Tiere am Hof 

 

Taubenhaltung
Brieftauben 
  Zucht in Raddestorf

Zusammenstellung
kirchner-raddestorf

 

Schlaganlagen ab 1987 im Mai 2009

*

 

 

Die vorliegende Sammlung gilt zunächst als Zusammenstellung von Fakten, die innere Logik ist noch nicht stringent, Ordnungsfaktoren und Abgrenzungen zu den anderen historischen Etappen und Themen werden laufend überarbeitet. Dateibeginn 6/2006, Bezugsordner welt/afrika/sammel

 

Inhaltsverzeichnis

Ein Bazillus entwickelt sich
Die Anfänge in Kassel-Bettenhausen
Bestandsentwicklung und Verkauf
Brieftauben in Raddestorf
Erste Erkenntnisse und Erfahrungen
Projekte zum Thema Taubensport Ende der 80er Jahre
Taubenzüchter zu Besuch
... und irgendwie geht es mit Brieftauben weiter
Rückblick auf den Züchter Valere Desmet-Matthijs
Die Linie über Schleicher und Huth zu Dieter Rieke, Neuenknick
Die rein gezogenen "Rieke" in Raddestorf


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Bazillus entwickelt sich

Die Anfänge in Kassel-Bettenhausen

Seit dem ich denken kann hatte mein Vater, Willi Kirchner, Kassel Brieftauben und betrieb diesen Sport mit einer großen Leidenschaft und Intensität, aber auch mit viel Erfolg.
Im Kriege hatte die Familie durch die Luftangriffe auf Kassel das Haus mit dem Geschäft verloren und er machte sich schon bald nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft daran, auf einem gepachteten Grundstück gegenüber dem Bahnhof Bettenhausen ein neues Domizil aufzubauen. Im vorderen Teil des einstöckigen, langgestreckten Gebäudes befanden sich Geschäfts- und Arbeitsräume für ein geräumiges Eis-Café. Daran schlossen sich zwei Wohneinheiten an, die von meinen Eltern und meinen Großeltern bewohnt wurden. Das Grundstück schloss nach zwei Seiten mit Parks ab und hatte im straßenabgewandten Teil ein riesiges, allmählich zuwucherndes Trümmergrundstück, idealer Spielplatz für Heranwachsende.
Natürlich war der gesamte Dachboden für die Taubenschläge ausgebucht.
Sonntag für Sonntag an mindestens 17 Wochen im Jahr kamen die kleinen Rennpferde der Lüfte von ihren Auflassorten zurück und der ganze Ehrgeiz bestand darin, durch schnelles Eindrehen der mitgeführten Gummiringe in eine manipulationssichere Spezialuhr den Nachweis dafür zu erbringen, dass wir über hervorragende Tiere verfügten. Mich interessierten damals noch nicht so sehr Preise, Pokale und Urkunden, ich fand es gut, eine schöne bunte Taube als Eigen zu haben, auf die mein Vater wegen ihrer Leistungen stolz war.

001: Die  erste Lieblingstaube - ein weißer Vogel

Großvater und Vater warteten gespannt auf die Tauben, die einmal im Jahr sogar im 800 km entfernten Marseille aufgelassen wurden. Der Sohn war ihnen lieb und wert, aber der Blick galt dem Dach.

002: Die Tiere aus Marseille werden von drei Generationen Kirchners erwartet

034: ...und natürlich half der "Juniorpartner" beim Füttern (Bilder aus 1950)

Und der Erfolg stellte sich ein – trotz des Umzuges von der Leipziger Straße in den Eckenstücker Weg, trotz mancher Rückschläge, wie der folgende Bericht meines Vaters aus einem Versteigerungskatalog wahrscheinlich aus dem Jahre 1976 zeigt:

