drittel der Gesamtfläche Niedersachsens als Ackerland genutzt und jeweils etwa ein Fünftel als Grünland und Wald.

Zeitraum 1950 - 1960

Überblickt man den Wandel der Hauptnutzungsarten seit 1950, so ist für die Zeit von 1950 bis 1960 eine deutliche Zunahme sowohl des Ackerlandes als ach des Dauergrünlandes festzustellen. Sie sind das Ergebnis von Moor- und Ödlandkultivierungen, die vorgenommen wurden, um neue Erwerbsstellen, insbesondere für einen Teil der rd. 2,5 Mio. Heimat-Vertriebenen und Flüchtlinge aus dem Osten zu schaffen und um die bisher unzureichende Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen. Gleichzeitig Krden die im Kriege und in der Nachkriegszeit abgholzten Wälder wieder aufgeforstet.

Zeitraum 1960 - 1970

In dieser Zeit machten sich die ersten Sättigungserscheinungen bemerkbar. Zwar nahmen die Ackerflächen noch zu, nicht aber das Dauergrünland, das kum Teil schon für die einträglichere Ackernutzung Umgebrochen wurde. Die Gerste wurde gegenüber dem bisher führenden Roggen zur Hauptfruchtart. Und auch die Weizenanbaufläche nahm stark zu, W5hrend die Kartoffel auf ein Drittel ihrer Anbauflä4he von 1950 zurückfiel. Die Auswei40g der Siedlungs- und Verkehrsflächen erforderte i Jetzt schon einen größeren Anteil von der landwirtschaftlichen Nutzfläche als durch Kultivierungen neu geschaffen werden konnte.

Zeitraum 1970 - 1980

Die Abnahme des Grünlandes wurde noch stärker, weil insbesondere im Lößbördegebiet und in den Tälern des Berglandes viele Betriebe ihr Vieh abschafften und die Wiesen und Weiden dränieren ließen, um sie zu Ackerland zu machen. Im Norden jedoch nahmen wegen der immer intensiver werdenden Viehhaltung die Grünlandflächen noch zu. Unter den Anbaufrüchten stand die Gerste mit rd. 30 % der Akkerfläche an erster Stelle, gefolgt vom Weizen (19 %). Zurückgedrängt waren Roggen (10 %) und Hafer (11 %). Als erste Hackfrucht erreichte die Zuckerrübe einen Anteil von 10 % der Ackerfläche. Die Kartoffel, einst die dominierende Hackfrucht der Geestgebiete, nahm nur noch 4 % der Ackerfläche ein.

Zeitraum 1980 - 1990

Es setzte sich die Entwicklung des vorhergehenden Jahrzehnts fort. Doch kam jetzt verstärkt als neue Futterpflanze der Mais als Silomais für die Rinderhaltung und als Körnermais für die Schweinemast hinzu. Der Silomais mit seinem hohen Futterwert war bereits stärker vertreten als die Kartoffel, zumal der Mais eine kräftigere Gülledüngung besser verträgt als die Hackfrüchte. Das beschleunigte auch den Umbruch von Grünlandflächen. Als weitere neue Kulturpflanze erschien Triticale, eine Kreuzung aus Weizen und Roggen. Stark ausgedehnt wurde der subventionierte Anbau von Winterraps als Fett und Öllieferant, insbesondere für die Margarineindustrie. Infolge der Überschüsse an Agrarprodukten wurden staatliche Maßnahmen für Flächenstillegungen wirksam. Auch die Waldflächen nahmen weiter zu.

Zeitraum ab 1990

Das Flächenstillegungsprogramm wurde fortgesetzt. Dem Natur und Umweltschutz wird insbesondere durch die Extensivierung der Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden (Biotope: Feuchtwiesen) sowie von Ackerflächen (Anlage von Gewässerrandstreifen, Grün und Schwarzbrache) und von Dauerkulturen (z. B. Streuobstwiesen) ein stärkeres Gewicht gegeben. An den Ackerrändern blühen wieder Kornblumen und Mohn, und im Herbst geben die blaublühenden Phacelia-Felder der Landschaft einen neuen Aspekt.

Kriegsfolgen und Währungsreform

aus und nach dem Kapitel „Wirtschaft“ von Seedorf/Meyer (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN. Band II.1996.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs mit seinen verheerenden Folgen bedeutete für die niedersächsische Wirtschaft praktisch einen Neuanfang. Etwa 300.000 Menschen aus Niedersachsen waren durch die Kriegsereignisse, durch die tragischen Verluste an der Front und durch den Bombentod umgekommen oder Hunger, Seuchen und Erschöpfung zum Opfer gefallen.

