Sozialgeschichte

Zusammenstellung

kirchner-raddestorf

Beginn: 11/02

 

 

Die soziale und rechtliche Entwicklung der menschlichen Gemeinschaft in unserem Raum steht im Mittelpunkt dieser Darstellungen.

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Vorbemerkung. 2

Bauern im Frühmittelalter. 2

Bauern im Hochmittelalter. 3

Reformation und Neuzeit 3

Die Lage der Bauern im 16. und 17. Jahrhundert 3

Die mittelalterlichen Bedingungen. 3

Arbeitstier Bauer zusammengesetzt aus Ackergeräten. 3

Über den Bauernstand (1520) 3

Naturalabgaben. 4

Veränderungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts 4

Der Dreißigjährige Krieg. 4

Das Leiden der ländlichen Bevölkerung. 4

Revolutionen in der Welt - und das Land im 18. Jh. 5

Das Dorf mit seinen Besitzklassen. 5

Vollhöfe. 5

Halb und Viertelhöfe. 5

Kötner 5

Brinksitzer 5

Einzelhöfe. 6

Aus alten Hofakten. 6

Agrarreform und Auswirkungen. 7

Preußische Edikte 1806. 7

Soziale Folgen der preußischen Agrarreform.. 7

Die Reform im „Hannöverschen“ 8

Ländliche Bevölkerung 1880. 8

Familie. 9

Jugend und Ausbildung. 9

Lebensweise und Arbeit 9

Bauer und Gesinde. 9

Bauer und Häusling. 10

Freizeit 10

„Höhen und Tiefen“ – die erste Hälfte des 20. Jh. 10

Imperiales Großmachtstreben und das Land. 10

Bauerntum in Warmsen 1910. 10

Ns-Zeit und deutsches Bauerntum. 11

Bäuerliche Rechtsstellung. 11

Frühmittelalterliche Beobachtungen. 11

Lehenspyramide. 11

Grundherr - Leibeigener 12

Mittelalterlicher Herrenhof 12

Rechtstellung zwischen 1000- 1500. 12

Die Ständelehre des Bischofs Burchard von Worms, 1008 – 1012. 12

Schematische Darstellung zur Rechtslage der Bauern. 12

Von der Reformation bis zu Beginn des 19. Jhs. 13

Entwicklung bis zur Bauernbefreiung. 13

Nach der Bauernbefreiung. 13

Klassifizierung nach Grundbesitz ca. 1850. 13

Begriffserläuterungen. 13

Literaturverzeichnis. 14

Örtliche Chroniken. 14

Überregionale Beschreibungen. 14

 

 

 

Vorbemerkung

 

 

„Die Einwohner sind durchweg von ziemlich starkem Knochenbau, erfreuen sich einer guten Gesundheit, leben einfach und mäßig und sind arbeitsam.“

Heinrich Gade, Historisch-geographisch-statistische Beschreibung der Grafschaften Hoya und Diepholz, Bd. 2 Nienburg 1901, S. 492.

 

„Als ursprünglich typische Wesenszüge und Eigenarten des Niedersachsen werden immer wieder genannt: eine feste Bindung an die Scholle, ausgeprägter Individualismus und Selbstbewusstsein bei geringer äußerer und innerer Bewegtheit, schwer beeinflussbares Festhalten an der einmal gefassten Meinung ("Sturheit"), ein starker Wille und eine schwer zu erschütternde Beharrlichkeit...Dazu kommen Schweigsamkeit und Abstand gegen Neues sowohl im Umgang mit fremden Menschen als auch im vertrauten Kreis. In der täglichen Arbeit herrschen Fleiß und Zuverlässigkeit vor. Eine vielgebrauchte Lebensweisheit lautet: "Stah fast, kiek wiet un röög di" ("Stehe fest, schau Dich um und sei tätig").

Und noch ein weiterer Wesenszug ist den Niedersachsen gemeinsam: der ... stillvergnügte und oft trockene Humor.“

Seedorf, Hans Heinrich und Meyer, Hans-Heinrich (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN. 1996

Es ist eine Binsenweisheit. dass Einflüsse des landschaftlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Umfeldes den Charakter, das äußere Erscheinungsbild und Verhalten der Menschen prägen. Landschaftlich waren die Bauern von Marsch, Geest, Moor und Börden durch die dauerhaften Kontakte zu ihrer Umwelt bestimmt, aber auch historische und konfessionelle Traditionsräume haben gewirkt. All dies schafft ein Charakterbild, das man als typisch einer Kulturregion zuordnen kann, wenn man auch feststellen muss, dass durch die erheblichen Zuwanderungen der Nachkriegszeit, vor allem aber durch die ausgleichenden und liberalisierenden Einflüsse der modernen Industrie- und Konsumgesellschaft sich Lebensstile und Eigenarten der Bevölkerung zumindest äußerlich wesentlich verändert haben.

 

 

 

 

 

Bauern im Frühmittelalter

 

 

 

z. Zt. nicht besetzt ...

 

 

 

Bauern im Hochmittelalter

 

 

 

z. Zt. nicht besetzt ...

 

 

 

 

Reformation und Neuzeit

 

 

 

Die Lage der Bauern im 16. und 17. Jahrhundert

 

 

Natürlich liegen zu dieser Zeit im regionalen Bereich genügend Quellen zur Sozialgeschichte vor. Der Erkenntnis halber halte ich es aber für legitim, Texte einzurücken, die die Gesamtlage der bäuerlichen Bevölkerung darstellen und die auch für unseren Raum gegolten haben dürften. Sie werden durch die vorhandenen örtlichen Quellen ergänzt.

 

Die mittelalterlichen Bedingungen

Die bäuerliche Bevölkerung stellt um 1500 in Deutschland etwa vier Fünftel der Gesamtbevölkerung.

Die sozialen und ökonomischen Bindungen, in denen die bäuerliche Bevölkerung lebte, werden durch die Begriffe Ständegesellschaft und Grundherrschaft beschrieben.

Nach der Ständelehre Gerhards vom Cambrais (1012-1051) gab es die Oratores (Klerus), die Bellatores (Adel) und die Laboratores (Bauern). Ihre Funktionen für die gesamte Gesellschaft bestanden darin, dass der erste Stand für das Seelenheil betete, der zweite Stand vor Feinden schützte, und der dritte Stand durch seine Arbeit die Lebensgrundlage für alle sicherte.

Innerhalb dieser drei großen sozialen Gruppen gab es mannigfaltige Differenzierungen durch politische Veränderungen (Kriege, Eroberungen etc.) und wirtschaftliche Entwicklungen (Rodung, Erbteilung, Städtegründung, Aufkommen der Geldwirtschaft etc.), das Grundschema jedoch blieb über Jahrhunderte hinweg stabil.

Über den sozialen Status der Menschen, ihre Lebensentwürfe und -chancen entschied also der Ort im Gefüge von Funktionen und Pflichten, in den der einzelne durch seine Geburt gestellt war (geburtsständisches Prinzip). In diesem auf Beharrung angelegten System war soziale Mobilität nicht oder kaum vorgesehen, die Möglichkeit des einzelnen zur Überwindung von Standesschranken war sehr gering.

Bestimmend für das Leben der meisten Bauern und ihrer Familien war darüber hinaus die Abhängigkeit von der Grundherrschaft.

Die Grundherrschaft war ein Teilbereich adliger, kirchlicher und königlicher (später auch städtischer) Herrschaft. Dieses Herrschaftsverhältnis verlieh dem innerhalb seiner Grundherrschaft wirtschaftliche und soziale Privilegien genießenden Grundherren über die von ihm abhängigen Menschen eine Reihe von Rechten bis hin zur niederen Gerichtsbarkeit. Dafür dass die von ihm abhängigen Bauern die landwirtschaftlichen Nutzflächen innerhalb der Grundherrschaft bewirtschaften durften, waren sie zu Natural- und Geldleistungen, zu Spann und Frondiensten sowie zu Erbschaftsabgaben an den Fronhof verpflichtet.

Das Maß der Abhängigkeit und die Art der Rechte waren aber sehr unterschiedlich. (vgl. unten Rechtsstellung) Nicht nur konnten beispielsweise in den Rodungs- und Neusiedlungsgebieten meist größere Ackerflächen bestellt werden, auch herrschten hier in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht für die Bauern günstigere Verhältnisse.

Wesentlich ungünstiger war hingegen die ökonomische Situation der Bauern in Realteilungsgebieten, wo im Rahmen des Erbrechtes die Besitztümer der Erben verkleinert wurden. In allen diesen Systemen waren die unfreien Bauern zu Abgaben und Fronen, Naturallieferungen und Arbeitsverpflichtung in sehr unterschiedlicher Form und Höhe verpflichtet.

Um 1500 gab es nur eine kleine Gruppe freier Bauern (weniger als zehn Prozent), und die Zahl der Leibeigenen – die Leibeigenschaft war insbesondere in Südwestdeutschland verbreitet – war ebenfalls sehr gering. Diese Leibeigenen standen auf der untersten Stufe der Ständeordnung, waren persönlich von ihrem "Leibherren" abhängig und zusätzlichen Beschränkungen vor allem rechtlicher Art unterworfen: Sie galten als vermögensunfähig und konnten vom "Leibherren" in ihrer Freizügigkeit ebenso beschnitten werden wie in der Wahl ihres Ehepartners.

