Inhaltsverzeichnis Ein
Bazillus entwickelt sich
Die Anfänge in Kassel-Bettenhausen
Bestandsentwicklung und Verkauf
Brieftauben in Raddestorf
Erste Erkenntnisse und Erfahrungen
Projekte zum Thema Taubensport Ende der 80er Jahre
Taubenzüchter zu Besuch
... und irgendwie geht es mit Brieftauben weiter
Rückblick auf den Züchter Valere Desmet-Matthijs
Die Linie über Schleicher und Huth zu Dieter Rieke, Neuenknick
Die rein gezogenen "Rieke" in Raddestorf
Ein Bazillus entwickelt sich
Die Anfänge in Kassel-Bettenhausen
Seit dem ich denken kann hatte mein Vater, Willi
Kirchner, Kassel Brieftauben und betrieb diesen Sport mit einer großen
Leidenschaft und Intensität, aber auch mit viel Erfolg.
Im Kriege hatte die Familie durch die Luftangriffe auf Kassel das Haus
mit dem Geschäft verloren und er machte sich schon bald nach der Rückkehr
aus der Gefangenschaft daran, auf einem gepachteten Grundstück gegenüber
dem Bahnhof Bettenhausen ein neues Domizil aufzubauen. Im vorderen Teil
des einstöckigen, langgestreckten Gebäudes befanden sich Geschäfts-
und Arbeitsräume für ein geräumiges Eis-Café. Daran schlossen sich
zwei Wohneinheiten an, die von meinen Eltern und meinen Großeltern
bewohnt wurden. Das Grundstück schloss nach zwei Seiten mit Parks ab
und hatte im straßenabgewandten Teil ein riesiges, allmählich
zuwucherndes Trümmergrundstück, idealer Spielplatz für
Heranwachsende.
Natürlich war der gesamte Dachboden für die Taubenschläge ausgebucht.
Sonntag für Sonntag an mindestens 17 Wochen im Jahr kamen die kleinen
Rennpferde der Lüfte von ihren Auflassorten zurück und der ganze
Ehrgeiz bestand darin, durch schnelles Eindrehen der mitgeführten
Gummiringe in eine manipulationssichere Spezialuhr den Nachweis dafür
zu erbringen, dass wir über hervorragende Tiere verfügten. Mich
interessierten damals noch nicht so sehr Preise, Pokale und Urkunden,
ich fand es gut, eine schöne bunte Taube als Eigen zu haben, auf die
mein Vater wegen ihrer Leistungen stolz war.

001:
Die erste Lieblingstaube - ein weißer Vogel
Großvater und Vater warteten gespannt auf die
Tauben, die einmal im Jahr sogar im 800 km entfernten Marseille
aufgelassen wurden. Der Sohn war ihnen lieb und wert, aber der Blick
galt dem Dach.

002: Die
Tiere aus Marseille werden von drei Generationen Kirchners erwartet

034: ...und
natürlich half der "Juniorpartner" beim Füttern (Bilder aus 1950)
Und der Erfolg
stellte sich ein – trotz des Umzuges von der Leipziger Straße in den
Eckenstücker Weg, trotz mancher Rückschläge, wie der folgende Bericht
meines Vaters aus einem Versteigerungskatalog wahrscheinlich aus dem
Jahre 1976 zeigt:
Bestandsentwicklung
und Verkauf
Auszüge aus dem Katalog 1976

003:
Deckblatt des Katalogs 1976
Nachdem im Winter 64/65 der bisherige erfolgreiche
Bestand an Paratyphus erkrankte, wurde alles getötet, was krank oder
gefährdet war.
Ein Neubeginn stand an.
Es wurde von 65 – 67 die so vererbungsstarken Stichelbouts/Desmet
über Herrn Fulgoni, Sundern, insgesamt 11 Stück, eingeführt.
Dass hiermit ein guter Griff getan wurde, erwies sich sehr bald.
Insbesondre das Weibchen 06894-65-173, der Voge167 - 49 u. der Vogel
67-1026 waren wunderbare Vererber. Schon die direkte Nachzucht zeigte
sich hervorragend und sie vererbten ihre guten Eigenschaften weiter.
Hinzu kamen in 67 - 68 die Delbars über Goschala, eine
Taubenfamilie der Sonderklasse. Hieraus schälten sich als die stärksten
Vererber die Tauben 05344-67-152, 67-145 u. 67-8 heraus. Das Weibchen
Nr. 8, in 72 erworben, brachte mit dem Vogel 145 fast nur Sieger. Zur
Festigung des guten Blutes wurde 73 bei Delbar nochmals
eingekauft. B 73 -4675217, ein Sohn v. Hengst, B 73- 4675233, ein Enkel
vom Barcelona und das Weibchen B 73- 4675195, eine Enkelin v. Nr. 1 u.
Barcelona. Auch diese 3 Tiere haben ihre Vererbungskraft unter Beweis
gestellt.
Anlässlich eines Urlaubs in Belgien nützte ich die seit Jahren
bestehende Bekanntschaft zu den Gebr. Janssen in Arendonk. Gleich
die erste Taube, ein 8 altes Jungtier, der V. B 68- 6741234 wurde ein
Volltreffer, seine Söhne u. Enkel liefern Spitzenpreise und vererben
das „mordant”, bis heute sind 8 Tauben von Arendonk nach Kassel zu
mir gekommen und ich habe noch keinen Tag diese Ankäufe zu reuen
brauchen.
Wer die echten Janssen-Tauben kennt, der weiß um ihre enorme
Vererbungskraft, der weiß aber auch, wie schwer sie zu erwerben sind
und kennt die Preise.
Jedoch, die Erfolge rechtfertigen die Investitionen und so mancher gute
Ratschlag wanderte unentgeltlich mit von Arendonk nach Kassel.
Zu jeder Anschaffung, gleichgültig von welchem Erfolgsschlag, gehört
das nötige Quäntchen Glück. Wenn zu guten und vererbungsstarken
Tauben ein gesunder Schlag und der Wille zur optimalen Pflege kommt,
dann kann der Erfolg nicht ausbleiben.
Über die Zuchtwege zum Erfolg kann man diskutieren, es gibt mehrere Möglichkeiten.
Ich halte jedoch viel von einer Verwandtschaftszucht auf der Grundlage
der Reiseleistung und habe die Erfahrung gemacht, dass ein Inzuchttier
mit überragenden Leistungen immer ein gutes Zuchttier ist. Und deshalb
wird mein Zuchtweg immer zur Inzucht tendieren.
Hier einige Bilder aus dem Verkaufskatalog:

004: Der
erste originale Janssen, als Ei gekauft
Dieser Vogel stammte aus zwei originalen Janssen
und wurde als Ei gekauft. Zu der Zeit legte man noch nicht so viel Wert
auf Papiere und Abstammung der kleinen Gebrüder aus Arendonk, dennoch
waren die damals gezahlten 300,00 DM eine gelungene Investition und nach
ihm folgten noch viele andere Tiere von diesem Kurzstreckenschlag aus
Belgien.