Belastungen verzögerten den Aufschwung

Die Wiederbelebung der wirtschaftlichen Strukturen wurde in der frühen Nachkriegszeit durch eine Vielzahl zusätzlicher Belastungen erschwert, von denen hier nur die wichtigsten genannt werden können:

1. die hohen Besatzungskosten, die anfangs ein Drittel bis zur Hälfte des jährlichen Steueraufkommens aufzehrten,

2. die Abschnürung vom Weltmarkt,

3. der Mangel an Energie,

4. Transportschwierigkeiten,

5. Währungs-Ungewissheiten und nicht zuletzt

6. der große Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen, der die Einwohnerzahl Niedersachsens von etwa 4,5 Mio. im Jahre 1939 auf 6,7 Mio. (1950) erhöhte.

Große Schwierigkeiten bereitete die Vermittlung der entlassenen Kriegsgefangenen und Schwerbeschädigten sowie der Flüchtlinge, bei denen gesundheitliche Auszehrung und kriegsbedingte Verletzungen eine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben oft über Monate und Jahre verzögerten oder sogar ganz unmöglich machten.

Der Neuanfang

Schließlich folgte nach drei Jahren der wirtschaftlichen Lähmung am 20. Juni 1948 die Währungsreform, die für weite Teile der Bevölkerung durch die Entwertung der Sparguthaben zwar schwere wirtschaftliche Einbußen brachte, die auch durch Geld- und Kreditverknappung und Verteuerung der Arbeitskraft die Arbeitslosigkeit zunächst steil ansteigen ließ (Ende Dezember 1949 waren 17,3 % der Erwerbspersonen arbeitslos), die letztlich aber mit der Schaffung der Deutschen Mark erst die Voraussetzung für den wirtschaftlichen Neuanfang schuf.

Insgesamt waren 1950 noch immer 30 % der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft tätig (heute unter 5 %). 45 % aller Erwerbstätigen gehörten dem Produzierenden Gewerbe an, davon die eine Hälfte der Industrie, die andere dem Handwerk (Bundesdurchschnitt 1950: 52 %). Am niedersächsischen Volkseinkommen (Bruttowertschöpfung) hatte die Landwirtschaft noch einen Anteil von 18 % (heute: unter 4 %), Industrie und Handwerk waren mit etwa 43 % an der Wertschöpfung beteiligt (heute: unter 40 %).

 

Nach Kriegsende bis ca. 1955 waren es Flüchtlinge und Vertriebene, die auf den Betrieben ein Obdach gefunden hatten und zunächst weitgehend gegen Beköstigung auf den Betrieben mithalfen.

Problematisch war für die Landwirtschaft – wie für die gesamte Wirtschaft in Deutschland – der nach Kriegsende offenkundig werdende Inflationsdruck der Reichsmark. Die Währung hatte keinen Wert mehr und es entwickelte sich ein Tauschsystem, das mit „Hamsterzeit" umfassend beschrieben ist. Ferner war das Zuteilungssystem – auch für landwirtschaftliche Betriebsmittel (z. B. Dünger) – mit dem Ende der NS-Zeit zusammengebrochen. Gleichzeitig war auch die Düngererzeugung erheblich zurückgegangen. Amtlichen Statistiken ist zu entnehmen, dass 1946/47 der Verbrauch an Dünger nur noch halb so hoch war wie vor Kriegsausbruch. In Verbindung mit der unzureichenden Düngerversorgung der letzten Kriegsjahre waren die niedrigen Erträge auf Acker und Grünland leicht zu erklären.

Eine Steigerung konnte nur durch Düngung erreicht werden. Bereits ein Jahr nach der Währungsreform in den alten Bundesländern (20.06.48) wurde wieder so viel Dünger ausgebracht wie im Jahr 1938/ 39. Ein Jahr später erreichten auch die Erträge bei Getreide im Durchschnitt die Vorkriegshöhe.

Bei den Schleppern kam die Verbreitung auf jedem Hof nach der Währungsreform 1948. Einige begannen mit einem 11 PS Deutz-Schlepper und einem Einscharpflug.

(Hormann, Chronik Warmsen).

 

Hausschlachtung 1945

entnommen F. Bomhoff, Chronik Voigtei 1989

 

wird demnächst weiter bearbeitet

Krisen und Strukturwandel

aus dem Kapitel „Wirtschaft“ von Seedorf/Meyer (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN. Band II1996.