Bestandsentwicklung und Verkauf

Auszüge aus dem Katalog 1976

003: Deckblatt des Katalogs 1976

Nachdem im Winter 64/65 der bisherige erfolgreiche Bestand an Paratyphus erkrankte, wurde alles getötet, was krank oder gefährdet war.
Ein Neubeginn stand an.
Es wurde von 65 – 67 die so vererbungsstarken Stichelbouts/Desmet über Herrn Fulgoni, Sundern, insgesamt 11 Stück, eingeführt.
Dass hiermit ein guter Griff getan wurde, erwies sich sehr bald. Insbesondre das Weibchen 06894-65-173, der Voge167 - 49 u. der Vogel 67-1026 waren wunderbare Vererber. Schon die direkte Nachzucht zeigte sich hervorragend und sie vererbten ihre guten Eigenschaften weiter.
Hinzu kamen in 67 - 68 die Delbars über Goschala, eine Taubenfamilie der Sonderklasse. Hieraus schälten sich als die stärksten Vererber die Tauben 05344-67-152, 67-145 u. 67-8 heraus. Das Weibchen Nr. 8, in 72 erworben, brachte mit dem Vogel 145 fast nur Sieger. Zur Festigung des guten Blutes wurde 73 bei Delbar nochmals eingekauft. B 73 -4675217, ein Sohn v. Hengst, B 73- 4675233, ein Enkel vom Barcelona und das Weibchen B 73- 4675195, eine Enkelin v. Nr. 1 u. Barcelona. Auch diese 3 Tiere haben ihre Vererbungskraft unter Beweis gestellt.
Anlässlich eines Urlaubs in Belgien nützte ich die seit Jahren bestehende Bekanntschaft zu den Gebr. Janssen in Arendonk. Gleich die erste Taube, ein 8 altes Jungtier, der V. B 68- 6741234 wurde ein Volltreffer, seine Söhne u. Enkel liefern Spitzenpreise und vererben das „mordant”, bis heute sind 8 Tauben von Arendonk nach Kassel zu mir gekommen und ich habe noch keinen Tag diese Ankäufe zu reuen brauchen.
Wer die echten Janssen-Tauben kennt, der weiß um ihre enorme Vererbungskraft, der weiß aber auch, wie schwer sie zu erwerben sind und kennt die Preise.
Jedoch, die Erfolge rechtfertigen die Investitionen und so mancher gute Ratschlag wanderte unentgeltlich mit von Arendonk nach Kassel.
Zu jeder Anschaffung, gleichgültig von welchem Erfolgsschlag, gehört das nötige Quäntchen Glück. Wenn zu guten und vererbungsstarken Tauben ein gesunder Schlag und der Wille zur optimalen Pflege kommt, dann kann der Erfolg nicht ausbleiben.
Über die Zuchtwege zum Erfolg kann man diskutieren, es gibt mehrere Möglichkeiten. Ich halte jedoch viel von einer Verwandtschaftszucht auf der Grundlage der Reiseleistung und habe die Erfahrung gemacht, dass ein Inzuchttier mit überragenden Leistungen immer ein gutes Zuchttier ist. Und deshalb wird mein Zuchtweg immer zur Inzucht tendieren. 
Hier einige Bilder aus dem Verkaufskatalog:

004: Der erste originale Janssen, als Ei gekauft

Dieser Vogel stammte aus zwei originalen Janssen und wurde als Ei gekauft. Zu der Zeit legte man noch nicht so viel Wert auf Papiere und Abstammung der kleinen Gebrüder aus Arendonk, dennoch waren die damals gezahlten 300,00 DM eine gelungene Investition und nach ihm folgten noch viele andere Tiere von diesem Kurzstreckenschlag aus Belgien.

005: Ein typischer Delbar vom Züchter Goschala

Eine Goschala/Delbar-Mischung, die nicht nur hervorragende Reiseerfolge, sondern auch ausgezeichnete Nachwuchstalente hervorbrachte.

006: Einer der Spitzenflieger mit über 50 Preisen

 

Rein gezogener Janssen aus dem 618 mit über 50 Preisen, darunter viele Spitzenpreise.

007: Der berühmte 596, ein rein gezogenes Tier aus der Fulgoni-Linie

Stichelbaut-Vogel , Nachzuchttaube Fulgoni mit 59 Lebenszeit-Preisen, dieses Tier kam im hohen Alter noch nach Raddestorf und wurde hier bis an sein Ende treulich gepflegt.
Mit vielen Züchtern hatte sich Vater nicht photographieren lassen, aber mit den Gebrüdern Jannsen war der Photo-Termin Pflichtsache, um den Nachweis zu erbringen, dass nur diese guten Kontakte es ermöglicht hatten, über 30 Zuchttauben aus den Schlägen dieser Ausnahmezüchter käuflich erworben zu haben. Preise bis zu 5.000,00 DM aus den Ausnahmetauben wie Alter und Junger Merkx, wie Geelooger, Witooger 019 und anderen Vererbern waren nicht ungewöhnlich, man bedenke: man schrieb die 80er Jahre...

 

008: Gute Kontakte mit den Mannekes aus Arendonk

Leider verstarb mein Vater sehr früh, sodass die für mich wertvolle Quelle und der gute Rat für immer verloren gingen.

028: So präsentierten sich die Janssens auf einem Hochglanzphoto von 1976 (hier leider nur eine schlichte Kopie)

023: Die Taubenzüchter aus der Schoolstraat.  Jeff, die treusorgende Schwester Irma, Adriaan der geistige Kopf der Brüder, Louis, Charel und Vic (Bild u.a. im Buch von Schaerleckens, Gebr. Janssen, 1984)

024: Ein weiteres zauberhaftes Bild der beiden verbliebenen Brüder Louis und Charel aus dem Jahre 1986. Es ist mit folgendem Text unterlegt  "The most renown pigeon fanciers in the world: the Janssen brothers check upon the son of 019 one last time before it leaves their loft with Henk Simonsz.." [sdwierstra.nl]

025: Und das waren sie, die berühmten DIA-A-6 großen Abstammungskärtchen, überall in der Welt zu finden, inzwischen bereits historisches Dokument.