 

Arbeitstier Bauer zusammengesetzt aus Ackergeräten

Holzschnitt von Meister MW. Abgebildet in: Joachim Kettel/Paul Wietzoreck (Hg.): Der deutsche Bauernkrieg 15241526. Klett Stuttgart 1984. S. 14.

 

Über den Bauernstand (1520)

“Der letzte Stand ist derer, die auf dem Lande in Dörfern und Gehöften wohnen und dasselbe bebauen und deshalb Landleute genannt werden. Ihre Lage ist ziemlich bedauernswert und hart. Sie wohnen abgesondert voneinander, demütig mit ihren Angehörigen und ihrem Viehstand. Hütten aus Lehm und Holz, wenig über die Erde emporragend und mit Stroh gedeckt sind ihre Häuser. Geringes Brot, Haferbrei oder gekochtes Gemüse ist ihre Speise, Wasser und Molken ihr Getränk. Ein leinerner Rock, ein paar Stiefel, ein brauner Hut ist ihre Kleidung. Das Volk ist jederzeit ohne Ruhe, arbeitsam, unsauber. In die nahen Städte bringt es zum Verkaufe, was es vom Acker, vom Vieh gewinnt, und kauft sich wiederum hier ein, was es bedarf; denn Handwerker wohnen keine oder nur wenige unter ihnen. In der Kirche, von denen eine für die einzelnen Gehöfte gewöhnlich vorhanden ist, kommen sie an Festtagen vormittags alle zusammen und hören von ihrem Priester Gottes Wort und die Messe, nachmittags verhandeln sie unter der Linde oder an einem anderen öffentlichen Orte ihre Angelegenheiten, die Jüngeren tanzen darauf nach der Musik des Pfeifers, die Alten gehen in die Schenke und trinken Wein.

Ohne Waffen geht kein Mann aus: sie sind für alle Fälle mit dem Schwerte umgürtet. Die einzelnen Dörfer wählen aus sich zwei oder vier Männer, die sie Bauermeister nennen, das sind die Vermittler bei Streitigkeiten und Verträgen und die Rechnungsführer der Gemeinde. Die Verwaltung aber haben nicht sie, sondern die Herren oder die Schulzen, die von jenen bestellt werden. Den Herren frohnen sie oftmals im Jahre, bauen das Feld, besäen es, ernten die Früchte, bringen sie in die Scheunen, hauen Holz, bauen Häuser, graben Gräben. Es gibt  nichts, was dieses sklavische und elende Volk ihnen nicht schuldig sein soll, nichts, was es, sobald es befohlen wird, ohne Gefahr zu tun verweigert: der Schuldige wird streng bestraft.

Aber am härtesten ist es für die Leute, dass der größte Teil der Güter, die sie besitzen, nicht ihnen, sondern den Herren gehört, und dass sie sich durch einen bestimmten Teil der Ernte jedes Jahr von ihnen loskaufen müssen.”.

Johannes Boemus in: Günther Franz (Hg.): Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes in der Neuzeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt 1963. S. 3.

 

 

Naturalabgaben

 

 

Holzschnitt von 1497.

Die Last der vielfältigen Dienste und Abgaben, die an von den Grundherren festgelegten Terminen zu leisten waren, wurde von den Betroffenen als drückend empfunden, weshalb es erfolgreiche Bestrebungen gab, sie durch Geldzahlungen auf Zeit oder endgültig abzulösen.

Veränderungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts

Die Grundherrschaft wurde in der Folge weitgehend zur Rentenwirtschaft. Dies verschaffte den Bauern und auch den Herren größere ökonomische Freiheiten, weil die einen ihre Produkte auf dem Markt zu marktüblichen Preisen verkaufen und die anderen die Geldrente gewinnbringend investieren konnten.

In Zeiten der Geldentwertung versuchten die Herren jedoch, die bäuerlichen Abgaben zu steigern.

Dies war offensichtlich im Laufe des 15. Jahrhunderts der Fall, denn die Klagen der Bauern wegen erhöhter Abgaben und Beschränkungen im Gemeinbrauch der Allmenden (Jagd, Fischfang und Holzgewinnung) mehrten sich.

In diesem Kontext sind auch die Unruhen vor dem großen Bauernkrieg zu sehen. Erschwerend kamen um 1500 wohl die erhöhten Steuern von Reich und Land hinzu.

Nicht zu unterschätzen ist auch der soziale Druck, der von einem beschleunigten Bevölkerungswachstum ausging, das in manchen Gegenden – Sachsen, Thüringen, Franken und Schwaben – zur Bildung einer unterbäuerlichen Schicht (Tagelöhner, Häusler) führte.

Im Unterschied zum frühen Mittelalter bewirtschafteten um 1500 immer weniger Grundherren einen eigenen Fronhof (mit Ausnahme der zu jener Zeit entstehenden Gutsherrschaften im Osten des Reiches), so dass sich im Zusammenhang mit der Vergrößerung der ländlichen Siedlungen Dorfgenossenschaften bildeten.

Diese regelten z. B. die Reihenfolge der Feldbestellung im Rahmen der Dreifelderwirtschaft, die Nutzung der Allmende sowie die Rechtsfälle, "die sich innerhalb des Dorfzaunes zugetragen hatten“.‘ Dabei waren die Dorfgenossenschaften je nach Entwicklungsmöglichkeit der Grundherren in diesen Regelungen mehr oder weniger frei. Die Regelungen wurden schriftlich fixiert.

 

 

Der Dreißigjährige Krieg

 

Das 17. Jahrhundert war für Mitteleuropa eine unglückselige Zeit. Die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges, als sich die Söldnerheere halb Europas hier herumtrieben, sollte vor allem die deutschen Lande treffen und noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein schwächen. Die lange Kriegsdauer sowie der Grundsatz, dass der Krieg den Krieg zu ernähren habe, brachten unvorstellbares Leid über die Menschen. Zu dem wirtschaftlichen Schaden kam die moralische Verwüstung, kamen Mutlosigkeit und Resignation. Auch zerriss der Friedensschluss von 1648 die Mitte Europas endgültig in unzählige Klein- und Kleinststaaten unterschiedlicher Konfession – ideale Bedingungen für Rückständigkeit und Provinzialismus.

 

 

Das Leiden der ländlichen Bevölkerung

 

 

Verfasser nicht bekannt, Abdruck in der FAZ 2001

 

 

 

 

Revolutionen in der Welt - und das Land im 18. Jh.

 

 

 

Das Dorf mit seinen Besitzklassen

nach Seedorf, Hans Heinrich und Meyer, Hans-Heinrich (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN (II)

Das Dorf mit den Häusern, Hofplätzen und dorfnahen Feldgärten (Kohlhöfen) sowie mit den angrenzenden Wiesen und Weiden (Gras oder Wischhöfen) bildete den Wirtschaftskern einer Gemeinde. Diese Flächen gehörten den Einzelbesitzern und wurden von ihnen privat genutzt. Im Gemeindeeigentum waren lediglich Wege, Viehtriften und die Dorfplätze (Thie, Brink).

Vollhöfe

Bis zur Mitte des 18.Jahrhunderts hatten sich die Dörfer in Abhängigkeit von der Größe und Güte des ackerfähigen Bodens, aber auch in Abhängigkeit von den außerlandwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten erweitert und verdichtet. Die günstigste Position im Dorf nahmen immer noch die Althöfe ein, die auch Urhöfe, Stammhöfe, Vollhöfe oder Vollerben genannt werden. Sie reihten sich in der Regel im gebotenen Abstand auf trockenem Baugrund zwischen dem etwas höher gelegenen Ackerland und dem Grünland der Niederung auf (vgl. S.105).

Halb und Viertelhöfe

Diese bevorzugte Wohn und Wirtschaftslage wurde auch von den durch frühe Hofteilungen entstandenen Halbhöfen (Halbmeierstellen u. a.) oder bei nochmaliger Teilung von den Viertelhöfen (Viertelmeierstellen) eingenommen. Ihre Hofplätze waren kleiner als die der Halbhöfe, und sie hatten schon häufig keinen Anteil mehr an den hofnahen Grashöfen, sondern ihre Wischhöfe lagen zumeist etwas abseits der Hofstelle in der Talaue oder in einer benachbarten Niederung.

Kötner

Weil die Bevölkerungszunahme schon seit dem hohen Mittelalter stärker gewesen war als die Rodungstätigkeit, hatten nur noch kleine Hofstellen, Kötnerstellen genannt, entstehen können, deren Bewohner ihren Lebensunterhalt jedoch noch ganz aus der Landwirtschaft bestreiten konnten; denn inzwischen brachten neue Feldbaumethoden (Dreifelderwirtschaft, Plaggendüngung u. a.) weit höhere Erträge als in den vorhergehenden Zeiten. Diese kleineren Betriebe wurden von Erbköttern, auch Pflugkötner oder Großkötner genannt, bewirtschaftet, die teilweise vom alten Hofland ein Stück Land zum Hausbau bekommen hatten oder die häufiger noch am Dorfrande angesetzt worden waren, so dass damit im Dorf eine doppelte Siedlungsreihe entstanden war.