005: Ein
typischer Delbar vom Züchter Goschala
Eine Goschala/Delbar-Mischung, die nicht nur
hervorragende Reiseerfolge, sondern auch ausgezeichnete Nachwuchstalente
hervorbrachte.

006: Einer der
Spitzenflieger mit über 50 Preisen
Rein gezogener Janssen aus dem 618 mit über 50
Preisen, darunter viele Spitzenpreise.

007: Der
berühmte 596, ein rein gezogenes Tier aus der Fulgoni-Linie
Stichelbaut-Vogel , Nachzuchttaube Fulgoni mit
59 Lebenszeit-Preisen, dieses Tier kam im hohen Alter noch nach
Raddestorf und wurde hier bis an sein Ende treulich gepflegt.
Mit vielen Züchtern hatte sich Vater nicht photographieren lassen, aber
mit den Gebrüdern Jannsen war der Photo-Termin Pflichtsache, um den
Nachweis zu erbringen, dass nur diese guten Kontakte es ermöglicht
hatten, über 30 Zuchttauben aus den Schlägen dieser Ausnahmezüchter käuflich
erworben zu haben. Preise bis zu 5.000,00 DM aus den Ausnahmetauben wie
Alter und Junger Merkx, wie Geelooger, Witooger 019 und anderen Vererbern waren nicht ungewöhnlich, man bedenke: man schrieb die 80er
Jahre...

008: Gute
Kontakte mit den Mannekes aus Arendonk
Leider verstarb mein Vater
sehr früh, sodass die für mich wertvolle Quelle und der gute Rat für
immer verloren gingen.

028: So
präsentierten sich die Janssens auf einem Hochglanzphoto von 1976 (hier
leider nur eine schlichte Kopie)

023: Die
Taubenzüchter aus der Schoolstraat. Jeff, die treusorgende
Schwester Irma, Adriaan der geistige Kopf der Brüder, Louis, Charel und
Vic (Bild u.a. im Buch von Schaerleckens, Gebr. Janssen, 1984)

024: Ein
weiteres zauberhaftes Bild der beiden verbliebenen Brüder Louis und
Charel aus dem Jahre 1986. Es ist mit folgendem
Text unterlegt "The most renown pigeon fanciers in the world: the Janssen brothers check upon the son of 019 one last time before it leaves their loft with Henk
Simonsz.." [sdwierstra.nl]

025: Und das
waren sie, die berühmten DIA-A-6 großen Abstammungskärtchen, überall
in der Welt zu finden, inzwischen bereits historisches Dokument.
Brieftauben in Raddestorf
Der Taubenbazillus hatte mich ergriffen. Trotz
jahrelanger Abstinenz in der Studienzeit und Aufenthalts in Bremen.
Kaum waren in Raddestorf die ersten Schwierigkeiten überwunden, kaum
stand der Anbau, - der eigentlich eine Sauna werden sollte, aber nie
eine wurde - da fand sich schon ein Raumteil, der abtrennbar, hell und
mit einem Ausflug versehen werden konnte.
Und dabei fing alles doch so harmlos an: da brachte man mir eine verunglückte
Ziertaube, deren Beine geschient werden mussten ...
Wer kann einem Tier, das die Pflege mit Treue zum neuen Schlag belohnte,
den Partner verwehren?
Bald gesellten sich zu diesem Pärchen auch verirrte Brieftauben, die
gesund gepflegt wieder abzogen oder hier blieben.
Der Sohn eines Nachbarn, damals etwa 8 Jahre alt war, pflegte und fütterte
hingebungsvoll die Tiere unter den Woche während ich in Bremen meinen
Dienstpflichten nachkam, sodass ich an den Wochenenden und in der
Urlaubszeit den Kontakt zu den Tieren genießen konnte.
Und so dauerte es nicht lange, dass ich mich bei dem Taubenverein Uchte
anmeldete und in Kassel vorstellig wurde.
Erste Erkenntnisse und Erfahrungen
Wenn schon denn schon – das dachte wohl mein
Vater und brachte mir nach entsprechender Schlagerweiterung auf dem
Dachboden Körbeweise Jungtiere aus seinen besten Zucht- und Reisetauben
nach Raddestorf.
Stolz wurde mit Hilfe einer begabten Schülerin das
Logo entworfen:

013:
Briefkopflogo für das Projekt Brieftauben in Raddestorf
Doch so richtig wurde es eigentlich nie etwas:
- die
Habichtsplage zur damaligen Zeit,
- Wasseradern,
die quer durch das Haus liefen,
- schwere,
zählebige Erkrankungen, wie Salmonellen, konnten erst von Dr. Erdös,
Köln behoben werden,
- Reise-Erfolge
der Durchschnittsgüte trugen nicht gerade zur Motivationssteigerung
bei.
Aber der „Taubenbazillus“ aus Kindertagen saß
sehr tief, hielt lange vor und ließ manche Enttäuschung überspielen.
Und es waren auch nicht nur die Tauben aus Kassel, die diese Situation
verschuldeten
- direkt
aus Arendonck bei den Gebrüdern Jannsen
- direkt
aus Sundern von Herrn Fulgoni
- direkt
aus den deutschen Meistertauben von Dieter Rieke, Neuenknick
- und
aus vielen, vielen Versteigerungen der anspruchvolleren Klasse kamen
Tauben nach Raddestorf.
„Jannsens“, „Delbars“, „Stichelbauts“,
„Sions“, „Desmets“, „Meulemans“ – alles klangvolle Namen
von namhaften und höchst erfolgreichen Züchtern, herrliche Tiere,
manches Mal auch ziemlich teuer...
Dann die Schlaganlage, der Grundstückanlage angepasst in Fachwerk, die
Ausflügen nach Osten gerichtet, pulvertrocken durch Unterbodenlüftung
und Luftabzugssystem.
Die Erfolge blieben gleichbleibend schlecht, und es war auch nicht
besonders tröstlich, dass abgegebene Tiere bei anderen Züchtern
Aufsehen erregende Erfolge verzeichneten – hier sollten sie fliegen,
hier sollten sie siegen. Bis auf Einzelerfolge - Pustekuchen!
Immerhin gab es auch freudige Momente im Taubenzüchterleben. Einer war
die menschlich sehr nette Gemeinschaft im Uchte der 80er Jahre (s.u.)
und des weiteren Projektarbeiten mit Schülern des Arbeitsplatzes am
Gymnasium Stolzenau zum Thema „Brieftaubensport“.
Projekte zum Thema Taubensport Ende der 80er Jahre
Der
Brieftaubensport wird mehr und mehr zu einer Angelegenheit
weniger.
Dabei werden die absoluten Taubenzahlen kaum geringer, die Züchterzahl
aber immer kleiner. Und schaut man genau hin, dann sieht man, dass es
sich überwiegend um betagte Jahrgänge handelt. Es gelingt nur noch
selten die Jugend für dieses an sich herrliche Hobby zu
begeistern.
Das liegt zum einen an folgendem:
- dass sich mit der Haltung von Tieren gewisse Verpflichtungen ergeben,
die eine regelmäßige Betreuung erfordern (keineswegs mehr unbedingt
modern heute),
- dass der Zuchtverband mit seinen Reisebestimmungen die Taubenliebhaber
an mehr als 15 Wochenenden zur Mitarbeit verpflichtet, wollen diese eine
Chance haben, irgendwelche Wettbewerbe („Meisterschaften“) in
Konkurrenz zu anderen zu gewinnen,
- dass die Älteren die Jüngeren nicht intensiv genug helfend betreuen,
denn sie haben auch ihre eigenen Siegeschancen im Auge,
- dass der Sport durch Hilfsmittel, „Geheimmittel zur
Erfolgssteigerung“, Reise- und Haltungskosten ziemlich teuer geworden
ist
- dass für sehr erfolgreiche Tiere oder solche aus renommierten Schlägen
z.T. astronomische Summen bezahlt werden müssen.
Aber es liegt auch daran, dass die Betätigung mit den sportlichen
Tieren den jungen Menschen aus unmittelbarem Erleben selten zugänglich
gemacht werden kann - der Zugang zur Maschine mit der diese Seiten
erstellt wurden ist sehr viel leichter, direkter und
unverbindlicher.
Eine
Projektwochen ist eine Art Erlebnispark, die andere Perspektiven eröffnet.
Das war das Anliegen, das zu dem in der „Brieftaube“ eingerückten
Bericht mit Bildern von 1986 führte erarbeit vom leider viel zu früh
verstorbenen Kollegen Theo Weinobst.
Gymnasiasten gingen bei Brieftauben zu Schule
Bericht und Bilder von Theo Weinobst Die Brieftaube 103 (1986) Nr. 32
In
einer Projektwoche wurden die Schüler des Gymnasiums in Stolzenau
(Niedersachsen/Kreis Nienburg) mit einer Fülle von Themen bekannt
gemacht, die nicht mit dem üblichen Schulstoffzusammenhängen. Dabei
bot der Sportfreund Oberstudienrat Wolfgang Kirchner aus Raddestorf zehn
Schülern und Schülerinnen die Gelegenheit, sich in die Grundzüge von
Aufzucht, Pflege und Training seiner Brieftauben einführen zu lassen.
Dieses Angebot erregte Aufsehen über die Grenze der Schule hinaus. Wir
stellen diese Woche gerne vor, denn vielleicht beinhaltet sie für
manchen Sportfreund Anregungen, die nicht direkt mit den sonst bekannten
Vereinsaktivitäten zusammenhängen.
Einige
Referatthemen waren schon vor der Aktionswoche an die Schüler verteilt
worden. Hierbei ging es um die Themen: Geschichte der Brieftaube, Pflege
und Aufzucht der Tiere, Krankheiten und ihre Bekämpfung, Training und
Flugmethoden. Die Schüler informierten sich darüber aus
bereitgestellter Literatur und konnten später die gewonnenen
Erkenntnisse besser mit Faktenwissen aus dem direkten Umgang mit den
Tieren unter Anleitung ihres Lehrers ergänzen.
Der erste Tag diente ganz dem kennen lernen der für manche Schüler völlig
neuen Welt eines Taubenschlages. Sie hatten zu lernen, sich ruhig und
besonnen zu verhalten. Sie mussten die Grundsätze vom Aufbau der
Schlaganlage erfahren und durften beim Füttern erste direkte Kontakte
mit den Tieren aufnehmen. Überraschend schnell und einfühlsam wurde
aus den lebendigen jungen Menschen eine Schar von sensiblen
Tierfreunden.

010:
Die Zuchttauben beim Bad beobachten
Am zweiten
Tag wurden zunächst die Eindrücke des ersten in einem Gespräch
verarbeitet. Danach aber durfte jeder ein kleiner Fachmann sein, wenn er
sein angelesenes Spezialwissen den Mitschülern vorstellte. Stolz sprach
man dabei von der Zuchtmethode und der Witwermethode, erzählte von
„Pocken“ oder „Gelbem Knopf“, berichtete davon, welche berühmten
Feldherren der Vergangenheit per Brieftaube ihre Siege nach Hause
gemeldet hatten und nannte den oftmals staunenden Zuhörern die Zahlen
über Kilometerleistungen, die gute Brieftauben schon bewältigt hatten.
Ein besonderer Höhepunkt war am dritten Tag der Besuch des
Sportfreundes Günter Fessner, der viele Geschichten aus seiner über
25jährigen Erfahrung als Vorsitzender einer Reisevereinigung erzählen
konnte. Ebenfalls an diesem Tag absolvierten die Jungtauben aus dem
Schlag Kirchner einen ihrer ersten Trainingsflüge. Man fuhr mit dem
Auto an ein nahegelegenes Waldstück und sah staunend hinter dem nach
einigen Orientierungsschleifen zielbewusst abfliegenden Schwarm
hinterher.
009:
Gebannt verfolgen die Kinder den Flug des Schwarmes
Die bisher
durchgeführte Arbeit wurde am vierten Tag in Schaubilder umgesetzt.
Dabei fanden auch die Erkenntnisse Berücksichtigung, die man am davor
liegenden Wochenende außerhalb der sonst üblichen Schulzeit bei einem
Preisflug (Auflassort Passau) gewonnen hatte.