Flüchtlinge und Vertriebene - neue Impulse

Die Aufschwungphase der 50er Jahre wurde nicht allein von den alteingesessenen Unternehmen getragen, sondern auch von vielen Flüchtlingen und Vertriebenen, die Fachwissen, Fabrikationsgeheimnisse und Werkzeuge mit nach Niedersachsen brachten und hier neue Betriebe gründeten. Auch die ländlichen Gebiete, und darin viele Klein- und Mittelstädte, die von der ersten Gründerzeit vor der Jahrhundertwende fast unberührt geblieben waren, wurden von der neuen Industrialisierungswelle erfasst. Sie verbesserte und erweiterte manche einseitigen Branchenstrukturen, doch reichte die Zahl der neugeschaffenen Arbeitsplätze bei weitem nicht aus, um für alle arbeitssuchenden Neubürger die Erwerbsgrundlage sicherzustellen.

Einen Ausweg bot bis weit in die 50er Jahre hinein nur die Landwirtschaft. Landbeschaffungs- und Ansiedlungsprogramme, durch die besonders im Emsland und in den ostfriesischen Mooren am Küstenkanal weite Ödlandflächen kultiviert und neue Dörfer und Bauernstellen gegründet wurden, trugen wesentlich dazu bei, den großen Arbeitskräfteüberschuss in den ländlichen Gebieten abzubauen. Durch diese Maßnahmen wurde der Erwerbsanteil der Landwirtschaft in der frühen Nachkriegszeit sogar kurzfristig verstärkt.

Verschiebungen in der Branchenstruktur

Das Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte ("freie und soziale Marktwirtschaft"), das inzwischen zur entscheidenden Triebkraft des wirtschaftlichen Aufschwungs geworden war, erwies sich nun immer mehr auch als ein selektierender Faktor, der nur die flexibelsten und leistungsstärksten Unternehmen begünstigte. Wachsende Inlands und Auslandskonkurrenz und steigende Löhne zwangen die Betriebe, immer stärker zu rationalisieren und die teurer werdende Menschenkraft durch Maschinen zu ersetzen. Eine wachsende Zahl von Unternehmen, die dem Wettbewerbsdruck aus Kapitalmangel oder Verschuldung nicht standhalten konnten, musste jetzt ihren Betrieb aufgeben oder an andere Standorte verlagern. Niedersachsen stand am Anfang einer Phase tiefgreifender wirtschaftlicher Strukturveränderungen, von denen alle Wirtschaftssektoren betroffen waren.

Weniger Landwirte produzieren immer mehr

Die stärksten Veränderungen vollzogen sich in der Landwirtschaft. Schon zu Beginn der 50er Jahre hatten zahlreiche Flüchtlinge und Vertriebene ihre zugewiesenen Wohnorte verlassen und in den aufstrebenden Gewerbezentren und Großstädten neue und besser bezahlte Arbeitsplätze gefunden. Seit Mitte der 50er Jahre machten sich darüber hinaus die betrieblichen Rationalisierungen bemerkbar. Hohe Beschäftigtenzahlen und zu geringe Betriebsgrößen hatten sich unter dem Preisdruck der Agrarimporte als nicht mehr marktgerecht erwiesen. Viele kleine Betriebe, aber auch große Bauernhöfe mussten aufgegeben werden. Nur solche Landwirte, die über hinreichend Kapital für Maschinen, Düngemittel, Zuchtvieh und Viehmastfutter verfügten und beweglich genug waren, sich den stark veränderlichen Verhältnissen anzupassen, blieben auf Dauer konkurrenzfähig. Dieser Strukturwandel ist auch heute, nach mehr als 40 Jahren, noch nicht zu Ende.

Rund fünf Sechstel aller Arbeitskräfte sind seit 1950 aus der Landwirtschaft freigesetzt worden. 1950 gab es noch rd. 909.000, 1990: nur noch rd. 150.000 Erwerbstätige in der Landwirtschaft. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen ist damit von rd. 30% auf inzwischen unter 5 % zurückgegangen.

Viele der freigesetzten Arbeitskräfte haben in Gewerbebetrieben, einige auch im Dienstleistungssektor eine neue Arbeitsstelle gefunden. In der Leistungsfähigkeit der verbliebenen Betriebe hat sich dieser Rückgang nicht negativ niedergeschlagen. Die heutigen Landwirte produzieren dank der erheblich verbesserten Wirtschaftlichkeit nach Betriebszusammenlegungen und Flurbereinigungen und dank der Hilfe moderner Maschinen, mit neuem Saatgut, hochgezüchtetem Vieh und intensivierten Düngungsmethoden sogar mehr als ihre weit zahlreicheren Vorgänger in den 50er Jahren. Zugleich hat sich der Ausbau der Veredlungswirtschaft fortgesetzt. Heute nehmen niedersächsische Betriebe in der Fleisch und Eierproduktion, aber auch bei der Erzeugung und Vermarktung von Milch und Milchprodukten im Bundesgebiet eine Spitzenstellung ein.