Brieftauben in Raddestorf

Der Taubenbazillus hatte mich ergriffen. Trotz jahrelanger Abstinenz in der Studienzeit und Aufenthalts in Bremen. 
Kaum waren in Raddestorf die ersten Schwierigkeiten überwunden, kaum stand der Anbau, - der eigentlich eine Sauna werden sollte, aber nie eine wurde - da fand sich schon ein Raumteil, der abtrennbar, hell und mit einem Ausflug versehen werden konnte.
Und dabei fing alles doch so harmlos an: da brachte man mir eine verunglückte Ziertaube, deren Beine geschient werden mussten ...
Wer kann einem Tier, das die Pflege mit Treue zum neuen Schlag belohnte, den Partner verwehren?
Bald gesellten sich zu diesem Pärchen auch verirrte Brieftauben, die gesund gepflegt wieder abzogen oder hier blieben.
Der Sohn eines Nachbarn, damals etwa 8 Jahre alt war, pflegte und fütterte hingebungsvoll die Tiere unter den Woche während ich in Bremen meinen Dienstpflichten nachkam, sodass ich an den Wochenenden und in der Urlaubszeit den Kontakt zu den Tieren genießen konnte.
Und so dauerte es nicht lange, dass ich mich bei dem Taubenverein Uchte anmeldete und in Kassel vorstellig wurde.

Erste Erkenntnisse und Erfahrungen

Wenn schon denn schon – das dachte wohl mein Vater und brachte mir nach entsprechender Schlagerweiterung auf dem Dachboden Körbeweise Jungtiere aus seinen besten Zucht- und Reisetauben nach Raddestorf.

Stolz wurde mit Hilfe einer begabten Schülerin das Logo entworfen:

013: Briefkopflogo für das Projekt Brieftauben in Raddestorf

Doch so richtig wurde es eigentlich nie etwas:

  • die Habichtsplage zur damaligen Zeit,
  • Wasseradern, die quer durch das Haus liefen,
  • schwere, zählebige Erkrankungen, wie Salmonellen, konnten erst von Dr. Erdös, Köln behoben werden,
  • Reise-Erfolge der Durchschnittsgüte trugen nicht gerade zur Motivationssteigerung bei.

Aber der „Taubenbazillus“ aus Kindertagen saß sehr tief, hielt lange vor und ließ manche Enttäuschung überspielen.
Und es waren auch nicht nur die Tauben aus Kassel, die diese Situation verschuldeten

  • direkt aus Arendonck bei den Gebrüdern Jannsen
  • direkt aus Sundern von Herrn Fulgoni
  • direkt aus den deutschen Meistertauben von Dieter Rieke, Neuenknick
  • und aus vielen, vielen Versteigerungen der anspruchvolleren Klasse kamen Tauben nach Raddestorf.

„Jannsens“, „Delbars“, „Stichelbauts“, „Sions“, „Desmets“, „Meulemans“ – alles klangvolle Namen von namhaften und höchst erfolgreichen Züchtern, herrliche Tiere, manches Mal auch ziemlich teuer...
Dann die Schlaganlage, der Grundstückanlage angepasst in Fachwerk, die Ausflügen nach Osten gerichtet, pulvertrocken durch Unterbodenlüftung und Luftabzugssystem.
Die Erfolge blieben gleichbleibend schlecht, und es war auch nicht besonders tröstlich, dass abgegebene Tiere bei anderen Züchtern Aufsehen erregende Erfolge verzeichneten – hier sollten sie fliegen, hier sollten sie siegen. Bis auf Einzelerfolge - Pustekuchen!
Immerhin gab es auch freudige Momente im Taubenzüchterleben. Einer war die menschlich sehr nette Gemeinschaft im Uchte der 80er Jahre (s.u.) und des weiteren Projektarbeiten mit Schülern des Arbeitsplatzes am Gymnasium Stolzenau zum Thema „Brieftaubensport“.

Projekte zum Thema Taubensport Ende der 80er Jahre

Der Brieftaubensport wird mehr und mehr zu einer Angelegenheit weniger. 
Dabei werden die absoluten Taubenzahlen kaum geringer, die Züchterzahl aber immer kleiner. Und schaut man genau hin, dann sieht man, dass es sich überwiegend um betagte Jahrgänge handelt. Es gelingt nur noch selten die Jugend für dieses an sich herrliche Hobby zu begeistern. 
Das liegt zum einen an folgendem: 
- dass sich mit der Haltung von Tieren gewisse Verpflichtungen ergeben, die eine regelmäßige Betreuung erfordern (keineswegs mehr unbedingt modern heute), 
- dass der Zuchtverband mit seinen Reisebestimmungen die Taubenliebhaber an mehr als 15 Wochenenden zur Mitarbeit verpflichtet, wollen diese eine Chance haben, irgendwelche Wettbewerbe („Meisterschaften“) in Konkurrenz zu anderen zu gewinnen, 
- dass die Älteren die Jüngeren nicht intensiv genug helfend betreuen, denn sie haben auch ihre eigenen Siegeschancen im Auge, 
- dass der Sport durch Hilfsmittel, „Geheimmittel zur Erfolgssteigerung“, Reise- und Haltungskosten ziemlich teuer geworden ist
- dass für sehr erfolgreiche Tiere oder solche aus renommierten Schlägen z.T. astronomische Summen bezahlt werden müssen. 
Aber es liegt auch daran, dass die Betätigung mit den sportlichen Tieren den jungen Menschen aus unmittelbarem Erleben selten zugänglich gemacht werden kann - der Zugang zur Maschine mit der diese Seiten erstellt wurden ist sehr viel leichter, direkter und unverbindlicher. 
Eine Projektwochen ist eine Art Erlebnispark, die andere Perspektiven eröffnet. Das war das Anliegen, das zu dem in der „Brieftaube“ eingerückten Bericht mit Bildern von 1986 führte erarbeit vom leider viel zu früh verstorbenen Kollegen Theo Weinobst.