011: Die
Funktion einer Konstatieruhr wird erläutert
Am fünften
Tag gestaltete man einen Ausstellungsraum in der Schule. Natürlich auch
mit lebendem Anschauungsmaterial, das vorher liebevoll ausgesucht worden
war. Die Ausstellung sollte die Öffentlichkeit über die Arbeit der Schüler
informieren. Die traf sich dann auch in vorher nicht vorhersehbarer
Zahl. Züchterfreunde aus der Umgebung kamen, Eltern der teilnehmenden
Schüler und Mitschüler, die Lehrerkollegen des „Taubenvaters
Kirchner" kamen und die örtlichen Pressevertreter.
Insgesamt muss man dem Sportfreund Kirchner zu seiner Idee und zu seiner
daraus gewachsenen Tatkraft beglückwünschen. Auf diese Weise wird es
diesem Sport sicherlich gelingen, den Kontakt zur Jugend nicht zu
verlieren.
Taubenzüchter zu Besuch
Zusammensitzen, Erfahrungen austauschen,
Gemeinschaft pflegen, das gehört zu dem, was ich bei
Brieftaubenzüchtern unserer Region erfahren konnte.
Zunächst schloss ich mich der Uchter RV an, ein Zusammenschluss, der
einen Radius von über 40 km aufweist, der aber zunächst ein sehr stark
entwickeltes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelte.
Kristallisationspunkt war Günther Fessner, dessen humorvolle, teilweise
schelmenhafte und menschlich sehr faire Art die verschiedenen Typen
zusammenhielt. Er, der stetig hilfsbereite, engagierte Gartenbaumeister
war über 35 Jahre Vorsitzender der RV. Ihm verdankt diese
Reisegemeinschaft ungeheuer viel.

012:
Der Uchter Kern im September 1987 in Raddestorf: Links Günther Fessner (Uchte), Manfred Brinkmann
(Lohhof) Rechts Heinri Siemann (Lohhof), Heiner Rodenberg (Warmsen). Die
Frauen gehören natürlich mit zu der gemütlichen Runde.
... und irgendwie geht es mit Brieftauben weiter
Wie ich oben schon ausführte, der
„Taubenbazillus“ sitzt tief. Wer als junger Mensch schon die
Faszination Taubensport verinnerlicht hat, der wird es eigentlich nie
wieder richtig ablegen, ganz besonders dann nicht, wenn die eigenen
Bedingungen Taubenhaltung zulassen.
Natürlich jetzt nicht mehr etwa 100 Quadratmeter Taubenschlag mit zwei
Witwer-Abteilungen, Witwenschlägen mit Gummiböden, Jährigenstall,
Jungtier-Volieren und Zuchtschlag mit insgesamt bis zu 400 Tauben, nicht
mehr morgens und abends je zwei Stunden Stallreinigung, Fütterungssystem
mit vier verschiedenen Futtersorten, mit Medikamenten, Vitamin- und
anderen Präparaten, Vollzeitbelegung an Samstagen und Sonntagen –
nein, jetzt einfach Freude am Tier ohne schielen auf den Erfolg.
Aus den meisten Schlägen sind längst Trecker- und Materialgaragen bzw.
Büro- und Aufenthaltsraum geworden.
Die Tiere sind in den ehemaligen Volieren im Südwest-Teil
untergebracht, durch ein Dach nach oben, durch Wände nach drei Seiten
geschützt, aber Richtung Süd-Osten Wind und Wetter ausgesetzt. Einige
wenige Sitzregale, 14 Nistzellen, Strohhaltung und vor allem freier
Ausflug Tag und Nacht.
Die Verluste durch Greife sind deutlich zurückgegangen, selten gehen
Jungtiere verloren, meist dann, wenn sie sich durchziehenden
Reisetaubenschwärmen an den Wochenenden anschließen und der Rückweg
über ihre noch jungen Kräfte geht. Dennoch werden Brieftauben
gehalten, gezüchtet und auch privat bis 200km im Einzelflug
trainiert.
Halbjähriges Schlagsäubern, einmal tägliches Füttern mit deutlichem
Rückgang der Bedürfnisse während der Erntezeit, alle Tage
frisches Wasser, Baden im Ententeich, keine Vitamine, keine Medikamente
– und die Tiere strotzen vor Gesundheit.