Markkötter

Im ausgehenden Mittelalter und der beginnenden Neuzeit (um 1600), als schon durch die Landesherrschaft ein Hofteilungsverbot ausgesprochen war und die Feldgemeinschaft sowie die Markgenossenschaft feste Formen angenommen hatten, waren von den vollberechtigten Mitgliedern der Dorfgemeinschaff, den Reihe (Riege) -leuten, insbesondere im westniedersächsischen Gebiet, auch Flächen in der Gemeinheit (Mark) für weichende Erben ausgewiesen worden. Als sog. Markkötter (Kleinkötner, in Ostfriesland: Warfsleute) bauten sie dort ihr Haus und kultivierten das zugewiesene Land. Hatten sie ihren Besitz im Laufe der Zeit ausdehnen können, dann sprach man auch von Kampbauern.

Brinksitzer

Eine noch jüngere, jedoch in den Anfängen auch schon in das Mittelalter zurückreichende Schicht im Dorf waren die Brinksitzer. Sie hatten ihre Häuser etwas abseits auf dem Bauernbrink oder an anderer Stelle am Dorf bzw. Eschrand errichtet. Brinksitzer, die Handwerker waren, hatten sich wegen der günstigeren Geschäftslage bevorzugt in der Nähe der Kirche niedergelassen; denn die Zeit vor und nach dem sonntäglichen Kirchgang war die wichtigste Geschäftszeit überhaupt. Die Brinksitzer besaßen außer einem kleinen Grundstück am Hause oder auf gemeindeeigenem Gelände anfangs kein Ackerland.

Manche hatten jedoch durch ihr Handwerk oder andere Tätigkeiten bis zum 18. Jahrhundert Ackerstücke erwerben können und waren damit der Flächengröße nach z. T. besser ausgestattet als viele Kötner.

Heuerlinge

Schließlich gab es im Dorf noch die Gruppe der Häuslinge oder Heuerlinge. Seit dem frühen 16. Jahrhundert, als keine neuen Hof und Kötnerstellen mehr ausgewiesen werden durften, war einem nichterbberechtigten Sohn zumeist nur die Wahl geblieben, entweder unverheiratet auf dem elterlichen Hof zu bleiben, Soldat zu werden bzw. abzuwandern oder aber mit seiner Frau ein Nebengebäude (Backhaus, Scheune, Stallgebäude) auf dem elterlichen Hof zu beziehen und dort gegen Lohn und Deputat tätig zu sein, wobei es ihm gestattet wurde sein Vieh zusammen mit dem des Bauern in die Gemeinheit einzutreiben.

Einzelhöfe

Abseits des Dorfes gab es zumeist noch die schon genannten Einzelhöfe. Häufig waren das Wassermühlen, Kloster und Adelsgüter sowie Vorwerke, bei denen es sich nicht selten um Reste ehemaliger Dörfer (Wüstungen) handelte. Es gab aber in den Geest und Moorgebieten auch die Anbauer, denen der Staat in der Gemeinheit eine Stelle zugewiesen hatte.

 

 

 

Aus alten Hofakten

entnommen F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

Einen Einblick in die bäuerlichen Verhältnisse des ausgehenden 18. Jahrhunderts vermitteln uns die Akten, die bei einer Stellenübergabe angelegt wurden. Dann mussten nämlich die “weichenden Erben” abgefunden werden. Dazu wurde der Wert des “Allodiums” (= das persönliche Eigentum des Bauern) taxiert, das zu gleichen Teilen unter den Kindern verteilt wurde. Das Land und die Hälfte des Wertes der Gebäude gehörten dem Grundherren. Der neue Stellenwirt hatte einen schweren Anfang, wenn er viele Geschwister abfinden musste. Deshalb war er bemüht, eine Braut mit einem reichen “Brautschatz” heimzuführen.

Einige der in den Hoflisten aufgeführten Gebäude stammten noch aus der Zeit des 30jährigen Krieges. Es handelte sich dabei um Fachwerkgebäude, deren Fächer mit reisigumwickelten “Wellerstaken” und weißgekalktem Lehmbewurf ausgefüllt waren. Schwere Eichenständer trugen die strohgedeckten Dächer, die weit herunterreichten. Eine große Lehmdiele nahm den Mittelteil des Hauses ein. Sie war Arbeitsplatz und Aufenthaltsraum. Auf ihr wurden die Erntewagen entladen, deren Fracht  Heu und Garben  dann durch eine Luke auf den Boden befördert wurde. Zu beiden Seiten der Diele befanden sich die Ställe für Pferde und Kühe. Für die geringe Zahl der Schweine war ein Koben außerhalb des Hauses errichtet. Im rückwärtigen Teil des Hauses brannte ein offenes Feuer, dessen Rauch durch die große Dielentür und das “Uhlenlock” abzog. Der Wohnraum für die meist großen Familien und die Bediensteten war klein und nur spärlich möbliert. Es gab keine Luxusgüter.

Ein Zaun grenzte den großen Hofraum, auf dem ein Eichenbestand gehegt wurde, vom offenen Feldland ab. Darauf standen mehrere Nebengebäude: Zwei bis drei Scheunen, Ställe für Schweine, Gänse und Torf, ein großer Schafstall, ein Speicher und oft auch ein Immenschauer. Der Speicher war ein zweigeschossiges Gebäude, das zur Unterbringung von Geräten diente, die nur zeitweilig gebraucht wurden, wie Spinnrad, Haspel, Webstuhl, Imkergerät und Schafscheren, sowie Handwerkszeug und verschiedene Arten von Forken, Hacken, Spaten usw. Unentbehrlich waren der Ziehbrunnen und das Backhaus, das wegen einer möglichen Feuergefahr etwas vom Wohnhaus entfernt stand. Vor dem großen Backofen, der nur in größeren Zeitabständen – alle vier bis sechs Wochen – geheizt wurde, war ein überdachter Arbeitsraum, der Backtrog und Knetetisch enthielt.

Die Halbmeyerhöfe waren nicht gleich groß, obwohl sie die gleichen Lasten zu tragen hatten. Zu ihnen gehörten im Durchschnitt 150 Morgen Land, wobei das Feldland die Wiesen etwas übertraf. Die beiden von Münchhausenschen Höfe Oldenburg und Hasselbusch hatten etwa 200 Morgen, doch überwog dabei der Anteil des Grünlandes. Bei dem angegebenen Wort “Morgen” ist zu bedenken, dass die Flächen nicht exakt ausgemessen, sondern nur abgeschritten waren und dass die “Morgen” heutiger Zeit etwas kleiner sind. Die aus den Teilungsakten entnommenen Flurnamen geben Auskunft über die einstige Beschaffenheit der zur Gemeinde Voigtei gehörenden Ländereien: im Brand (durch Feuer kultivierter Wald), Doppheide, Werder (häufig überflutete Inseln im Fluß), Schildhorst, Fahrenhorst (Horst = mit Bäumen bewachsener Hügel im Moor), im Fladder (Bruch) in den Placken (Torfstich), Bleeksmoor und andere Moore. Dass Viehhaltung vorherrschend war, geht aus folgenden Namen hervor: Kuhbrook, Allerbrook, Sulinger Brook, Bruchwiesen, Bollerwiese, Schafstallwiesen, Kampwiese, Horstwiese, Bullenwiese, Herrenhofwiese, Mühlenwiese. Die als letzte genannte Flur verdankt ihre Bezeichnung den Steyerberger Sensenschmieden, die an der wasserreichen Siede zeitweise eine Reckmühle betrieben, in der sie glühende Eisenstäbe zu Sensen formten. [...]

Die Taxatoren machten auch Vorschläge zur Verbesserung der Gebäude. Alte, reparaturbedürftige Gebäude wurden nicht zu Gunsten des Stellenwirtes taxiert.

Die folgenden Zahlen der Tierhaltung sind Durchschnittszahlen, errechnet aus den Taxationen der Höfe in Wehrenberg und Stelle, die während der Jahre 1773  1793 geschätzt wurden. Danach hatte ein Hof einen Viehbestand von 3 Pferden, 4 Fohlen, 7 Milchkühen, 13 Rindern, 9 Kälbern, 1 Schwein, 4 Ferkel, 66 Schafen, 30 Lämmern, 12 Gänsen, 40 Hühnern und 11 Bienenvölkern. Die Höfe Oldenburg und Hasselbusch hatten infolge ihres größeren Wiesenanteils mehr Vieh. Jeder dieser Höfe trieb etwa 200 Schafe aus.