Der Weg zur Dienstleistungsgesellschaft

Die Folgen des Arbeitsplatzabbaus in der Landwirtschaft und im Produzierenden Gewerbe wären noch viel drastischer ausgefallen, wenn nicht der Dienstleistungssektor seinen Erwerbsanteil seit den 50er Jahren kontinuierlich gesteigert und damit viele Beschäftigungsverluste kompensiert hätte. Mit den gestiegenen Lebensansprüchen der Wirtschaftswunderzeit, mit der gewachsenen Kaufkraft und gewaltig gestiegenen Nachfrage nach Konsumartikeln aller Art, mit dem gewachsenen Freizeit und Informationsbedürfnis war auch der Bedarf an Dienstleistungen immer größer geworden.

 

Beobachtungen in unserem Raum

Ab etwa 1955 setzte die Mechanisierung der Landwirtschaft sowohl in der Außenwirtschaft (Schlepperzahl in Deutschland verdreifachte sich zwischen 1953 und 1960), als auch in der Innenwirtschaft (Zahl der Melkmaschinen stieg im gleichen Zeitraum um das Siebenfache). Die Gründe sind vielfältig:

– Personalmangel: Abwanderung aus dem ländlichen Raum in die Städte, wo zunehmend günstigere Arbeits- und Wohnmöglichkeiten entstanden.

– Mechanisierung: Kostengünstiges Angebot der entsprechenden Technik.

– Subventionierung: Günstige Finanzierungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft.

– Hofaufgaben: Wachstum verbleibender Betriebe durch Aufgaben unrentabler Einheiten.

Diese Dinge erbrachten aber zugleich einen  Strukturwandel, der bis heute noch nicht abgeschlossen ist.

Aus Rationalisierungsgründen wurden die Melkzeiten auf zweimal täglich eingestellt, obwohl dadurch die Milchleistung 37% niedriger als bei viermaligen Melken liegt.

Der technische Fortschritt hat aber auch eine Verminderung der Arbeitszeit in einzelnen Betrieb nach sich gezogen. Dennoch geht der Agrarbericht immer noch von einer 60-65 Stundenwoche in der Landwirtschaft aus. Neben der Verminderung der Arbeitszeit ist die geringere physische Beanspruchung der Landwirte durch die Arbeit hervorzuheben. Gleichzeitig stieg und steigt weiterhin der Anspruch an die Fähigkeit des Leitens eines Betriebes. Nicht mehr der arbeitende Landwirt wird die künftigen Herausforderungen meistern, sondern derjenige wird den größten Erfolg haben, der durch seine Managementqualifikationen hervorsticht. Dies wird an verschiedenen Stellen des Berichtes zur Entwicklung der hiesigen Landwirtschaft sehr deutlich.

„Für den wachsenden Viehbestand waren ebenfalls große Aufwendungen nötig um zeitgemäße Aufstallungen zu erstellen. Der arbeitsaufwendigen Haltung der Schweine und des Rindviehs auf Stroh, folgte die Rostenaufstallung mit dem dann folgenden Gülleproblem. Für alle Haltungsarten wurde immer eine optimale Lösung gefunden, die einer artgerechten Haltung dienen soll. Diese sich ständig verändernde Technik kostete sehr viel Kapital. Die Erlöse aus der Viehhaltung gingen großteilig in die Technisierung der Betriebe.“ (Hormann, Chronik Warmsen)

„Die landwirtschaftliche Alterskasse wurde bereits 1957 gegründet. Sie finanziert und verordnet Kuren und Betriebshelfer und zahlt das Altersgeld der Landwirte. Um auch die ärztliche Versorgung für alle sicherzustellen, wurde 1972 die Pflichtversicherung der Krankenkasse für Landwirte eingerichtet. Damit ist eine soziale Absicherung der Menschen ... gegeben.“ (ders.)

 

Die „gute alte Zeit“ - Bilder aus den 50er Jahren

Melken auf der Wiese 1955

Familie Spilker, Warmsen

Bildersammlung Wiehe

in: 900 Jahre Warmsen, eine Gemeinde in Wort und Bild, Schriftenreihe der Samtgemeinde Uchte Band 5 1996

Transportbehältnis Kanne

Bildersammlung Wiehe

in: 900 Jahre Warmsen, eine Gemeinde in Wort und Bild, Schriftenreihe der Samtgemeinde Uchte Band 5 1996

Kartoffelernte 1956

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Fahrbare Kartoffeldämpfanlage Mitte 50er

H. Gerlin, A. Bramkamp, K-H. Langhorst, Frau Rudeck aus Warmsen

Bildersammlung Wiehe

in: 900 Jahre Warmsen, eine Gemeinde in Wort und Bild, Schriftenreihe der Samtgemeinde Uchte Band 5 1996

Dreschen am Schafsstall von Gerling (Bonhorsterhofen) 1955 (3 Bilder)

Bildersammlung Wiehe

in: 900 Jahre Warmsen, eine Gemeinde in Wort und Bild, Schriftenreihe der Samtgemeinde Uchte Band 5 1996

Gutes Heuwetter

Einwohner von Bonhorst in den 50ern.