035: Ein
vor Gesundheit strotzendes Exemplar aus der damaligen Meuleman-Gruppe
So ist es einfach schön, ihren Balzspiele, ihren dauerhaften
Flugformationen und ihrem Nistbetrieb zuzuschauen und zu entspannen.
Natürlich – da schlägt noch das alte Taubenzüchterherz – wird
sehr auf Qualität geachtet: vor allem der alte Stamm von Dieter Rieke (es
sind die alten Valere-Desmet-Matthijs), wird gepflegt und zum Frühjahr
nach langen Winterüberlegungen bewusst verpaart. Der Oktober ist der
Entscheidungsmonat: dann gilt es die ganze Bande wieder auf die
vorhandenen max. 20-30 Tiere zu reduzieren, manche Taube muss
geschlachtet werden, bei der eigentlich das Herz blutet – aber mehr
Platz ist nicht! Und gerade die dunklen Desmet-Matthijs faszinieren mich
- deshalb eine kurzer Rückblick auf diesen faszinieren Züchter, den
viele von den Jüngeren heute gar nicht mehr kennen:
Rückblick auf den Züchter Valere Desmet-Matthijs
Man muss schon lange in den alten Büchern kramen,
um noch Informationen über den damals sehr bekannten und bescheiden
gebliebenen belgischen Züchter zu bekommen.
Bei Erich Knesche wurde ich fündig. In seinem Buch "35 Schläge in
10 Ländern", das im Verlag Die Brieftaube 1966 veröffentlich
wurde, gibt es eine Reihe von Hinweisen über diese Ausnahmezüchter, der
nicht nur vor mehr als 50 Jahren so manches Züchterherz höher schlagen ließ und
dessen Tiere Zuchtpotential für Schläge bildete, die weit in die
achtziger und neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein
Erfolge aufwiesen.
Genau das sahen auch andere:
In der "Geschichte der belgischen Brieftaube" Band I von Jules
Gallez in Deutschland 1982 aufgelegt, befinden sich folgende Ausführung
zur Abstammung der Tiere: ...." Alle guten Tauben,
die in Belgien nach 1945 bekannt waren, wurden bei Desmet - Matthijs zum
Stammaufbau verwandt. Valere Desmet war ein feiner Kenner. Er holte sie
an den Brunnen, so wie z.B. am Anfang der Stammesgründung bei dem
weniger bekannten Theo Guilbert, aber auch bei Michel Nachtergaele. Bei
Verstraete, Balgerhoeke (via Vandenweghe, Olsene), bei Hector Desmet zu
Geraardsbergen, bei Oscar Devriendt in Moere und bei Roger Vereecke zu
St.-Lodewijk und noch bei einigen anderen auch"....
Aber was besagt diese Aussage schon: nach wenigen Generationen hat der
wirklich begabte und erfolgreiche Züchter daraus einen eigenständigen
und für ihn typischen Familienstamm gezüchtet, der unverwechselbare,
eigene Nachzucht hervorbringt, und der die Anfangserfolge auf die
individuelle Weise fortzusetzen vermag. Viele tausend Beispiele gibt es
hierfür gerade im Brieftaubensport.
Gallez weiter: "Valere züchtete die schnellste Mittelstreckentaube bis 400 Km, von der
er überzeugt war, dass sie die zurücklegende Strecke im Schlaf kannten.
Und nach dem Übergang zur Weitstrecke bzw. zur großen Weitstrecke,
gewannen diese Tauben und ihre Nachkommen erste Preise bei den
provinzialen, interprovinzialen und nationalen Wettflügen von 630 bis
1075 Km. Valere Desmet züchtete die wahre „Allround-Taube". Die
moderne Taube, die in der Lage ist, Spitzenpreise auf allen Entfernungen
zu erringen."
Der genannte Autor fügt einige Abstammungen bei, die diese Aussagen bekräftigen
(s. unten bei den Bildern).
In wie vielen Ausnahmetauben in unserer Zeit befinden
sich noch die Gene dieser Tiere, die nicht mehr nachvollzogen werden,
weil die Spalten der Abstammungstafeln nicht ausreichen und weil es
eventuell nicht mehr „In“ ist, sich dieser Bezüge zu erinnern.
Der oben zitierte Knesche überschreibt sein Kapitel schlicht mit “Valere
Desmet-Matthijs, Nokere, Wandelstr. 247, Ostflandern“. Aus diesem Buch
einige Auszüge und Erinnerungen.
Der Doppelname rührt daher, dass
Valere Desmet zunächst mit seinem Schwager Matthijs eine
Schlaggemeinschaft gebildet hatte, die nicht zu lange hielt, aber den
Taubenzüchter veranlasste diese Bezeichnung für seine Tauben auch weiterhin
zu verwenden. Auch dann noch, als er längst mit seinem Sohn Roger ein
Taubensportteam bildete: es war ja auch schließlich der Mädchenname
seiner Frau, die hingebungsvoll bei der Schlagarbeit half.
015:
Vater und Sohn Roger, zwei unzertrennliche Taubenzüchter.
(Knesche)
Die Desmets
sind einfache, unkomplizierte Menschen, bescheiden und wahr. Das bemerkt
man sehr bald. Schon nach kurzer Unterhaltung weiß man, mit wem man es
zu tun hat. Ich war zum ersten Mal bei ihnen. Da wurde nicht lange
gefragt, ob man Hunger habe. Frau Desmet stellte einfach Brot, Butter,
Kaffee auf den Tisch und die Unterhaltung konnte beginnen, sagte Knesche
014:
Der „Oude Klare“ mit 70 Gewinnen in 5 Jahren. Er hat in seinem Leben
genau 489.499,–bfrs gewonnen, das sind runde 40 000 DM. Er ist der
Stammvater des Bestandes. Sehen sie mal Vater Desmet an, mit welcher
Liebe er auf seinen „Klaren“ schaut. Zum letzten Male hat der
„Klare“, als er 17 Jahre alt war, noch drei Jungtiere aufgezogen.
Jetzt bekommt er das Gnadenbrot und er lebte 1966 noch immer.
(Knesche)

033:
Stammbaum vom Ouden Klaren (nach Jules Gallez)
Und weiter
urteilt er: Die Desmet-Tauben sind mittelgroß und mit einem
seidenweichen Gefieder ausgestattet. Die Körnung der Augen geht von
Bronze bis zu Glas.
Desmet versteigert ab und zu Tauben, zumeist die 1. Zucht und die 2.
Runde behält er für sich. Rote und Fahle sind nicht auf den Schlägen,
alles ist blau, gehämmert, dunkelgehämmert oder dunkel. Die Desmets sind keine
großen Tauben, sie sind, sagen wir „schön mittelgroß“.
Die Schläge beherbergen zur Zeit meines Besuches )ca. 1965) zusammen 146 Tauben.
Es sind 43 Witwer mit ihren Weibchen und meist ca. 20 Zuchtpaare bei
Desmet. Das ist auch sonst der Bestand, den die beiden Züchter, Vater
und Sohn, zumeist haben.
Die Tiere sind für Kreuzungen sehr geeignet. Die Tiere fliegen auf den
kurzen Abständen ihre Spitzenpreise und sie tun es auf 700, 800 und
mehr km ebenfalls. ... Die Desmet-Tauben sind wirkliche Allround-Tauben.
Für mich war der Besuch sehr interessant.
016:
Das ist der „Kapoen“. Als Jungtaube flog er 600 km.
(Knesche)

026:
Stammbaum Kapoen (nach Jules Gallez)
017:
Der „Prinz“. Ein As der Weitstrecke. Schön ist er nicht was die
Kopfform betrifft, aber gut im Kopf.
(Knesche)
018:
Die „Genaaide von 1954".
(Knesche)

027:
Stammbau der Genaaiden (nach Jules Gallez)
019:
„Der junge
Klare“. Vom „Klaren" stammen alle Tauben ab. Dieser Wundervogel
ist im Stammbaum wohl jeder Taube in Nokere vertreten. So gut zu reisen
und so gut zu vererben, das gibt es leider nicht oft.
(Knesche)


031/032:
Notekraker (nach Jules Gallez))
020:
Der „Jonge Limoges“. Auch er hat sich auf den weiten Flügen tapfer
geschlagen.
(Knesche)
Knesche endet
seinen Bericht mit einem wundervollen Kompliment: "Ich brauche auf Desmet und auf seine Tauben
kein Loblied singen. Das wäre ganz unnötig. Die Tauben heimsen selbst
genug Anerkennung ein, indem sie auf allen Strecken hervorragend
fliegen. Auf meiner ganzen Reise bin ich nicht zu einem einzigen Züchter
gekommen, wo ich enttäuscht weggegangen wäre. Ich habe mir nach jedem
Besuche sagen können: „Gut, dass ich da war und gut, dass ich den
Mann nicht ausgelassen habe.“ ... Aber Desmet ist ein Züchter, der
auch von seinen Konkurrenten geachtet wird und ... sollte ich die Reise
nochmals machen müssen, so würde ich Desmet unbedingt wieder besuchen,
um über ihn und seine Tauben recht viel ... erfahren zu können."