Die Akten geben Auskunft über den Anbau der Feld und Gartenfrüchte. Es werden genannt: Roggen, Hafer, Gerste, Buchweizen, “Ertüfflen” (= Kartoffeln), Flachs, Wurzeln, Brauner Kohl, Bohnen und Rüben. Die am meisten angebaute Frucht war der Roggen, der hauptsächlich der menschlichen Ernährung diente. Von den 240 Talern, die der Durchschnittswert einer Ernte betrug, entfielen auf den des Roggens 150 Taler. Zum Vergleich seien die taxierten Durchschnittswerte für den Gebäudeanteil (die Hälfte war, wie schon gesagt, herrschaftlich) mit 360 rthl. und für den Viehstapel mit 336 rthl. angeführt. Diese Zahlen sollen durch die den Hoflisten entnommenen Viehpreise am Ende des 18. Jahrhunderts verdeutlicht werden. Es sei aber zuvor darauf aufmerksam gemacht, dass die Tiere dieser Zeit sich nach Größe, Gewicht und Leistung deutlich unterschieden von den gegenwärtig hochgezüchteten und dass für den Bauem der Vergangenheit ein Pferd oder eine Milchkuh einen höheren Wert darstellten als für den der Gegenwart mit seinem großen Viehbestand.

1 Pferd:     20 – 25 rthl.,

1 Fohlen:   7 – 10 rthl.,

1 Milchkuh:        10 rthl.,

1 Schwein: 4 rthl.,

1 Bienenkorb mit Immen: 1 rthl

1 Schaf:     3/4 rthl.

Für 1 Reichstaler bekam man zwei Lämmer oder fünf Gänse oder 18 Hühner.

Die Arbeit des Bauern wiederholte sich im Wandel der Jahreszeiten Jahr für Jahr in gleicher Weise. Sie war schwer und zeitraubend. Seine Ackergeräte waren zwei Ackerwagen, zwei Pflüge und sechs bis acht hölzerne oder eiserne Eggen sowie Forken, Harken und Hacken verschiedener Art. Unentbehrlich waren Sensen und Dreschflegel. Torfspaten, Torfmesser und Schiebkarre dienten der Brennmaterialbeschaffung im feuchten Moor. Auf der Diele standen eine Schneidelade mit dem dazugehörenden Futtermesser, ein Stoßeimer mit dem Stoßeisen, das der Zerkleinerung von Rüben und Kartoffeln diente und eine Häckselkiste. Häcksel  gehacktes Stroh wurde mit Hafer gemischt den Pferden vorgeworfen, wenn die Haferernte nicht ausreichend gewesen war. Viele Tiere merkten aber den Betrug; sie verstanden, durch Schnauben die leichten Strohteile wegzupusten.

Dass der Bauer auch sein eigener Handwerker war, zeigt seine Ausstattung mit Äxten und Beilen, Sägen und Bohrern, Hämmern und Zangen, mit Hobelbank, Schleifstein und Zugmesser. Er musste imstande sein, sein Haus und seine Geräte selbst zu reparieren. Die Wege zu den nächsten Handwerkern waren weit und ihre Hilfe kostete Geld.

Der Tag der Bäuerin war voll ausgefüllt. Sie half mit auf dem Felde und im Stall und hatte dem Haushalt vorzustehen. Über dem offenen Herdfeuer hing der Kesselhaken, an dem Kochtopf die richtige Höhe über den Flammen gegeben werden konnte. Auf der Herdkante standen Kupfer und Messingkessel, Pfannen und eine Röste mit dem dazugehörenden Dreibein. Daneben lagen ein Feuerpuster zum Anfachen des Feuers, ein Feuerhaken und der Feuerstülper, mit dem die schwelende Glut, die die Nacht über anhalten sollte, vor Katzen gesichert wurde. Es war nämlich schon vorgekommen, dass diese wärmeliebenden Tiere sich in der noch warmen Asche das Fell versengt und bei der Flucht auf den mit Heu und Stroh gefüllten Boden einen Brand verursacht hatten.

Zur Küchenausstattung gehörten ein Milchschapp mit Milchsetten, Butterfaß, Brotschapp, Brotkiste, Salzfaß, Honigtopf und mehrere Eimer, Tubben, Schalen und Mollen. Die irdenen Teller standen im Tellerbört, die hölzernen Löffel hatten ihren Platz in einem mit Löchern durchbohrten Holzbrett neben dem Tellerbört. Nicht vergessen in dieser Aufzählung seien der Krüsel (= die Öllampe) und der Feuereimer, der zur Brandbekämpfung immer bereit stehen musste.

Die Wohnräume im rückwärtigen Teil waren karg möbliert: Kleiderschrank, Koffer (Truhe), mehrschläfrige Betten, Tische und Stühle mit geflochtenen Sitzen. Für die alten gab es einen “Fußsedel” und für die ganz Jungen eine Wiege, die oft gebraucht wurde. Die Durchschnittszahl der Geburten lag zu Anfang des 19. Jahrhunderts auf den Einzelhöfen in Voigtei zwischen sieben und acht. Die Höchstzahl war dreizehn. Es muss hinzugefügt werden, dass die Kindersterblichkeit groß war; kränkliche Kinder überlebten nicht.

Die Hausfrau war auch für die Beschaffung der Kleidung zuständig. Der Feierabend während der ruhigen Jahreszeit war nicht ohne Tätigkeit. Dann surrten die Spinnräder und klapperten die Webstühle. In der Liste der Gebrauchsgegenstände werden aufgeführt: Flachsbraken zum Brechen der holzigen Stengel, Hecheln für das Auskämmen der feinen Fasern, “Wullkratzer” zum Glätten der Schafwolle, Spulräder mit Winde und Spulen, Haspeln zum Messen des gewebten Garns, Webstühle und Bükefässer, in denen das gewebte Leinen mit Pottasche und grüner Seife gereinigt wurde. Es war der Stolz der Bäuerin und der ihrer Mägde, einen gehörigen Vorrat an Bettlaken, Bettbühren, Kissenbühren, Tischlaken und Handtüchern zu haben. Ein junges Mädchen brachte bei seiner Heirat immer selbstgewebte Drell und Leinentücher mit in die Ehe. An den Fleiß der Vorfahren erinnem noch die auf manchen Höfen aufbewahrten Leinenvorräte.

Zu der Beschreibung der bäuerlichen Verhältnisse gehört auch die der auf den Höfen lebenden Menschen. Dazu bildet die Urliste der Einwohner der Bauernschaft Voigtei von 1855 eine gute Quelle. Man kann davon ausgehen, dass die Veränderungen, die durch Ablösungen, Teilungen und Verkoppelungen entstanden waren, noch keine Veränderung der Arbeitswelt verursacht hatten. In diesem Jahre lebten in Voigtei 191 Menschen, davon 150 auf den zwölf alten Höfen. Nur 62 Personen waren Familienangehörige, davon 21 jünger als vierzehn Jahre. Die Bauern waren auf dienendes Personal angewiesen. Die Urliste nennt die Namen von 29 Knechten, 30 Mägden, 15 Hirten und 14 Tagelöhnern. Knechte und Mägde waren durchweg sehr jung, 15  22 Jahre alt. Unter den Hirten und Hirtinnen befanden sich Fünfzehnjährige. Die Dienstboten stammten, wie ihre Namen verraten, von außerhalb. Die Tagelöhner standen in keinem festen Arbeitsverhältnis. Sie lebten als Unverheiratete auf einem der Höfe und hatten kein gesichertes Einkommen. Auf zwei Höfen wohnten Häuslingsfamilien mit vier Kindern, die wohl zu dem Dienstpersonal hinzugezählt werden können. Außergewöhnlich waren in dieser Zeit die Verhältnisse auf dem Hof Oldenburg, der von der verwitweten Bäuerin und einem Sohn verwaltet wurde.

Sie waren auf fremde Hilfe angewiesen und beschäftigten vier Knechte, sechs Mägde, einen Hirten und eine Hirtin. Außerdem gaben sie sieben Tagelöhnern Unterkunft. [...]

 

 

 

Agrarreform und Auswirkungen

 

 

Preußische Edikte 1806

 

Soziale Folgen der preußischen Agrarreform

[....] Unübersehbar waren die Auswirkungen der Agrarreformen auf die soziale Ordnung in den Dörfern. Die Umverteilung des Bodens wirbelte bestehende Strukturen durcheinander. Der Umfang der Regulierungen war immens. In einer Denkschrift aus dem Jahr 1859 wurde eine erste vorläufige Bilanz gezogen: Danach waren bis Ende des Jahres 1858 rund 82.000 Stellen in bäuerliches Eigentum übergeben worden. An Entschädigung wurden rund zweiunddreißig Millionen Taler Kapital gezahlt und 1,6 Millionen Morgen Land abgetreten. Durch Landabtretungen, Geldzahlungen und Renten wurden mehr als zwanzig Millionen Hand- und annähernd sieben Millionen Spanndiensttage abgelöst.

Gewinner in diesem Prozess waren die Gutsbesitzer, die allein durch Landabtretungen der Bauern im Zuge der Regulierungsverfahren rund 400.000 Hektar Land hinzugewannen. Im Gegensatz zu England gelang es in Preußen allerdings, Groß-, Mittel- und Kleinbauern zu erhalten, wenngleich auf den kleinen Höfen Tausende - manche schätzen gar hunderttausend - Bauern ihr Land entschädigungslos an die Gutsherren verloren, da sie weder ein Eigentumsrecht an dem Hof hatten noch über entsprechende Entschädigungsflächen verfügten. Diese besitzrechtliche Umverteilung ging einher mit einer sozialen Erosion in den verschiedenen Sozialgruppen. Gutsbesitzer wurden mehr und mehr zu landwirtschaftlichen Unternehmern, "aus einem durch Geburt konstituierten Stand" wurde eine "durch Besitz konstituierte Klasse" (Thomas Nipperdey). Außerdem ermöglichten es die Regelungen im Oktoberedikt, dass immer mehr kapitalkräftige Bürger adlige Güter erwerben konnten.