Bildersammlung Wiehe

in: 900 Jahre Warmsen, eine Gemeinde in Wort und Bild, Schriftenreihe der Samtgemeinde Uchte Band 5 1996

 

... und die harte Wirklichkeit der Ödlandbauern

 

Heuernte im Wollbruch 1951 (1)

Die Flächen waren immer sehr feucht, doch die Überschwemmungen des Jahres 1951 führten zu katastrophalen Situationen.

Bildersammlung Wiehe

in: Chronik Warmsen 1996

Heuernte im Wollbruch 1951 (2)

Dennoch wurde hier Heu gewonnen, z.T. als Einstreu für die Ställe genutzt.

ebda.

Meliorationsarbeiten 1950-1970

Kultivierung der Moore und Ödlandflachen 1950er

Kultivierungsarbeiten im Emsland. Mit schweren, von Lokomobilen gezogenen Tiefpflügen wurden die Moore und Ödlandflächen des Emslandes seit den frühen 50er Jahren umgebrochen, um Neubauern anzusiedeln und die Ernährung der Bevölkerung zu sichern.

Es bleibt noch zu untersuchen, ob in unserem Raum zur gleichen Zeit ähnliche Bemühungen zu beobachten waren.

Aufn.: Emsland GmbH.

1960 Moormeliorationen – Handarbeit

entnommen Chronik Voigtei

 

Flussmeliorationsarbeiten im Hand- und Spanndienst

Ein Bild aus den 60er Jahren

entnommen Chronik Voigtei

 

Traditionen verabschieden sich

1967 Die letzten Milchfahrer

hier in Voigtei bei Steyerberg

entnommen F. Bomhoff, Voigtei Chronik 1989

 

wird fortgesetzt...

 

 

Der unaufhaltsame Abstieg

 

 

Allen Beteuerungen der Politiker zum Trotz kann man für die Landwirtschaft in Deutschland, ganz sicher aber diejenige in unserem Raum keine Zukunft prophezeien, allen Pläne, Beteuerungen, Perspektiven zum Trotz. Globalisierung, weltwirtschaftliche Verpflichtungen, Ausbau der Wirtschaftsräume nach Osten, alles dies und viele andere Kleinigkeiten mehr lassen erkennen, dass sich die gegenwärtigen Strukturen in eruptiven Phasen verändern und in Deutschland einen gewaltigen Wandel herbeiführen werden. Es bleibt nur zu hoffen, dass er sozialverträglich für die in der Landwirtschaft tätigen Menschen geschieht, denen eine über viele Generationen hinweg mit Arbeit, Mühen und Entbehrungen aufgebaute Welt wegbricht.

Perspektiven sind denkbar – wir können die Landschaft nicht einfach sich selbst überlassen, aber sie werden nicht konsequent genug durchdacht und eingeleitet.

So lesen sich die offiziellen Verlautbarungen eigentlich ganz „soft“, reichen sie wirklich aus, informieren sie tatsächlich die Betroffenen eindeutig genug?

 

 

Die Zukunft der Landwirtschaft

aus und nach den Kapiteln „Landwirtschaft / Betriebszweige“ und „Niedersächsische Agrarlandschaften“ von Seedorf/Meyer (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN. Band II. 1996.

 

Der Umwandlungsprozess

Der von Natur aus konservativste Wirtschaftszweig befindet sich also seit etwa 50 Jahren in einem Umwandlungsprozess sondergleichen. Seit 1950 haben drei Viertel der damals bestehenden landwirtschaftlichen Betriebe diese Erwerbsgrundlage aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben, und die Zahl der landwirtschaftlichen Beschäftigten ist auf 7 % des Wertes von 1949 abgesunken.

Die Anteile der in der Landwirtschaft Tätigen an der Gesamtbevölkerung schrumpfen ständig weiter. Im Landesdurchschnitt sind gegenwärtig weniger als 5 % aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt. 1939 waren es noch 36,6 %, 1950 30 %, 1960 20 % und 1970 etwa 10 %.