Gymnasiasten gingen bei Brieftauben zu Schule 

Bericht und Bilder von Theo Weinobst Die Brieftaube 103 (1986) Nr. 32

In einer Projektwoche wurden die Schüler des Gymnasiums in Stolzenau (Niedersachsen/Kreis Nienburg) mit einer Fülle von Themen bekannt gemacht, die nicht mit dem üblichen Schulstoffzusammenhängen. Dabei bot der Sportfreund Oberstudienrat Wolfgang Kirchner aus Raddestorf zehn Schülern und Schülerinnen die Gelegenheit, sich in die Grundzüge von Aufzucht, Pflege und Training seiner Brieftauben einführen zu lassen. Dieses Angebot erregte Aufsehen über die Grenze der Schule hinaus. Wir stellen diese Woche gerne vor, denn vielleicht beinhaltet sie für manchen Sportfreund Anregungen, die nicht direkt mit den sonst bekannten Vereinsaktivitäten zusammenhängen.

Einige Referatthemen waren schon vor der Aktionswoche an die Schüler verteilt worden. Hierbei ging es um die Themen: Geschichte der Brieftaube, Pflege und Aufzucht der Tiere, Krankheiten und ihre Bekämpfung, Training und Flugmethoden. Die Schüler informierten sich darüber aus bereitgestellter Literatur und konnten später die gewonnenen Erkenntnisse besser mit Faktenwissen aus dem direkten Umgang mit den Tieren unter Anleitung ihres Lehrers ergänzen.
Der erste Tag diente ganz dem kennen lernen der für manche Schüler völlig neuen Welt eines Taubenschlages. Sie hatten zu lernen, sich ruhig und besonnen zu verhalten. Sie mussten die Grundsätze vom Aufbau der Schlaganlage erfahren und durften beim Füttern erste direkte Kontakte mit den Tieren aufnehmen. Überraschend schnell und einfühlsam wurde aus den lebendigen jungen Menschen eine Schar von sensiblen Tierfreunden.

010: Die Zuchttauben beim Bad beobachten 

 

Am zweiten Tag wurden zunächst die Eindrücke des ersten in einem Gespräch verarbeitet. Danach aber durfte jeder ein kleiner Fachmann sein, wenn er sein angelesenes Spezialwissen den Mitschülern vorstellte. Stolz sprach man dabei von der Zuchtmethode und der Witwermethode, erzählte von „Pocken“ oder „Gelbem Knopf“, berichtete davon, welche berühmten Feldherren der Vergangenheit per Brieftaube ihre Siege nach Hause gemeldet hatten und nannte den oftmals staunenden Zuhörern die Zahlen über Kilometerleistungen, die gute Brieftauben schon bewältigt hatten.
Ein besonderer Höhepunkt war am dritten Tag der Besuch des Sportfreundes Günter Fessner, der viele Geschichten aus seiner über 25jährigen Erfahrung als Vorsitzender einer Reisevereinigung erzählen konnte. Ebenfalls an diesem Tag absolvierten die Jungtauben aus dem Schlag Kirchner einen ihrer ersten Trainingsflüge. Man fuhr mit dem Auto an ein nahegelegenes Waldstück und sah staunend hinter dem nach einigen Orientierungsschleifen zielbewusst abfliegenden Schwarm hinterher.

009: Gebannt verfolgen die Kinder den Flug des Schwarmes 

Die bisher durchgeführte Arbeit wurde am vierten Tag in Schaubilder umgesetzt. Dabei fanden auch die Erkenntnisse Berücksichtigung, die man am davor liegenden Wochenende außerhalb der sonst üblichen Schulzeit bei einem Preisflug (Auflassort Passau) gewonnen hatte.