Auch die bäuerliche Welt geriet durcheinander. Bis zu den Agrarreformen hatte durch das gemeinsame Bewirtschaften der Fluren, durch den fehlenden ökonomischen Anreiz zum selbständigen, auf Gewinn orientierten Arbeiten und durch die alles überwölbende gemeinsame Erfahrung der Abhängigkeit von den Gutsherren noch Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen bäuerlichen Gruppen bestanden. Durch die Agrarreformen wurden nun Schichtungsprozesse innerhalb der Bauernschaft beschleunigt. Es bildete sich in den Dörfern eine Schicht von Groß- und Mittelbauern heraus, die sich einen gewissen Wohlstand erwarben und nach außen demonstrierten.

 Wie die Gutsbesitzer mussten auch die Bauern lernen, sich den neuen Wirtschaftsbedingungen anzupassen. ....

Diese Gruppe der Tagelöhner, Lohnarbeiter und Gesindemitglieder nahm im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts ständig zu. Dies geschah allerdings nicht infolge des sozialen Abstiegs der Kleinbauern. Die landlose Bevölkerung hatte schon vor den Reformen die Mehrheit der ländlichen Gesellschaft ausgemacht. Ihr Wachstum beruhte vor allem darauf, dass sich frühere Heiratsbeschränkungen lockerten. Innerhalb dieser breiten unterbäuerlichen Schicht kam dem Gesinde eine Sonderrolle zu. Es war jene Gruppe, an der selbst ein Hauch von Reform vorübergegangen war. Für sie wurde 1810 eine Gesindeordnung erlassen, die von einem Aufbruch, wie er aus dem Oktoberedikt von 1807 gesprochen hatte, nichts spüren ließ.

Bei aller ansonsten vorherrschenden Dynamik entfaltete sich auf der Ebene von Macht und Herrschaft der defensive Charakter einer "Revolution von oben". Auch nach 1807 hatten die Gutsbesitzer nicht nur die ökonomische Macht, sondern das politische Sagen. Wie selbstverständlich wurden alte Vorrechte wie das Jagdrecht wahrgenommen, das ohne Rücksicht auf die neuen Besitzverhältnisse überall ausgeübt werden konnte. Oft vereinten Gutsbesitzer in ihrer Person die Amtsstellung des Landrats, sie entschieden in letzter Instanz darüber, wer in einem Dorf als Pfarrer oder Lehrer angestellt wurde. Am Vorabend der Revolution von 1848 war man von der Verlautbarung im Oktoberedikt, der König kenne vom Martinitag 1810 an nur noch "freie Leute", weit entfernt. Eine Revolution nach französischem Muster war zumindest bis 1848 ausgeblieben.

Genau das hatten die Reformer sich als Ziel gesetzt. ....Die Agrarreformen hatten nicht nur maßgeblich zur Veränderung der Agrikultur, der Landschaft und der ländlichen Gesellschaft, zur Produktionssteigerung und damit zur besseren Versorgung der wachsenden Bevölkerung, sondern gleichzeitig zur Stabilisierung des gesamten preußischen politischen Systems beigetragen. [....]

Auszüge aus einem Artikel von Jürgen Schmidt Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.10.2001, Nr. 250

 

Die Reform im „Hannöverschen“

Die Agrarreform geschieht in unserem Raum etwa 30 Jahre später durch die Ablösungsverordnung des Jahres 1833. Sie ermöglichte, dass alle grundherrlichen Verhältnisse, die Frondienste, die Zins und Zehntzahlungen, die Dienstgelder und die Abgaben an Korn und Vieh durch eine einmalige Zahlung an den Grundherrn abgelöst wurden.

Die Bauern gingen gleichwohl nur sehr zögernd auf die damit verbundenen Angebote, Landerwerb und Gemeinheitsteilung waren mit weitaus größerer Eigenverantwortung und z.T. hohen finanziellen Risiken verbunden.

Für diese Zeit des Übergang liegen mir noch keine den sozialen Übergang erhellenden Quellen vor, werden aber nachgeliefert.

Erst fünfzig Jahre später ergibt sich eine Quelle, die Aufschluss über die Einstellungen der hiesigen Bevölkerung zu ihrer Gegenwart geben. Es handelt sich um einen Berichterstatter, der aus eigenen Erfahrungen und Erzählungen über Ereignisse berichtet, die über fünfzig Jahre zurückliegen.

 

 

 

Ländliche Bevölkerung 1880

Ferdinand Siemann Bericht an die Historische Kommission zur Bauerntumsforschung 1934

 in: Chronik Warmsen

Der Bauer arbeitet als Bauer, nur als Bauer. Der Bauer dient dem Hofe. Man sagt: „Der Bauer ist der erste Knecht auf seinem Hofe." Der Name „Bauer", oder Plattdeutsch „Buer“ ist stets gang und gäbe gewesen. Durchweg sind hier Hofnamen vorhanden. Im dörflichen Verkehr werden nur diese gebraucht, z. B. “Kassen’s Buer.“ Auf Familien – Überlieferungen, Möbel, Geräte- und Urkunden legt der Bauer Wert. Es ist äußerst selten, dass der Bauer ein Grundstück verkauft. Das Vieh ist ein notwendiges Übel für den Bauern, weil er nicht das nötige Futter hat, für das Vieh. Der Acker trägt noch nicht genügend Früchte, weil der Dünger fehlt. Kunstdünger gibt es noch nicht. Ein schönes Pferd ist des Bauern Stolz: Gute Pflege, gutes Futter.

Versicherungen: Die Gebäude sind gegen Feuerschaden versichert, Inventar und Vieh jedoch nur zum Teil.

Erbrechte: Ohne Ausnahme erbt der älteste Sohn. Es kann aber vorkommen, dass dieser nicht nach dem Willen der Eltern heiratet, dann erhält der Nächstälteste den Hof und der Erste muss sich als Häusling plagen. Die Höferolle ist noch ziemlich neu, findet aber Anklang. Später sind alle Höfe eingetragen.

Bauernsöhne erlernen ausschließlich die Landwirtschaft. Wer keinen Hof besitzt, verdingt sich als Knecht oder geht als Knecht oder Grasmäher nach Holland, um Geld zu verdienen. Die Hollandgängerei dauerte so lange an, bis auch in Holland die Mähmaschinen aufkamen.

Der Bauer achtet wohl geistige Berufe, bespöttelt sie aber gern.

Der Hofeigentümer arbeitet stets mit, nicht bloß in eiliger Zeit. Die Frau erledigt in erster Linie Hausarbeit, sorgt für Essen und Trinken, Kinder, Vieh und Garten. Wenn erforderlich, geht sie auch mit aufs Feld. Außerdem verarbeitet sie noch Milch und Butter. Es besteht noch das Settenverfahren, Zentrifugen gibt es noch nicht.

Im Winter steht die Milch 3 Tage im Milchschrank bis sie dick wird. Dabei fällt viel Schmutz auf die Milch, zumal Sand gestreut wird. Wenn abends mal die Spinners da sind, dann wird der Rahm abgenommen und im Holzbutterfass verbuttert. Einmal in der Woche holt der Kiepenkerl die Butter und bringt sie zum Verkauf nach Minden. Wenn der nun zurückkommt, muss er anderen Tags erzählen, was es in der Welt Neues gibt, denn Zeitungen werden von den wenigsten Leuten gelesen. Auch Handwerksburschen werden nach Weltneuigkeiten ausgefragt. Schuster, Schneider, Tischler, Stellmacher gehen noch in die Häuser zur Arbeit. Wenn sie morgens zur Arbeit kommen, kriegen sie ein Stück Brot in die Hand, dazu einen Schnaps.

Neuerungen gegenüber ist der Bauer nicht aufgeschlossen, er ist vorsichtig.

Den wenigen Überschuss, den der Bauer hat, bringt er zur Sparkasse nach Uchte.

Die Sparkasse Uchte wird durch die beiden Handwerksmeistern Buchbindermeister Sprick und Bäckermeister Schmidt geführt. Der Kassenraum ist in dem Hause Schmidt. Gegründet 4. Febr. 1866.

Die Verkoppelung, welche jetzt etwa 15 Jahre zurückliegt, wird als eine Wohltat für die Höfe empfunden. Früher hatte mancher große Bauer seine Grundstücke an 5 bis 15 Plätzen liegen, jetzt an wenigen großen Plätzen. Früher nur krumme Grenzen u. Wege. Heute ist meist alles gerade.