Als Gründe für die Abwanderung aus der Landwirtschaft sind zunächst die Einkommensunterschiede (Disparität) zwischen Landwirtschaft, gewerblicher Wirtschaft und dem Dienstleistungssektor zu nennen. Selbst nach der starken Abwanderung und trotz aller Stützungsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft lagen die Einkommensunterschiede zwischen landwirtschaftlicher Vollarbeitskraft und den anderen Erwerbstätigen 1980 noch bei 20.000 DM/ Jahr. D.h. das landwirtschaftliche Durchschnittseinkommen war um etwa die Hälfte geringer als in anderen Berufen. Und der durchschnittliche Stundenlohn eines Industriefacharbeiters war im Jahre 1992 im Durchschnitt um ein Drittel höher als der Lohn eines Facharbeiters in der Landwirtschaft.

Andererseits sind die Einkommensunterschiede in der Landwirtschaft zwischen Klein, Mittel und Großbetrieben sowie zwischen ertragsschwachen und ertragsstarken Betrieben sehr groß. Bei Vergleichen von ertragsschwachen mit ertragsstarken Betrieben werden Einkommensunterschiede je Familienarbeitskraft von 1:4 und je Betrieb sogar von 1:9 erreicht, so dass es schwer ist, die Gesamtsituation richtig darzustellen.

Die niedrigen Einkommen und Löhne sind eine Folge der niedrigen Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse, weil eine Überproduktion und Marktsättigung auf nahezu allen Gebieten herrscht.

Unter diesem Zwang sind

a) die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse gefallen bzw. auf niedrigem Niveau geblieben (Preise für Maschinen, Dünger, Futtermittel, Saatgut, Energie, Versicherungen und für andere betriebsnotwendige Mittel betragen aber z. T. mehr als das Doppelte der Ausgangslage),

b) die vielen überzähligen landwirtschaftlichen Arbeitskräfte abgewandert,

c) die große Zahl an landwirtschaftlichen Betrieben aufgegeben und

d) Flächen und Tiere aus der Produktion genommen worden, jedoch immer noch in unzureichendem Maße.

Für die gewaltigen Ertragssteigerungen je landwirtschaftlicher Vollarbeitskraft mag folgender Vergleich dienen: Konnte um die Jahrhundertwende ein Vollerwerbs-Landwirt nur 4 Personen ernähren, so waren es 1950 schon 10, 1970 bereits 33, 1990 70 und 1995 90 Personen, die nun nicht mehr für die Nahrungsmittelerzeugung nötig sind, sondern außerlandwirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen können; aber auch in Zeiten der Rezession den Arbeitsmarkt belasten.

Klein- und mittelbäuerlichen Betrieben, die in den Zeitaltern der Eigenversorgung gebildet wurden und die Lebensgrundlage der meisten Menschen waren, haben in einer freien Marktwirtschaft keine Überlebenschance mehr, es sei denn, sie entwickeln sich zu Spezialbetrieben, z.B. mit Gemüsebau in Großstadtnähe, mit ökologischem Anbau oder artgerechter Tierhaltung u.a.m.

Dennoch verbleibt für viele Landwirte keine Alternative zu ihrem Beruf: weil sie keine Ersatzberufe finden. So erfolgt der Schrumpfungsprozess zumeist zusammen mit den Generationswechseln auf den Höfen.

Zukunftsperspektiven der niedersächsischen Landwirtschaft

In jüngster Zeit werden von einer modernen Landwirtschaft immer mehr Leistungen abverlangt, die über die Erzeugung und Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln hinausgehen. Hier entstehen auch für die niedersächsischen Landwirte neue Aufgabenfelder und Zukunftsperspektiven:

1. werden sich die Landwirte von der hochsubventionierten Überschussproduktion zu einer stärker am Markt orientierten Produktion hochwertiger Qualitätserzeugnisse hinwenden müssen. Nur auf diesem Wege wird es gelingen, die wirtschaftlichen Erträge zu verbessern. Die niedersächsische Landwirtschaft bietet dafür aufgrund der naturräumlichen Vielfalt und ihrer marktwirtschaftlichen Stellung vergleichsweise günstige Voraussetzungen.

2. werden die Landwirte in Zukunft stärker zu umweltverträglichen Wirtschaftsweisen übergehen müssen (z.B. ökologischer Landbau). Nur durch geringere Bewirtschaftungsintensität wird es möglich sein, die schädlichen Stoffeinträge und Belastungen unserer Böden zu verringern.