011: Die Funktion einer Konstatieruhr wird erläutert

Am fünften Tag gestaltete man einen Ausstellungsraum in der Schule. Natürlich auch mit lebendem Anschauungsmaterial, das vorher liebevoll ausgesucht worden war. Die Ausstellung sollte die Öffentlichkeit über die Arbeit der Schüler informieren. Die traf sich dann auch in vorher nicht vorhersehbarer Zahl. Züchterfreunde aus der Umgebung kamen, Eltern der teilnehmenden Schüler und Mitschüler, die Lehrerkollegen des „Taubenvaters Kirchner" kamen und die örtlichen Pressevertreter.
Insgesamt muss man dem Sportfreund Kirchner zu seiner Idee und zu seiner daraus gewachsenen Tatkraft beglückwünschen. Auf diese Weise wird es diesem Sport sicherlich gelingen, den Kontakt zur Jugend nicht zu verlieren.

Taubenzüchter zu Besuch

Zusammensitzen, Erfahrungen austauschen, Gemeinschaft pflegen, das gehört zu dem, was ich bei Brieftaubenzüchtern unserer Region erfahren konnte.
Zunächst schloss ich mich der Uchter RV an, ein Zusammenschluss, der einen Radius von über 40 km aufweist, der aber zunächst ein sehr stark entwickeltes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelte. Kristallisationspunkt war Günther Fessner, dessen humorvolle, teilweise schelmenhafte und menschlich sehr faire Art die verschiedenen Typen zusammenhielt. Er, der stetig hilfsbereite, engagierte Gartenbaumeister war über 35 Jahre Vorsitzender der RV. Ihm verdankt diese Reisegemeinschaft ungeheuer viel.

012: Der Uchter Kern im September 1987 in Raddestorf: Links Günther Fessner (Uchte), Manfred Brinkmann (Lohhof) Rechts Heinri Siemann (Lohhof), Heiner Rodenberg (Warmsen). Die Frauen gehören natürlich mit zu der gemütlichen Runde.

... und irgendwie geht es mit Brieftauben weiter

Wie ich oben schon ausführte, der „Taubenbazillus“ sitzt tief. Wer als junger Mensch schon die Faszination Taubensport verinnerlicht hat, der wird es eigentlich nie wieder richtig ablegen, ganz besonders dann nicht, wenn die eigenen Bedingungen Taubenhaltung zulassen.
Natürlich jetzt nicht mehr etwa 100 Quadratmeter Taubenschlag mit zwei Witwer-Abteilungen, Witwenschlägen mit Gummiböden, Jährigenstall, Jungtier-Volieren und Zuchtschlag mit insgesamt bis zu 400 Tauben, nicht mehr morgens und abends je zwei Stunden Stallreinigung, Fütterungssystem mit vier verschiedenen Futtersorten, mit Medikamenten, Vitamin- und anderen Präparaten, Vollzeitbelegung an Samstagen und Sonntagen – nein, jetzt einfach Freude am Tier ohne schielen auf den Erfolg.
Aus den meisten Schlägen sind längst Trecker- und Materialgaragen bzw. Büro- und Aufenthaltsraum geworden. 
Die Tiere sind in den ehemaligen Volieren im Südwest-Teil untergebracht, durch ein Dach nach oben, durch Wände nach drei Seiten geschützt, aber Richtung Süd-Osten Wind und Wetter ausgesetzt. Einige wenige Sitzregale, 14 Nistzellen, Strohhaltung und vor allem freier Ausflug Tag und Nacht. 
Die Verluste durch Greife sind deutlich zurückgegangen, selten gehen Jungtiere verloren, meist dann, wenn sie sich durchziehenden Reisetaubenschwärmen an den Wochenenden anschließen und der Rückweg über ihre noch jungen Kräfte geht. Dennoch werden Brieftauben gehalten, gezüchtet und auch privat bis 200km im Einzelflug trainiert. 
Halbjähriges Schlagsäubern, einmal tägliches Füttern mit deutlichem Rückgang der Bedürfnisse während der Erntezeit, alle Tage frisches Wasser, Baden im Ententeich, keine Vitamine, keine Medikamente – und die Tiere strotzen vor Gesundheit.

035: Ein vor Gesundheit strotzendes Exemplar aus der damaligen Meuleman-Gruppe

So ist es einfach schön, ihren Balzspiele, ihren dauerhaften Flugformationen und ihrem Nistbetrieb zuzuschauen und zu entspannen.
Natürlich – da schlägt noch das alte Taubenzüchterherz – wird sehr auf Qualität geachtet: vor allem der alte Stamm von Dieter Rieke (es sind die alten Valere-Desmet-Matthijs), wird gepflegt und zum Frühjahr nach langen Winterüberlegungen bewusst verpaart. Der Oktober ist der Entscheidungsmonat: dann gilt es die ganze Bande wieder auf die vorhandenen max. 20-30 Tiere zu reduzieren, manche Taube muss geschlachtet werden, bei der eigentlich das Herz blutet – aber mehr Platz ist nicht! Und gerade die dunklen Desmet-Matthijs faszinieren mich - deshalb eine kurzer Rückblick auf diesen faszinieren Züchter, den viele von den Jüngeren heute gar nicht mehr kennen:

Rückblick auf den Züchter Valere Desmet-Matthijs

Man muss schon lange in den alten Büchern kramen, um noch Informationen über den damals sehr bekannten und bescheiden gebliebenen belgischen Züchter zu bekommen.
Bei Erich Knesche wurde ich fündig. In seinem Buch "35 Schläge in 10 Ländern", das im Verlag Die Brieftaube 1966 veröffentlich wurde, gibt es eine Reihe von Hinweisen über diese Ausnahmezüchter, der nicht nur vor mehr als 50 Jahren so manches Züchterherz höher schlagen ließ und dessen Tiere Zuchtpotential für Schläge bildete, die weit in die achtziger und neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein Erfolge aufwiesen. 
Genau das sahen auch andere:
In der "Geschichte der belgischen Brieftaube" Band I von Jules Gallez in Deutschland 1982 aufgelegt, befinden sich folgende Ausführung zur Abstammung der Tiere: ...." Alle guten Tauben, die in Belgien nach 1945 bekannt waren, wurden bei Desmet - Matthijs zum Stammaufbau verwandt. Valere Desmet war ein feiner Kenner. Er holte sie an den Brunnen, so wie z.B. am Anfang der Stammesgründung bei dem weniger bekannten Theo Guilbert, aber auch bei Michel Nachtergaele. Bei Verstraete, Balgerhoeke (via Vandenweghe, Olsene), bei Hector Desmet zu Geraardsbergen, bei Oscar Devriendt in Moere und bei Roger Vereecke zu St.-Lodewijk und noch bei einigen anderen auch"....
Aber was besagt diese Aussage schon: nach wenigen Generationen hat der wirklich begabte und erfolgreiche Züchter daraus einen eigenständigen und für ihn typischen Familienstamm gezüchtet, der unverwechselbare, eigene Nachzucht hervorbringt, und der die Anfangserfolge auf die individuelle Weise fortzusetzen vermag. Viele tausend Beispiele gibt es hierfür gerade im Brieftaubensport.
Gallez weiter: "Valere züchtete die schnellste Mittelstreckentaube bis 400 Km, von der er überzeugt war, dass sie die zurücklegende Strecke im Schlaf kannten. Und nach dem Übergang zur Weitstrecke bzw. zur großen Weitstrecke, gewannen diese Tauben und ihre Nachkommen erste Preise bei den provinzialen, interprovinzialen und nationalen Wettflügen von 630 bis 1075 Km. Valere Desmet züchtete die wahre „Allround-Taube". Die moderne Taube, die in der Lage ist, Spitzenpreise auf allen Entfernungen zu erringen."
Der genannte Autor fügt einige Abstammungen bei, die diese Aussagen bekräftigen (s. unten bei den Bildern).

In wie vielen Ausnahmetauben in unserer Zeit befinden sich noch die Gene dieser Tiere, die nicht mehr nachvollzogen werden, weil die Spalten der Abstammungstafeln nicht ausreichen und weil es eventuell nicht mehr „In“ ist, sich dieser Bezüge zu erinnern. 
Der oben zitierte Knesche überschreibt sein Kapitel schlicht mit “Valere Desmet-Matthijs, Nokere, Wandelstr. 247, Ostflandern“. Aus diesem Buch einige Auszüge und Erinnerungen.
Der Doppelname rührt daher, dass Valere Desmet zunächst mit seinem Schwager Matthijs eine Schlaggemeinschaft gebildet hatte, die nicht zu lange hielt, aber den Taubenzüchter veranlasste diese Bezeichnung für seine Tauben auch weiterhin zu verwenden. Auch dann noch, als er längst mit seinem Sohn Roger ein Taubensportteam bildete:  es war ja auch schließlich der Mädchenname seiner Frau, die hingebungsvoll bei der Schlagarbeit half.

 

015: Vater und Sohn Roger,  zwei unzertrennliche Taubenzüchter. (Knesche)

Die Desmets sind einfache, unkomplizierte Menschen, bescheiden und wahr. Das bemerkt man sehr bald. Schon nach kurzer Unterhaltung weiß man, mit wem man es zu tun hat. Ich war zum ersten Mal bei ihnen. Da wurde nicht lange gefragt, ob man Hunger habe. Frau Desmet stellte einfach Brot, Butter, Kaffee auf den Tisch und die Unterhaltung konnte beginnen, sagte Knesche

 

014: Der „Oude Klare“ mit 70 Gewinnen in 5 Jahren. Er hat in seinem Leben genau  489.499,–bfrs gewonnen, das sind runde 40 000 DM. Er ist der Stammvater des Bestandes. Sehen sie mal Vater Desmet an, mit welcher Liebe er auf seinen „Klaren“ schaut. Zum letzten Male hat der „Klare“, als er 17 Jahre alt war, noch drei Jungtiere aufgezogen. Jetzt bekommt er das Gnadenbrot und er lebte 1966 noch immer. (Knesche)

033: Stammbaum vom Ouden Klaren (nach Jules Gallez)