Höfe über 200 Morgen                                       02

Höfe über 80 Morgen                                         22

Höfe über 40 Morgen                                         23

Höfe über 20 Morgen                                         28

Höfe über 8 Morgen                                           12

Familie

Die Frau nennt ihren Mann, wenn sie von ihm spricht, stets mit Vornamen, z. . „use Heinrich“. Wenn vorhandene Kinder größer werden, so sagen sie dann „use Vader“. Ebenso sagt auch der Mann, wenn er von seiner Frau spricht, z. B. „use Marie" oder im Alter „use Mudder". Bei der Gattenwahl kommt es wohl in erster Linie auf Zuneigung an. In zweiter Linie spielt natürlich auch Vermögen eine Rolle. In der Regel stammen Mann und Frau aus ähnlichen, ländlichen Verhältnissen, wohl niemals aus der Stadt. Das Verwandtschaftsverhältnis wird gegenseitig hochgehalten, durch Einladungen, Besuche und dergleichen, Ehetrennungen sind unbekannt.

Direktes Frauenregiment ist selten. Erwachsene Söhne vertragen sich in den meisten Fällen mit ihren Eltern gut.

Für die Anzahl der Kinderzahl gibt es keine begrenzende Regel. Motto: „Gift Gott Kinner, so gift hei ok Böxen!“

Jugend und Ausbildung

Schulpflichtige Jugend hilft in freier Zeit bei der Arbeit. Auch Handwerkerkinder. Eigene Söhne, sofern sie auf eigenem Hof entbehrlich sind, verdingen sich bei einem anderen Bauern als Knecht. In gleicher Weise verhält es sich auch mit den Mädchen. Pensionen sind unbekannt. Minderbemittelte junge Leute gehen im Frühjahr zum Teil für einige Wochen nach Holland, um dort Gras zu mähen. Auch einzelne Bauernsöhne gehen zuweilen mit, weil dort bei fleißiger Arbeit, in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen ist.

Uneheliche Geburten kommen im Jahr im Kirchspiel ein bis zwei vor. Den Kindern wird dies nicht nachgetragen.

Im Winter kommt die Jugend regelmäßig in den Spinnstuben zusammen. So war es von jeher Sitte, bis es in den 1880er Jahren verboten wurde.

Die Kriege von 1864, 66, 70/71 wirkten nicht so schädigend auf Sitte und Religion aus wieder Weltkrieg.

Eine anderenorts verbreitete Landflucht kennt man hier nicht.

Lebensweise und Arbeit

Im Sommer wurde um 5 Uhr aufgestanden, falls nötig, auch früher. Die Mittalgspause dauerte eine Stunde, bei eiliger Arbeit fiel diese auch weg. Abends wurde bis zum Dunkelwerden gearbeitet. Bauer und Bäuerin arbeiteten genauso wie Knecht und Magd.

In Bezug auf Essen und Trinken wurde 1880 noch sparsamer gelebt als heute (1934). Herrschaften und Dienstboten aßen am selben Tische, dasselbe Essen.

Knecht und Magd nannten den Bauern und seine Frau mit Vornamen. Aufs Feld und auch zum Heuen wurde Brotwasser zum Trinken mitgenommen. Im Sommer hatte der Bauer gar keine Ruhepause. Man richtete sich nicht nach der Uhr. Feierabend war nicht etwa um 7 Uhr wie in vielen anderen Gegenden.

Kleidung wurde im dem nächstgelegenen Flecken Uchte gekauft, nicht in der Stadt. Arbeitskleidung wurde auch noch selbst gewebt.

Im Herbst wurde abends mit dem Flegel Saatroggen gedroschen, da es noch keine Dreschmaschinen gibt. Die Nachbarn halfen sich gegenseitig, so dass etwa 6 Personen zusammenkamen. Da wurden 6 Lagen gedroschen, es wurde dabei 10 – 11 Uhr. Dazu gab es ein paar Schnäpse. Eine Kanne kostete 50 Pf. Wenn am Abend nicht gedroschen wurde, so wurden am frühen Morgen vor dem Kaffee 2 – 3 Lagen (von der eigener Familie mit 3 bis 4 Mann) gedroschen.

Bauer und Gesinde

Es besteht noch das patriachische Vertrauensverhältnis zwischen Bauer und Gesinde, weil das Dorf noch abgeschlossen allein für sich liegt. Das Wort „Arbeitgeber" ist noch unbekannt. Ebenso das Wort Tarif. Es besteht noch die Tischgemeinschaft mit gemeinsamen Essen am gleichen Tisch. Einen Acht – Stunden – Arbeitstag gibt und kann es nicht geben. Eine Arbeitsvermittlung gibt es nicht. Die Arbeitskündigung erfolgt stets nur ein Jahr vorher. Das Gesinde wechselt nur Ostern, nicht etwa am 1. April. Knecht und Magd gehen selten zur Industrie, oder in die Stadt. Beide nennen den Bauern und seine Frau mit Vornamen.

Der Lohn besteht in Geld, Leinen und Schuhen. Der Lohn wird nur nach Ablauf des Jahres ausbezahlt, ausgenommen wenn der Dienstbote früher Geld für Kleidung gebraucht. Der Rest wird zur Kasse gebracht. Knecht und Magd stammen meist von kleinen Besitzern oder Häuslingen. Da sie als Familienglieder behandelt werden, gehen sie auch abends u. sonntags mit in die Wohnstube. Da in unseren alten Bauernhäusern nur wenig Schlafräume vorhanden sind, so sind diese für die Herrschaften, deren Eltern und manchmal viele Kindern schon recht beschränkt. Mithin für Knecht und Magd oft sehr beschränkt. Der Knecht schläft meistens in einer kleinen Kammer oft auch nur in einer Butze, vor den Pferden. Der Magd wird oft noch ein Kind mitgegeben.

Bauer und Häusling

Durchweg besteht ein gutes Verhältnis zwischen Bauer und Häusling. Vor 1880 bekam ein Tagelöhner für einen ganzen Tag 50 Pfennig, für einen Nachmittag mit Flegel dreschen 30 Pfennig. Maschinen gibt es noch nicht. Es ist allgemein Sitte oder wie man hier sagt Mode, dass der Magd, wenn sie zum Markt geht, Marktgeld gegeben wird, ob dies nun 1 M. oder 3 M. sind, richtet sich nach verschiedenen Umständen. Stets bringt die Magd aber den Kindern, auch der Frau etwas „Kirmes“ mit. Verreist einmal die Frau zur Stadt, bringt sie der Magd stets ein Geschenk mit, weil sie den Haushalt allein besorgt hat.

Freizeit

Vereine gibt es noch nicht. Auch Rangklassen sind unbekannt.

Der Bauer hält auf Sitte und Brauchtum.

Das Wort Erholung kennt er kaum. Sonntags bleibt er in der Familie.

In die Gastwirtschaft geht er selten. Der Dorfkrug als solcher hat wenig Bedeutung.

Streitigkeiten gibt es sehr wenig.

Standesbestrebungen kommen zur Zeit noch nicht in Frage.

Sofern den Zugezogenen ein guter Name vorangeht, sind sie in wenigen Wochen eingebürgert.

 

 

 

„Höhen und Tiefen“ – die erste Hälfte des 20. Jh.

 

 

 

Imperiales Großmachtstreben und das Land

 

 

Bauerntum in Warmsen 1910

Ferdinand Siemann Bericht an die Historische Kommission zur Bauerntumsforschung in: 900 Jahre Warmsen, eine Gemeinde in Wort und Bild, Schriftenreihe der Samtgemeinde Uchte Band 5 1996

Warmsen hat seit diesem Jahr (15.1.1910) selbst einen Bahnhof an der Strecke Nienburg – Rahden. Anfänglich fuhren täglich 5 Personen – Zugpaare, nach dem Krieg nur noch vier Zugpaare. Güterzüge eingesetzt.

Da bislang keine Naturkatastrophen stattfanden und wir von großem Feuer, Hagel und dergleichen verschont blieben, so ist noch nicht alles versichert. Gebäude sind zwar alle versichert. Inventar erst zu etwa 40%, Hagelversicherung noch weniger, Vieh ebenfalls wenig.

Soweit der Bauer Geschick dazu hat, sieht er im Winter seine Maschinen und Geräte nach. Es gibt hier für den Bauern keinen Nebenverdienst, auch keine Hausindustrie. Vor Jahren fingen einige an und machten Flaschenstrohhülsen, dies hörte recht bald wieder auf. Nach einem Vortrag im Landwirtschaftlichen Verein in Essern habe ich es dann riskiert und habe 50 Pfund Thomasmehl von Stolzenau kommen lassen. Es war dies im Herbst 1886. Dies war das erste Thomasmehl in Warmsen.

Familie und Haus

Schiedlich, friedlich lebt in der Regel die Familie nebeneinander wie 1880

Jugend und Ausbildung 1910

Die schulpflichtige Jugend arbeitet nach Kräften mit. Eigentliche Zeiten gibt es nicht; der einsichtsvolle Vater schickt den Anerben vielleicht zwei Winter zur landwirtschaftlichen Winterschule zur Berufsfortbildung. Bessere Mädchen kommen wohl mal in einen städtischen Haushalt.