3. werden die Land- (und Forst-)wirte zunehmend nachwachsende Rohstoffe anbauen (z.B. pflanzliche Schmieröle, Biodiesel, Holz für Wohnungsbau und Energiegewinnung, Faserstoffe, Stärke und Zellulose). Damit können sie einen wichtigen Beitrag zum Klima und Umweltschutz leisten, denn nachwachsende Rohstoffe sind unerschöpflich, sie werden als Produkt des natürlichen Stoffkreislaufes biologisch schnell und vollständig abgebaut, und sie können nur so viel CO, freisetzen, wie beim Wachstum gebunden wurde. Damit stabilisieren sie unser Klima und sie schädigen nicht dauerhaft Wasser und Böden.

4. werden Land und Forstwirten künftig auch landschaftspflegerische Aufgaben vermehrt übertragen. Angesichts des vorhandenen gesellschaftlichen Interesses an der Erhaltung und Pflege unserer Kulturlandschaft war die Nachfrage nach ökologischen und landschaftspflegerischen Leistungen der Landwirtschaft noch nie so günstig wie heute. Nur die wichtigsten dieser Leistungen mögen erwähnt sein: die Extensivierung der Landnutzung (Förderung der Umwandlung von Acker in Grünland), die Ackerrandstreifenprogramme, die Streuobstwiesenprogramme, die Anlage und Pflege von Hecken, Feldgehölzen und Wegesäumen, die Biotopvernetzung, die Schaffung und Erhaltung von "Trittsteinbiotopen" u.a.m..

Die Landwirtschaft kann diese Aufgaben jedoch nur erfüllen, wenn sie ökonomisch existieren kann. Dies zu gewährleisten, gehört zu den dringlichen wirtschaftspolitischen Aufgaben unserer Zeit.

 

 

Bioraffinerien statt Bioziegenkäse

Auszüge aus dem Artikel von Christian Schwägerl F.A.Z., 14.10.2006, Nr. 239

Pflanzenenergie gibt dem ländlichen Raum geopolitische Bedeutung

Das Ziel, statt mit importierten Erdölprodukten künftig mit heimischen Pflanzen Autos anzutreiben, Häuser zu heizen und Chemiegrundstoffe zu gewinnen, verfolgen die westlichen Regierungen derzeit auf vielen Wegen. Umweltpolitiker sehen die Bioenergie als Mittel an, um den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxyd zu verringern und einer Klimaveränderung entgegenzuwirken. Sicherheitsfachleute wie der frühere CIA-Chef Woolsey werben für Bioenergie als Mittel der Terrorismusbekämpfung, weil sie es erlaube, die amerikanische Militärpräsenz in islamischen Förderregionen zu verringern und den Geldfluss in die Heimatländer von Terroristen zu mindern.
[...] Längst handelt es sich nicht mehr nur um eine grüne Zukunftsvision. In Deutschland werden bereits zehn Prozent der Ackerfläche genutzt, um Raps und andere Pflanzen anzubauen, die als Biodiesel oder Bioethanol den Weg über die Tankstellen nehmen. An petrochemischen Standorten besonders in Ostdeutschland sind große Bioraffinerien entstanden, die Pflanzen in Treibstoffe verwandeln. Von 2007 an wird eine Beimischung von fünf Prozent Biotreibstoff zu Diesel und Benzin vorgeschrieben sein. In Amerika gehen reihenweise Bioraffinerien in Betrieb, und in Brasilien werden die meisten Neuwagen mit Bioethanol angetrieben.
Viel zuwenig wurde bisher aber der eigentliche Ort des Geschehens beachtet. Geht die Entwicklung so weiter, steht in Deutschland das Land, das Planer "ländlichen Raum" nennen, vor grundlegenden Veränderungen: Es bekommt seine frühere existentielle Bedeutung zurück und wird wieder zur geopolitischen Ressource.[...]  
 Mit dem Ruf nach Bioenergie wird es möglich, dem Land seine Bedeutung zurückzugeben und seine Bewohner davon zu befreien, auf subventionierte Einkommen angewiesen zu sein. Wenn die zu Energiewirten verwandelten Bauern für Mobilität, Heizwärme und Chemiegrundstoffe der Gesellschaft mitverantwortlich sind, wird nicht mehr nur von den städtischen Wissenschaftszentren, sondern auch von Bauernhöfen, Kleinkraftwerken und Bioraffinerien auf dem Lande eine Nachfrage nach Arbeitern und qualifizierten Fachkräften wie Bioingenieuren, Betriebswirten und Anlagentechnikern ausgehen. Es besteht die Aussicht auf eine wirtschaftliche Wiederbelebung des Lands.
Der Gesellschaft muss aber bewusst sein, wie sehr sich dabei die Landschaft verändern kann, weg von Nahrungserzeugung und Naherholung, hin zur harten Ressourcenextraktion. Eine Umstellung hat ihren Preis. Deutschland verbraucht jährlich rund 110 Millionen Tonnen Erdöl und Kohle in ähnlicher Größenordnung. Ein Zehntel der Ackerfläche reicht lediglich dazu aus, einige Prozent des Dieselverbrauchs zu sättigen.
Will man einen nennenswerten Anteil des Gesamtverbrauchs ersetzen, sind neue Kulturpflanzen, besonders ertragreiche Sorten und eine intensive Flächenbewirtschaftung nötig. [...] Im Norden und Osten Deutschlands werden sich bioindustrielle Energieerzeugungslandschaften erstrecken, deren nachhaltige Anlage eine wichtige Aufgabe ist. Dort bedecken wuchsfreudige Neulinge wie die Rutenhirse (Switchgras), züchterisch verbesserter Energiemais und schnellwüchsige Bäume weite Flächen. Hebt die Gentechnik die Ausbeute stärker als klassische Züchtungsmethoden, kommt sie zum Einsatz. Weil Energiepflanzen nicht auf dem Teller landen, werden sie an Erträgen gemessen, nicht an der Züchtungstechnik.
Für eine gentechnikfreie und auf Biolandbau und Ökotourismus ausgerichtete Landschaft stehen nicht mehr alle Flächen zur Verfügung, sondern nur noch einzelne Gebiete, etwa der Freistaat Bayern .... Eine solche Aufgabenteilung könnte auch den Streit über die Gentechnik auflösen, weil Ökobauern und Energiewirte gar nicht nebeneinander wirtschaften würden. Für eine Wildnis, deren Ausbreitung infolge demographischer Umbrüche als sicher galt, bleibt wenig Platz.
Verschärfen sich die globalen Krisen, steigt der bioindustrielle Flächenbedarf. Die bukolischen Visionen einer Landschaft, der die Ökobauern das Gepräge geben, die den Städtern Ziegenkäse und Lammbraten auftischen, lösen sich dann vielleicht vollends auf. Am Ende könnte paradoxerweise ausgerechnet die ertragssteigernde Wirkung der Pflanzengentechnik es erlauben, dass aus Not nicht auch die Biosphärenreservate in den Dienst der Energiewirtschaft geraten ....