Und weiter urteilt er: Die Desmet-Tauben sind mittelgroß und mit einem seidenweichen Gefieder ausgestattet. Die Körnung der Augen geht von Bronze bis zu Glas.
Desmet versteigert ab und zu Tauben, zumeist die 1. Zucht und die 2. Runde behält er für sich. Rote und Fahle sind nicht auf den Schlägen, alles ist blau, gehämmert, dunkelgehämmert oder dunkel. Die Desmets sind keine großen Tauben, sie sind, sagen wir „schön mittelgroß“.
Die Schläge beherbergen zur Zeit meines Besuches )ca. 1965) zusammen 146 Tauben. Es sind 43 Witwer mit ihren Weibchen und meist ca. 20 Zuchtpaare bei Desmet. Das ist auch sonst der Bestand, den die beiden Züchter, Vater und Sohn, zumeist haben.
Die Tiere sind für Kreuzungen sehr geeignet. Die Tiere fliegen auf den kurzen Abständen ihre Spitzenpreise und sie tun es auf 700, 800 und mehr km ebenfalls. ... Die Desmet-Tauben sind wirkliche Allround-Tauben. Für mich war der Besuch sehr interessant.
 

 

016: Das ist der „Kapoen“. Als Jungtaube flog er 600 km. (Knesche)

026: Stammbaum Kapoen (nach Jules Gallez)

 

017: Der „Prinz“. Ein As der Weitstrecke. Schön ist er nicht was die Kopfform betrifft, aber gut im Kopf. (Knesche)

 

018: Die „Genaaide von 1954". (Knesche)

027: Stammbau der Genaaiden  (nach Jules Gallez)

 

 

019: „Der junge Klare“. Vom „Klaren" stammen alle Tauben ab. Dieser Wundervogel ist im Stammbaum wohl jeder Taube in Nokere vertreten. So gut zu reisen und so gut zu vererben, das gibt es leider nicht oft. (Knesche)

031/032: Notekraker (nach Jules Gallez))

 

020: Der „Jonge Limoges“. Auch er hat sich auf den weiten Flügen tapfer geschlagen. (Knesche)

Knesche endet seinen Bericht mit einem wundervollen Kompliment: "Ich brauche auf Desmet und auf seine Tauben kein Loblied singen. Das wäre ganz unnötig. Die Tauben heimsen selbst genug Anerkennung ein, indem sie auf allen Strecken hervorragend fliegen. Auf meiner ganzen Reise bin ich nicht zu einem einzigen Züchter gekommen, wo ich enttäuscht weggegangen wäre. Ich habe mir nach jedem Besuche sagen können: „Gut, dass ich da war und gut, dass ich den Mann nicht ausgelassen habe.“ ... Aber Desmet ist ein Züchter, der auch von seinen Konkurrenten geachtet wird und ... sollte ich die Reise nochmals machen müssen, so würde ich Desmet unbedingt wieder besuchen, um über ihn und seine Tauben recht viel ... erfahren zu können."

022: Eine originale Roger Desmet-Matthijs-Taube aus dem Jahre 2003 im Internet, die in Ungarn ihre Heimat gefunden hat  (racingpigeons.hit.bg). Unterscheidet sie sich äußerlich wirklich deutlich von ihren berühmten Vorgängern?

Die Linie über Schleicher und Huth zu Dieter Rieke, Neuenknick

Wenige Jahre später, als Erich Knesche seinen Taubenbericht verfasst hat, 15 Jahre später muss auch der nach Rinteln verzogene Herbert Schleicher in Nokere angeklopft haben.
Doch der Reihe nach: in Rinteln zur damaligen Zeit, es müssen wohl die auslaufenden sechziger/anfänglichen siebziger Jahre gewesen sein, gab es einen sehr tüchtigen Städtischen Direktor und hochpassionierten Brieftaubenzüchter, der die Idee hatte, aus dem eher verschlafenen niedersächsischen Provinzstädtchen ein Tauben-Mekka zu machen.

021: Rinteln, eine niedersächsische Stadt im Weser-Tal, wird im Süden von den Höhen des lippischen Berglandes, im Norden vom Wesergebirge und im Osten vom Süntel sowie den Fischbecker Bergen eingebettet. Die ehemalige Universitätsstadt (1621–1806) gehört landschaftlich zum Naturpark Weserbergland Schaumburg-Hameln. Hier fanden sich bald viele Taubenzüchter unter den Neusiedlern. (Wikipedia)

Wilhelm Wulfmeyer bot in seiner Stadt erfolgreichen und auch nahe dem Ruhestand stehenden Taubenzüchtern privilegierte und preisgünstige Grundstücke, auf denen sie für ihren Lebensabend geruhsam ihrem geliebten Hobby nachgehen konnten (Motto: "No trouble in case of keeping pigeons") und zugleich der Stadtentwicklung nutzten, als sie sich als respektable neue Steuerbürger erwiesen.