Uneheliche Geburten kommen im Kirchspiel im Jahr etwa zwei bis drei vor. Den Kindern wird dies später nicht nachgetragen.

Gemeinschaften der Jugend gibt es seit Verschwinden der Spinnstuben nicht mehr; es ist dem Zufall überlassen, wenn sich junge Leute zusammenfinden. Hauptsächlich sind es Tanzvergnügen, Märkte und dergleichen. Hierüber wird lange vorher und besonders nachher viel gesprochen.

Der letzte Krieg 1870/71 hatte keinen Einfluss auf das Dorfleben. 6. Die Landflucht spielt hier keine Rolle.

D Wohnung, Benutzung siehe Abbildung. Die Ausstattung ist reicher geworden. Man sieht Gardinen, Sofa und Tapeten.

Sanitäre Einrichtungen sind noch mangelhaft. Wasserleitungen, Badeeinrichtungen fehlen. Der Abort ist im Viehstalle. Wo irgend möglich hat man eine Sonderküche für Futter. Die meisten Gehöfte haben am Hause einen Gemüsegarten, wo auch Blumen zur Geltung kommen.

Es wird vielleicht etwas besser gelebt, wie vor 30 Jahren. Stoff zur Kleidung wird im nächstgelegenem Flecken gekauft.

Bauer und Gesinde

Alles noch wie 1880. Durch Verkleinerung der Diele sind bessere Schlafräume auch für das Gesinde entstanden.

Die Magd hat in der Regel im Winter 2 Tochen sog. „Spinnwochen“, wo sie zu ihren Eltern geht und für sich arbeiten kann. So ist's immer gewesen. Der Knecht hat diese Vergünstigungen nicht. Es gibt einzelne Dienstboten, welche 5 – 8 Jahre am selben Platze bleiben.

Nachdem sie dann Anschluss gefunden haben, verheiraten sie sich, mieten sich ein kleines Haus, kaufen sich eine Kuh, manchmal auch bloß eine Ziege und fangen an, für sich selbst zu arbeiten.

Bauer und Nachbarn

Ein Bauer hat mindestens zwei bis fünf Nachbarn, je nach der Lage des Gehöftes. Das nachbarliche Verhältnis ist gleich geblieben. Nur bei den unendlichen Zusammenkünften gibt es zum Kaffee statt Brot und Butter schon Butterkuchen. Etwas Neues hat sich eingeführt: Die Feier der Silberhochzeit nach 25 Jahren und der Goldenen Hochzeit nach 50 Jahren. Dazu wird nicht eingeladen. Es kommen Nachbarn, Anverwandte und gute Freunde zum Gratulieren, sie bringen auch ein Geschenk mit, bestehend z. B. aus feinem Leinen, guten Porzellan, Gebrauchsgegenständen für Küche und Haus, im Werte von 2 – 10 Mark oder mehr. Sie kommen zum Kaffee, abends gibt es warmes Essen.

Zur Zeit gibt es hier noch kein Lastauto. Wenn nun ein Bauer ein neues Haus bauen muss, so ist es seit uralten Zeiten Sitte gewesen, dass Nachbarn und gute Freunde ihm Steine und Holz umsonst fahren. Aber nicht allein Nachbarn, sondern das ganze Dorf und sogar gute Freunde aus den Nachbardörfern beteiligen sich hieran. Es ist dies eben ein ungeschriebenes Gesetz. Wenn es Zeit dazu ist, so schickt der Bauer einen Boten herum und 10 – 15 Wagen fahren an einem Tag zur Ziegelei oder zum Holz. Eine gute Vesper wird mitgeschickt und Schnaps dazu, nach der Rückkehr erhalten sie nochmals Essen. Jeder Bauer muss natürlich mehrere Male fahren. Zum Richtfest bringen die Nachbarfrauen Butter und Eier und meistens auch Milch mit.

Freizeit

Es besteht die Sparkasse Konsumverein. Anschluss an den landwirtschaftlichen Verein Uchte. Gesangverein, Kriegerverein, Rindviehversicherung, nur für das Dorf. Die Pferdebesitzer haben sich an den größeren Verein in Rahden angeschlossen.

Die Einheit des Dorfes besteht weiter.

Auch bei größeren Sänger – und Kriegerfesten beteiligt sich zuweilen die ganze Gemeinde, ohne Rangunterschied, ob jung oder alt. Zu den gewöhnlichen Tanzvereinen, die der Gastwirt anstiftet, geht der verheiratete Mann nicht.

Der Bauer geht für gewöhnlich nicht in die Gastwirtschaft. Streitigkeiten sind selten. Der Schiedsmann tritt im ganzen Jahr ein – bis zweimal in Tätigkeit, manchmal gar nicht.

Bauer und Heimat

Immer und ewig wird platt gesprochen.

3. Die alte Tracht ist stark im Verschwinden, leider ist wenig davon aufbewahrt.

4. Diese beliebten Spinnstuben wurden in den 80er Jahren verboten. Der Gendarm (Huet) trieb abends die Spinner auseinander.

5. An Zeitungen werden die unpolitische Hannoversche Zeitung, der Tageblatt – Anzeiger gelesen. Auch das Stolzenauer Wochenblatt, der Bote an der Weser und auch das Hannoversche Sonntagsblatt. Durch den Druck von der Regierung muß seit 1934 auch das Niedersächsische Tageblatt gelesen werden.

Der Bauer und die Stadt

Auch heute noch geht der Bauer selten in die Stadt, er hat noch weniger Anlass als früher.

Damals musste der Bauer mit Schweinen und Rindvieh zum Markt in Minden. Heute kommen die Händler hierher. Das Vieh wird auf die Bahn verladen. Da Minden auch ein anderer Regierungsbezirk ist, hat er dort auch mit der Behörde nichts zu tun.

Die Militärzeit hat auf den hiesigen jungen Mann keinen Einfluss gehabt. Er geht ungern in die Stadt. Auch auf die Bau – und Lebensweise übt die Stadt keinen Einfluß aus, daran hindert schon die Entfernung. Die Tracht der Frauen verschwindet mehr und mehr, dafür sorgen schon die Kaufleute in der Nähe, indem sie moderne Kleider ausstellen.

 

 

 

Ns-Zeit und deutsches Bauerntum

 

 

z.Zt. nicht besetzt....

 

Bäuerliche Rechtsstellung

 

 

Frühmittelalterliche Beobachtungen

 

 

Die nachfolgenden Graphiken beschreiben eine Entwicklung, die in der Zeit der Franken seinen Anfang nahm und im Lauf des Mittelalters seine Verfeinerung fand. Die Darstellungen bilden den Anfang einer Beschreibung, die noch zu vertiefen sein wird.

Lehenspyramide

Grundherr - Leibeigener

Mittelalterlicher Herrenhof

 

 

z.Zt. nicht besetzt....

Rechtstellung zwischen 1000- 1500

 

Die bäuerliche Abhängigkeit und Unterordnung war doppelt legitimiert:

- Ideologisch lässt sie sich mit der Bibel und mit der unterschiedlichen Zweckbestimmung der Menschen erklären. Dies geschieht durch kirchliche Anweisung wie die anliegende Quelle zeigt.

- Feudalrechtlich ergibt sich eine hierarchische Unterordnung bzw. totale Abhängigkeit der Bauern von den mittelalterlichen Feudalinstanzen (vgl. graphische Darstellung).

Faktisch gab es demnach Entwicklungsmöglichkeiten der Bauern im Rechtsbereich.

 

Die Ständelehre des Bischofs Burchard von Worms, 1008 – 1012

“Wegen der Sünde des ersten Menschen ist dem Menschengeschlecht durch göttliche Fügung die Strafe der Knechtschaft auferlegt worden, so dass (Gott) denen, für die... die Freiheit nicht passt, in großer Barmherzigkeit die Knechtschaft auferlegt. Und obgleich die Erbsünde durch die Gnade in der Taufe allen Gläubigen genommen ist, hat der gerechte Gott das Leben der Menschen so unterschieden, indem er die einen zu Knechten, die anderen zu Herren einsetzte, damit die Möglichkeit zu freveln für die Knechte durch die Macht der Herren eingeschränkt würde."

Die Ständelehre des Bischofs Burchard von Worms, 1008 – 1012. In: Wolfgang Lautemann und Martin Schlenke (Hg.): Geschichte in Quellen. Bd. 2. Mittelalter. München 1970. S. 711 f.

Schematische Darstellung zur Rechtslage der Bauern

5 RAABits Geschichte März 1995

 

 

Von der Reformation bis zu Beginn des 19. Jhs.

 

Entwicklung bis zur Bauernbefreiung

Heinrich Gade, Historisch-geographisch-statistische Beschreibung der Grafschaften Hoya und Diepholz, Bd. 2 Nienburg 1901, S. 492.

„ Hier, wie meistens im alten Sachsenlande, waren die Einwohner bzw. Grundbesitzer mit Ausnahme der Geistlichkeit entweder

1. Adeligfreie, als Inhaber freier Güter, denen entweder die Freiheit geschenkt war, oder die auf Grund und Boden der Herrschaft gebaut hatten;

2. Bürgerlichfreie;

3. die Bürger;

4. die gutherrenfreien Bauern;

5. die leibfreien Bauern;

6. die leibeigenen Bauern;

7. die Häuslinge oder Heuersleute.