022:
Eine originale Roger Desmet-Matthijs-Taube aus dem Jahre 2003 im Internet, die in Ungarn
ihre Heimat gefunden hat (racingpigeons.hit.bg). Unterscheidet sie
sich äußerlich wirklich deutlich von ihren berühmten Vorgängern?
Die Linie über Schleicher und Huth zu Dieter Rieke,
Neuenknick
Wenige Jahre später, als Erich Knesche seinen Taubenbericht verfasst hat,
15 Jahre später muss auch der nach Rinteln verzogene Herbert Schleicher
in Nokere angeklopft haben.
Doch der Reihe nach: in Rinteln zur damaligen Zeit, es müssen wohl die
auslaufenden sechziger/anfänglichen siebziger Jahre gewesen sein, gab es einen sehr tüchtigen
Städtischen Direktor und hochpassionierten Brieftaubenzüchter, der die Idee hatte, aus dem
eher verschlafenen niedersächsischen Provinzstädtchen ein Tauben-Mekka
zu machen. 
021:
Rinteln, eine niedersächsische Stadt im Weser-Tal, wird im Süden von den Höhen des lippischen Berglandes, im Norden vom Wesergebirge und im Osten vom Süntel sowie den Fischbecker Bergen eingebettet. Die ehemalige Universitätsstadt (1621–1806) gehört landschaftlich zum Naturpark Weserbergland Schaumburg-Hameln.
Hier fanden sich bald viele Taubenzüchter unter den Neusiedlern.
(Wikipedia) Wilhelm Wulfmeyer bot in seiner
Stadt erfolgreichen und auch nahe dem Ruhestand stehenden Taubenzüchtern
privilegierte und preisgünstige Grundstücke, auf denen sie für ihren
Lebensabend geruhsam ihrem geliebten Hobby nachgehen konnten (Motto:
"No trouble in case of keeping pigeons") und
zugleich der Stadtentwicklung nutzten, als sie sich als respektable neue
Steuerbürger erwiesen. 
044:
Der Städtische Direktor Wulfmeier hatte viele Kontakte zu den
berühmtesten Taubenzüchtern Deutschland, Hollands, Belgiens und vor
allem zu solchen in Übersee. hier mit den Brüdern aus Arendonk Schleicher, der durch einen Unfall früh zum Invaliden gewordene
Dachdecker aus Hamburg war der eine im Jahre 1973 , Rolf Huth - ebenfalls aus Hamburg - ein weiterer. Über
Huth wusste Wulfmeier zu erzählen, dass er früher
Massengeflügelhalter in der Nähe Hamburgs war, der seine Besitzungen
verkaufte und den Beruf aufgegeben hatte. Er verließ Rinteln wieder, als
seine Frau verstorben war.
Huth und Schleicher wohnten nur wenige Häuser auseinander, ihre
ursprüngliche Freundschaft endete bald - war es die Konkurrenz
der verkaufenden Taubenzüchter? In jedem Falle schien Roger
Desmet-Matthijs mehr Beziehungen zu Huth aufgebaut zu haben, denn er
nächtigte immer bei ihm, wenn er mit seinem gasgetriebenen Auto nach
Rinteln kam.
Leider konnte mir hier niemand mehr sagen, wer alles noch zu den
taubenzüchtenden Neusiedlern gehörte. Erst ein
Gespräch mit dem inzwischen 87jährigen Wulfmeier im Januar 2010
erbrachte, dass es neben Schleicher und Huth weitere über 50
Brieftaubenzüchter waren , die nach Rinteln gelockt wurde: vor allem
aus Hamburg, aus Berlin und dem Ruhrgebiet, ja sogar aus Friedland (nahe
Helmstedt) kamen Neusiedler, Arbeitskräfte und auch Taubenliebhaber,
Frührenter und Rentner, zahlreiche Angestellte im Rathaus waren diesem Hobby verbunden. Mit dem
Ausbau der Stadtsiedelung und der Infrastruktur kam zugleich der
wirtschaftliche Aufschwung für Rinteln, ein großes Verdienst des
höchsten Stadtbeamten.
Zurück zu Schleicher: hier in der Gegend erzählt man sich die
Geschichte, er habe nach dem Bezug seines Hauses gemeinsam mit seiner
Frau den Kauf einer anspruchsvollen, neuen Küche vereinbart, aber
anlässlich einer Belgien-Fahrt spontan beschlossen, die für diese Zeit
nicht unerhebliche Summe in Tauben von Valere Desmet-Matthijs, Janssen
und Gondelars und anderer belgischen Sterne zu
investieren. Jedenfalls saßen plötzlich in Rinteln
Tauben aus sagenhaften Linien. (Man stelle sich die Situation heute
einmal mit unseren emanzipationsinfizierten Frauen vor ! ....).
Wilhelm Wulfmeyer ergänzte die nette Anekdote:
Schleicher war zwar mit Frau, aber auch mit seiner unverheirateten Schwester
gekommen, die ein gewisses Vermögen mit dem Verkauf von Blumen auf dem
Fischmarkt von Hamburg gemacht hatte. Insgesamt sollen mehr als
250.000 Dollar in die Brieftauben-Neukäufe aus Belgien und
Holland investiert worden sein.
Zusätzlich hatte Schleicher vorher in einer großen Aktion sein gesamtes
Taubenmaterial aus Hamburger Zeiten verkauft.