 

 

Lexikon der Fachbegriffe

Hier werden in alphabetischer Reihenfolge Sachbegriffe der Texte zur Orientierung erläutert.

Anger

Heide mit etwas Grasbestand

 

Ar

Ein Ar umfasst 1.000 Quadratmeter.

 

Brand

“Der Brand ist eine fast ebene Fläche mit Anger und Heideboden. Er ist bei nasser Witterung oft überschwemmt und deshalb eine schlechte Weide. Im Innern ist er teils sandig, teils moorig.”

 

Hektar

Bezeichnung für eine Fläche von insgesamt 10.000 Quadratmeter.

 

Kuhweiden

Eine Weide, die zum Unterhalt einer Kuh erforderlich war. Als Umrechnungsschlüssel galt: ein Pferd brauchte 1 1/2 Kuhweiden, während zwölf Schafe, sechzehn Schweine oder zwanzig Gänse auf einer Kuhweide ausreichend Futter finden konnten.

 

Morgen

Unterschiedliche Größen im Verlaufe der Geschichte und Gegenden.

Heute versteht man darunter eine Fläche von 2.500 Quadratmetern. Vier Morgen ergeben einen Hektar.

 

 

 

Literaturverzeichnis

 

 

Örtliche Chroniken

 

Borstel: Geschichte des Kirchspiels Borstel, Hrsg. Heimatverein Borstel 1990

Darlaten: Willi Schildmeyer, Darlaten – ein Dorf wurde geschaffen. Vom menschenfeindlichen kargen Hochmoor zur fruchtbaren Kulturlandschaft, 1997.

Leese: 800 Jahre Gemeinde Leese 1983, Gemeinde Leese (Hrsg.), Schriftleitung Heinrich Munk, 1983

Voigtei: F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

 

 

Überregionale Beschreibungen

Gade, Heinrich Historisch-geographisch-statistische Beschreibung der Grafschaften Hoya und Diepholz, 2 Bände, Nienburg 1901.

Seedorf, Hans Heinrich und Meyer, Hans-Heinrich (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN. Natur und Kulturgeschichte eines Bundeslandes. Band II: Niedersachsen als Wirtschafts- und Kulturraum. 1996. Wachholtz-Verlag Neumünster.

 

 

 

Wird fortgesetzt...

 

 

 

 

zurückZurück

vorVor

vorDrucken

homeHome

   Raddestorf
19-03-03