Diese Verhältnisse haben in Folge der neueren Gesetze über Ablösung aufgehört.“

 

 

Nach der Bauernbefreiung

 

Klassifizierung nach Grundbesitz ca. 1850

Heinrich Gade, Historisch-geographisch-statistische Beschreibung der Grafschaften Hoya und Diepholz, Bd. 1 Nienburg 1901, S. 26.

Insgesamt gab es in der Grafschaft Hoya nach einer Erhebung von 1850 563.774 Morgen landwirtschaftlicher Nutzfläche davon 312.025 Morgen Ackerland und Gärten, 138.026 Morgen Wiese, Weiden und Fischteiche und 113.723 Morgen Forstgrund.

Die bäuerliche Höfe bzw. deren Inhaber werden nach der Größe des dazugehörigen Grundbesitzes, nach den örtlichen Verhältnissen und nach dem Herkommen bezeichnet als:

1. Meier und zwar: Siebenmeier, Doppel-, Voll-, Dreiviertel-, Zweidrittel-, Halb-, Drittel-, Sechstel-, Achtel-, Erbzins-, Jagd-, Kirchen-, usw. -Meier.

2. Kötner, nämlich: Voll-, Dreiviertel-, Halb-, Drittel-, Spann-, Fahr-, Egge-, Klein-, Leibkötner usw.

3. Brinksitzer, welcher wieder sein können_ Groß-, Klein-, und Halbbrinksitzer

4. Kolonen und Erbzinskolonen

5. Bauer: An-, Ab-, Nach-, Bei-, Neubauer

6. Tagediener, Zweitagediener, Sechstagediener

7. Sonstige: Feuerstätter, Altenteiler, Häuslinge etc.

Wie hieraus ersichtlich gibt es auch unter den Stellen und Stellenbesitzern Unterschiede und Rangstufen die Menge, und man braucht nur die gerichtlichen und anderen Anzeigen in öffentlichen Blättern zu beachten, um zu sehen, dass diese Bezeichnungen und Unterschiede noch immer offiziell im Gebrauch sind und namentlich auch bei den Beteiligten selbst in Ansehen und Geltung stehen.“

 

Wohlgemerkt: die alten feudalrechtlichen und grundrechtlichen Bezeichnungen werden von Gade 1901 noch als „nominell existent und sozial relevant, wenngleich nicht rechtswirkend“ angesehen!

 

 

 

 

Begriffserläuterungen

 

 

Allmende

Im Mittelalter der gesamten dörflichen Gemeinschaft zustehende Nutzung von Gemeindeland. Zwischen Spätfeudalismus und Früher Neuzeit wurde die Allmende immer häufiger vom Grundherrn bzw. Landesfürsten zur Arrondierung seines Eigenbesitzes beansprucht.

Anbauern

andere Bezeichnung für Brinksitzer

Brinksitzer

Die Höfeklassen der Kötner und Brinksitzer und der ihnen in der zeitlichen Entwicklung nachfolgenden Neubauern hoben sich ursprünglich in der Größe des Landbesitzes und der Hofanlage von den Altbauern ganz wesentlich ab. Die Brinksitzer könnten nach den Kötnern aufgekommen, da sie keine Rechte an den Gemeinheiten besaßen. Die Ämter gaben ihnen manchmal etwas Land aus der Gemeinheit, das ihnen nur eine kümmerliche Existenz ermöglichte. Das geschah meistens gegen den Widerstand der hudeberechtigten Bauern, die darin eine Schmälerung ihrer Rechte erblickten.

 

Hagensiedlung

Eine grundherrliche Rodeanlage durch das Hägerrecht ausgezeichnet, d.h. mit einem Erbzinsrecht, einem unkündbaren, erblichen Besitzrecht versehen. Das Hägerrecht hebt sich von dem Meierrecht wesentlich ab. Die Hagenhufner in Hoyerhagen waren Freie, sie hatten ihr eigenes Se1bstverwaltungsgericht unter einem Hagenmeister, der zugleich ständiger Bauermeister war. Eine späte Urkunde aus dem Jahre 1665 lässt noch Grundzüge des Hägerrechtes durchscheinen, wenn auch vom Meierrecht gesprochen wird.

Heuerlingshäuser

s. Kate, s. Kotten

Insthäuser

s. Kate, s. Kotten

Kate

Die Kate war die Behausung von verheirateten Arbeitskräften eines Bauernhofes.

Kötner

Die Höfeklassen der Kötner und Brinksitzer und der ihnen in der zeitlichen Entwicklung nachfolgenden Neubauern hoben sich ursprünglich in der Größe des Landbesitzes und der Hofanlage von den Altbauern ganz wesentlich ab.

Einwandfreie Nachrichten liegen weder über die Ursachen noch die Zeit der ersten Ansätze von Katstellen vor. Sie werden als Siedlungszuwachs des 14. und 15. Jahrhunderts erachtet. Sie gingen durch Teilung hervor oder besetzten wüste Stellen alter Höfe oder entstanden auf der Gemeinheit, sei es im oder am Dorf, sei es am Rande der Ackerflur oder am Außenrand der Gemarkung. Ursprünglich bestanden die Katstellen nur aus der Kate oder dem Kotten, einem kleinen Haus, und dem Kohlhof, einem Hausgarten. Zu Beginn des l5. Jahrhunderts sind noch die meisten von ihnen Handkatstellen, d.h. ihre Inhaber dienen mit der Hand. Nur einzelne Katstellen sind soweit entwickelt, dass ihre Inhaber Spanndienste leisten können, die sog. "Pflugkötner" oder ,,Eggekötner".

Kötter (s. Könter)

Entnommen: Das Fachwerk.de– Lexikon 1999

 

Häufig versteht man unter dem Begriff Kötter (Kätner) abhängige Bauern, Landarbeiter, die sich bei größeren Häusern verdingen mussten. Das ist historisch gesehen nicht zu halten. Ein Kotten, dessen Bewohner Kötter genannt wurden, war zwar gegenüber dem Hof meistens kleiner und ‚in Verbindung mit der Markengerechtigkeit‘, also bezüglich der aus dem Landbesitz entspringen Rechte, mit geringerem Recht ausgestattet, wie es in der einschlägigen Literatur heißt. Aber auch eine Kötterfamilie war immer noch eine bedeutende Familie mit Privilegien, die sie über die gewöhnlichen Bauern erhob. Das Buch von Herbert Schmitz enthält eine umfangreiche Beschreibung eines Kottens.

Die Bezeichnung Kötter findet sich häufig in norddeutschen Namen, wie Hagenkötter. Je nördlicher oder besser je norddeutscher die Stadt, desto häufiger ist zum Beispiel dieser Name anzutreffen. Das Telefonbuch von Essen enthält den Namen viermal, in Bochum taucht er schon siebenmal auf und im kleineren Herne fünfmal, also auf Einwohner bezogen fünfmal häufiger, als in Essen. Andere typische Namen, die auf den landwirtschaftlichen Ursprungsberuf der Vorfahren der Namensträger schließen lassen sind z.B. Kampkötter (Kamp war und ist manchmal noch heute das kleine Wäldchen, welches den Bauernhof umgab und das Holz zum heizen und für den Bau von Haus und Stallungen lieferte), Eikenkötter, in dem die Eiche als Eike enthalten ist, Ostenkötter, der Kötter, also der östlich wohnte, Unterkötter, der Kötter der im Talgrund wohnte.

Kotte

Kotten oder, weniger gebräuchlich, das niederdeutsche "Kote", in dem der Ursprung der Benennung liegt, war ein kleines Haus. Der Bewohner war ein Kötter. Manchmal versteht man unter Kotten ein kleines ländliches Haus (Kate) und unter Kötter (Kätner) abhängige Bauern, Landarbeiter, die sich bei größeren Häusern verdingen mussten. Das ist historisch gesehen, jedoch nicht zu halten (s. Der Kötter).

Neubauern

s. Brinksitzer

 

 

 

Literaturverzeichnis

 

 

Örtliche Chroniken

 

Borstel: Geschichte des Kirchspiels Borstel, Hrsg. Heimatverein Borstel 1990

Leese: 800 Jahre Gemeinde Leese 1983, Gemeinde Leese (Hrsg.), Schriftleitung Heinrich Munk, 1983

Voigtei: F. Bomhoff, Voigtei eine Streusiedlung am Rande der Moore in Steyerberger Chroniken 1989

 

 

Überregionale Beschreibungen

Gade, Heinrich Historisch-geographisch-statistische Beschreibung der Grafschaften Hoya und Diepholz, 2 Bände, Nienburg 1901.

 

Seedorf, Hans Heinrich und Meyer, Hans-Heinrich (Hrsg.). Landeskunde NIEDERSACHSEN. Natur und Kulturgeschichte eines Bundeslandes. Band II: Niedersachsen als Wirtschafts- und Kulturraum. 1996. Wachholtz-Verlag Neumünster.

 

Wird fortgesetzt...

 

 

 

 

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   Raddestorf
19-01-03