041:
Das Wohn - Taubenhaus von Schleicher, das das Zusammenleben von
Menschen und Brieftauben zu einer Symbiose werden ließ. Die von den finanziellen Erfolgen des
Bruders begeisterte Schwester habe, so der Stadtdirektor, den nach
Belgien reisenden Bruder immer mit zusätzlichen Geldscheinen und dem
Rat versehen: "Kauf nur die Besten!" ... 
042:
Hier Schleicher - wie ein schüchterner Reisender, der gerade ein
Jungtier aus dem 019 erworben hatte und es stolz am Brunnen des
Innenhofs von Schoolstrat 1 präsentiert
Denke Sie bitte nicht, ich habe diese Tiere gesehen, Herrn Schleicher
habe ich nie kennen gelernt. Aber auch der sehr viel vorsichtiger
kalkulierende Rolf Huth hatte plötzlich Tauben aus den Zuchtassen von
Nokere und Arendonk, die ich bei ihm in die Hand nehmen durfte, weil sein Neffe
damals ein Kollege am Gymnasium Stolzenau war. 
043:
Nochmals Schleicher zusammen mit den Brüdern, es war wohl Anfang der
80er Jahre. Im Hintergrund Wulfmeier, ein weiterer Teilnehmer der
Reisegruppe. Ende der 70er, Anfang der achtziger Jahre war
dann Dieter Rieke einer der vielen Kunden bei Schleicher, und obwohl er
bereits im Jahre 1982 mit diesen Tauben zu Deutschen Meisterehren kam,
hielt sich Anhänglichkeit Schleichers zu seinen belgischen und
holländischen Super-Tauben in Grenzen. Es
war wohl die Zeit, als die Preise für vor allem die
Janssen-Nachzuchttauben allmählich verfielen (die selbstverständliche
Summe von etwa 350.-DM pro Jungtier aus Originalen wurde nicht mehr
immer gezahlt). Kurzum verkaufte nach Angaben Wulfmeiers alle
Neuerwerbungen als 1981 mit dem Namen Imbrecht ein neuer Stern am
Taubenhimmel zu strahlen begann. 
045:
Die Liebe zum Tier war wohl mehr von geschäftlichen Interessen bestimmt
- anders als dieses Foto glauben machen will. Die Taubenzahlen
Schleichers stiegen jetzt beständig, sodass er nach dem Tode seiner Frau und seiner
Schwester Herrn Wulfmeier um Hilfe bei einem großen Verkauf bat, der
aus verschiedenen Gründen nicht in geplanter Form stattfand - die Aufzeichnungen Wulfmeiers zeigten, dass zu diesem Zeitpunkt keine
originale Desmet-Matthijs oder Janssen-Taube unter den Dachbalken
angesiedelt war. Schleichers zweite Ehefrau verkaufte nach dessen Tod
den Rest der Tiere. Bis auf die ersten ein/zwei Jahre hat Schleicher an
Preisflügen in Rinteln nicht teilgenommen, aber Ringe aus drei
Rintelner Vereinen bezogen (Wulfmeier).
Dieter Rieke, einer der wenigen "Brieftaubenversteher",
den ich in meinem Leben kennen gelernt habe, holte sich ab 1977/1978 bei
Schleicher vor allem die "Desmet-Matthijs" und begründete mit ihnen
und einigen wenigen Janssen-Tauben seinen kometenhaften regionalen und
bald auch bundesweit gewürdigten Erfolg.
Rieke selbst war viel zu bescheiden, um aus seinen Tieren das damals
schon mögliche Geschäft zu machen, aber die überragenden Leistungen
zeigten sich beispielsweise darin, dass seine batteriebetriebene,
brandneue Benzing Paloma (das letzte Modell vor der
Computer-Revolution) nach einem Bombenflug während des Transportes zur
Uhrenstelle durch einen "Sportsfreund" plötzlich stehen
blieb. Die Meisterschaft dieses Jahres war futsch!
Rieke war auch einer der wenigen Taubenzüchter, der es verstand,
Familie und Sport eng miteinander zu verknüpfen. Er musste es auch. Als Ingenieur
für Gleisreparaturen bei der Bundesbahn konnte er oft mehrer Tage nicht
zu Hause sein . Seine Frau Christa reinigte, fütterte, überwachte
täglich den Ausflug der Tiere und seine damals kleinen
Töchter durften schon sehr früh die Jungtiere in ihren Nistschalen
durch den Garten tragen. Die dabei gebildeten engen Beziehungen und
das Urvertrauen, zeigten sich beispielgebend an folgender selbst
erlebter Anekdote: nach einem sehr schweren Weitstreckenflug konnte die
jüngere Tochter die total ermattete Taube vom Ausflugbrett nehmen,
während der Vater innen vergeblich lockte, um den Gummiring in die Uhr
zu drehen.
Seine Töchter kannten und durchschauten auch die (sehr erfolgreichen)
Zuchtexperimente des Vaters, der - von der Qualität der Tauben
überzeugt - in enger Linien- und Familienzucht die Leistungen der Vorfahren
zu erhalten trachtete. Die kleinere sagte mir einmal, sie wundere sich,
dass die Tauben noch keine Schwimmhäute ausgebildet hätten.
Welche Tauben und Linien hat sich Dieter Rieke damals und in der
Folgezeit bei Schleicher geholt, welche anderen Züchter trugen zur
Verstärkung des Bestandes bei? Die in meinem Besitz befindlichen
Abstammungskarten aus den 80er Jahren geben bereitwillig Auskunft, zumal
ich als Glückskind damals aus fast allen seinen Besten Nachzucht
erhalten konnte.
Am Anfang stand für den Neuenknicker der Glücksgriff!
Ob Dieter Rieke 1978 einige "goldene Eier" von Schleicher
erhielt, oder ob er seine Ringe beim Züchter ablieferte, um die Tiere
schicken anonym vom Züchter schicken zu können, weiß keiner mehr. In jedem Falle trugen die ersten Tauben
aus Rinteln seine Vereinsnummer 9631.
Hierzu gehörten der 55, die beiden Nestschwestern 59 und 60 und
wahrscheinlich noch andere, die später in den Abstammungslisten nicht
mehr auftauchten. Aus den genannten dreien schälte sich vor allem das
Superzuchtpaar 55/60 heraus, dessen Blut in fast allen überragenden
Reisetauben Riekes fließen sollte. Und dabei handelte es sich eher um
eine vorsichtige Investition, denn die Tiere stammten aus
Nachzuchttauben von Schleichers Originalen.
Auch bei der bereits vorher oder nachher getätigten Investition, bewies
der Züchter aus Neuenknick ein goldenes Händchen: aus der 77/0712
(Desmest-Matthijs) und dem reinen Jannsen-Vogel 77/0793 (Linie des Ouden
Witooger) wurde 1979 der super Reise- und Zuchtvogel 79/229 gezogen mit
seinen 73 Preisen und dem Attribut 1. As-Vogel auf Bundesebene.
Und so wurde weiter bei Schleicher gekauft und der Käufer dort immer
beliebter, weil er ein hervorragender Werbeträger war ...
Aber was saßen dort auch an Tieren vornehmster Herkunft: Söhne und
Töchter, Enkel und Enkeltöchter vom Jongen Klaren, Kapoen, Gendarm,
Mannix, Sproeten, Jongen Ballon, Angoûlème, Jongen Limoges, Orléans,
Gebroken Slag, Einweißfeder und viele andere mehr.
Die Erfolge Riekes waren beeindruckend. Natürlich wurden auch bei
anderen Züchtern Tiere erworben oder getauscht. Ich erinnere mich noch
an das Theo-Fetz-Weibchen, eine eng gezogene Tochter aus dem Nestbruder
der 77/0712, der Mutter des 229, oder das das Janssen-Blut führende
Schwalenberg-Weibchen, Linie Witoger 65. Immer aber wurde sehr genau auf die Ergänzung
der vorhandenen Blutlinien geachtet. 
030:
So sahen sie aus, die Abstammungskarten, die Dieter Rieke seinen Tauben
mitgab
Und es beeindruckt vor allem, dass die Tiere so nerven- und vererbungsstark waren,
bald schon war eine eigene Handschrift des meisterlichen Züchters aus
Neuenknick zu erkennen, eng mit dem Reise-Erfolg verknüpft. Leider hat
ihn sein früher Tod mitten aus dem geliebten Hobby gerissen. Rein gezogenen "Rieke" in Raddestorf Von
ihm kamen die Tauben nach Raddestorf, besonders in den achtziger und zu
Beginn der 90er Jahre, leider beendete sein Tod 1993 diese
fruchtbare Hilfe abrupt.
Aber sie sitzen noch hier, die Enkel und Urenkel der Athleten aus
Neuenknick, und werden gepflegt wie ein Augapfel, besonders die Dunklen
und Dunkelgehämmerten mit dem seidenweichen Gefieder, den feurigen,
vielgekörnten Augen. Es sind alle - wie Piet de Weerd sagen würde
"ungeheure Kämpfer in der Hand". Auch mit seiner Bewertung
stimme ich überein, wenn er sagt "...Sie wissen, dass ich solche
für mein Leben gern habe." (P. de Weerd, Die besten Tauben und
Züchter der Welt. 1983) 
036:
Die luftige Zucht-Voliere im Mai 2009
Meine Nachzuchttiere werden noch immer nach ihrem Heimfindevermögen
sortiert, obwohl ich den aktiven Taubensport aufgegeben habe: Jede Taube
muss in ihrem ersten Lebensjahr nach einigen, kürzeren Trainingstouren
im Schwarm und mindestens ein Mal allein den Weg von
Melsungen nach Raddestorf finden. Damit finden die
Verwandtschaftsbesuche im etwa 230 km entfernten Nordhessen eine weitere Sinngebung und zusätzlich
lassen sich sich sinnvolle Rückschlüsse in Bezug auf die Elterntiere
ziehen. 
037:
Die getrennten Vögel nach der ersten Zucht
Nur noch wenige Paare (etwa 16 Tauben) dürfen jährlich für Nachwuchs
sorgen, der dann zum Jahresschluss abgegeben, gespendet oder geschlachtet
wird.
Gesundheitsvorsorge findet nicht mehr statt, die Jungtauben haben
täglichen Freiflug und bleiben oder gehen.
Aber ich habe sie noch, "Meine Rieke"...
Und so sehen sie aus, die hoch geschätzten Dunklen und
Dunkelgehämmerten der Linien von Desmet-Matthijs, wie sie auch Dieter
Rieke gemocht hatte, weil er mit Tieren dieses Schlages bis zur
Deutschen Meisterschaft gekommen war. Natürlich waren auch
Blaue, Gehämmerte und Schecken, die ihm halfen - aber ich glaube, er
mochte genau wie ich, besonders die ausdrucksvollen Persönlichkeiten
mit dem eher dunklen Federkleid.
Wann immer es ihm in der Anfangszeit
möglich war, holte er sich bei Herrn Schleicher diese Typen, sei es als
Nachzuchttiere oder direkt aus den dort sitzenden Originalen aus Nokere.
Einige wenige der Raddestorfer Rieke-Kolonie möchte ich hier
präsentieren, um zu verdeutlichen, warum ich diese Tauben weiter habe,
obwohl ich nicht mehr am Reisen teilnehme. 
038:
Der Odin, Urenkel aus dem 590 und der 60, wobei sein Großvater, der
90/299 das Produkt einer gewollten sehr engen Familienzucht war 
039:
Die Poesie, eine Enkelin der 88/666, die direkt aus dem Wunderpaar 55-60
abstammte Ich höre die Bedenken-Träger schon sagen,
"sagt nichts, er schickt nicht mehr". Immerhin werden in Raddestorf die
Tauben trainiert. Mein Vater sagte mir einmal, nachdem er mir eine sehr
eng gezogene Täubin aus seinen erfolgreichsten Reisetauben mitgab.
"Trainiere sie ein paar Mal, dann weißt Du, dass es zumindest mit
Orientierungsinstinkten stimmt".
Das Tier, das noch direkt aus dem 1993 erworbenen Vogel 3151/90-299 -eine Taube die ich nie hätte bekommen können,
wenn Dieter nicht gestorben wäre, (es war die berühmte
Linie 590x60, Vater also 3. As-Vogel Weitstrecke mal eigene Mutter, züchtet hoffentlich
noch zwei/drei Jahre in Raddestorf: 
040:
Der Kardinal (00-319) stammt mütterlicherseits aus der Federfuß-Linie
mit einem kleinen Schuss Blut vom 79/229, 1. As-Vogel 1984, der eine
Janssen-Desmet-M.-Mischung war. Ab März 2010 züchten
in vier Volieren die vorgestellten Rieke-Nachzuchttauben, wobei ich das
Glück hatte, vom Sportfreund Schäkel in Neuenknick einen zusätzlichen
Vogel, Sohn aus dem bekannten 211 für einige Zeit ausleihen durfte. Er
ist schon 11 Jahre macht aber noch einen sehr dynamischen Eindruck und
sitzt mit meiner besten Täubin, der Aphrodite (02/009) allein in einer
gesonderten Voliere. Vielleicht habe ich Glück und kann Jungtauben aus
diesem Paar erhalten. 
046:
Der ringlose, wunderschöne Zuchtvogel, dem ich den Namen "Schäkel
99" gegeben habe, ein Sohn vom 3151/86-211 
050:
Das Paar, bei dem zu Ostern das 2. Ei fällt Zusätzlich
erfuhr ich, dass sich Willi Jacke in Windheim aus gesundheitlichen
Gründen vom aktiven Reisesport verabschiedet hatte und seine Bestände
radikal verkürzen wollte. Dort erwarb ich Janssen-Nachzuchttauben von
Bollmeier und Kalle Dreyer und auch Tiere, die Jacke von Spfr. Ruhe nach
dessen Schlagaufgabe erwarb, alles Tauben von Meier, Rahden, beringt mit
Ruhe-Ringen.
Mit diesen Ergänzungen wollen wir sehr sorgfältig umgehen, und sie
gegebenenfalls vorsichtig in die Rieke Linien einkreuzen.
Für einen Zucht-Erfolg des nachfolgenden schon sehr alten Paares habe ich
Willy ein Stück Rehwild versprochen... 
047:
Der Kanzler, eine Tauben aus dem Jahre 1999 ... 
048:
... und sein Weibchen aus 2001, die "Comtesse", die sich noch
direkt auf die Janssen-Tauben von Cichosz zurückführen lässt.
Mal sehen, was das Zuchtjahr 2010 bringt.
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