044: Der Städtische Direktor Wulfmeier hatte viele Kontakte zu den berühmtesten Taubenzüchtern Deutschland, Hollands, Belgiens und vor allem zu solchen in Übersee. hier mit den Brüdern aus Arendonk

Schleicher, der durch einen Unfall früh zum Invaliden gewordene Dachdecker aus Hamburg war der eine im Jahre 1973 , Rolf Huth - ebenfalls aus Hamburg - ein weiterer. Über Huth wusste Wulfmeier zu erzählen, dass er früher Massengeflügelhalter in der Nähe Hamburgs war, der seine Besitzungen verkaufte und den Beruf aufgegeben hatte. Er verließ Rinteln wieder, als seine Frau verstorben war.
Huth und Schleicher wohnten nur wenige Häuser auseinander, ihre ursprüngliche Freundschaft endete bald - war es die Konkurrenz  der verkaufenden Taubenzüchter? In jedem Falle schien Roger Desmet-Matthijs mehr Beziehungen zu Huth aufgebaut zu haben, denn er nächtigte immer bei ihm, wenn er mit seinem gasgetriebenen Auto nach Rinteln kam.
Leider konnte mir hier niemand mehr sagen, wer alles noch zu den taubenzüchtenden Neusiedlern gehörte. Erst ein Gespräch mit dem inzwischen 87jährigen Wulfmeier im Januar 2010  erbrachte, dass es neben Schleicher und Huth weitere über 50 Brieftaubenzüchter waren , die nach Rinteln gelockt wurde: vor allem aus Hamburg, aus Berlin und dem Ruhrgebiet, ja sogar aus Friedland (nahe Helmstedt) kamen Neusiedler, Arbeitskräfte und auch Taubenliebhaber, Frührenter und Rentner, zahlreiche Angestellte im Rathaus waren diesem Hobby verbunden. Mit dem Ausbau der Stadtsiedelung und der Infrastruktur kam zugleich der wirtschaftliche Aufschwung für Rinteln, ein großes Verdienst des höchsten Stadtbeamten.
Zurück zu Schleicher: hier in der Gegend erzählt man sich die Geschichte, er habe nach dem Bezug seines Hauses gemeinsam mit seiner Frau den Kauf einer anspruchsvollen, neuen Küche vereinbart, aber anlässlich einer Belgien-Fahrt spontan beschlossen, die für diese Zeit nicht unerhebliche Summe in Tauben von Valere Desmet-Matthijs, Janssen und Gondelars und anderer belgischen Sterne zu investieren. Jedenfalls saßen plötzlich in Rinteln Tauben aus sagenhaften Linien. (Man stelle sich die Situation heute einmal mit unseren emanzipationsinfizierten Frauen vor ! ....).
Wilhelm Wulfmeyer ergänzte die nette Anekdote: Schleicher war zwar mit Frau, aber auch mit seiner unverheirateten Schwester gekommen, die ein gewisses Vermögen mit dem Verkauf von Blumen auf dem Fischmarkt von Hamburg gemacht hatte. Insgesamt sollen mehr als 250.000  Dollar in die Brieftauben-Neukäufe aus Belgien und Holland  investiert worden sein.
Zusätzlich  hatte Schleicher vorher in einer großen Aktion sein gesamtes Taubenmaterial aus Hamburger Zeiten verkauft.

041:  Das Wohn - Taubenhaus von Schleicher, das das Zusammenleben von Menschen und Brieftauben zu einer Symbiose werden ließ. 

Die von den finanziellen Erfolgen des Bruders begeisterte Schwester habe, so der Stadtdirektor, den nach Belgien reisenden Bruder immer mit zusätzlichen Geldscheinen und dem Rat versehen: "Kauf nur die Besten!" ...

042: Hier Schleicher - wie ein schüchterner Reisender, der gerade ein Jungtier aus dem 019 erworben hatte und es stolz am Brunnen des Innenhofs von Schoolstrat 1 präsentiert

Denke Sie bitte nicht, ich habe diese Tiere gesehen, Herrn Schleicher habe ich nie kennen gelernt. Aber auch der sehr viel vorsichtiger kalkulierende Rolf Huth hatte plötzlich Tauben aus den Zuchtassen von Nokere und Arendonk, die ich bei ihm in die Hand nehmen durfte, weil sein Neffe damals ein Kollege am Gymnasium Stolzenau war.

043: Nochmals Schleicher zusammen mit den Brüdern, es war wohl Anfang der 80er Jahre. Im Hintergrund Wulfmeier, ein weiterer Teilnehmer der Reisegruppe.

Ende der 70er, Anfang der achtziger Jahre war dann Dieter Rieke einer der vielen Kunden bei Schleicher, und obwohl er bereits im Jahre 1982 mit diesen Tauben zu Deutschen Meisterehren kam, hielt sich Anhänglichkeit Schleichers zu seinen belgischen und holländischen Super-Tauben in Grenzen. Es war wohl die Zeit, als die Preise für vor allem die Janssen-Nachzuchttauben allmählich verfielen (die selbstverständliche Summe von etwa 350.-DM pro Jungtier aus Originalen wurde nicht mehr immer gezahlt). Kurzum verkaufte nach Angaben Wulfmeiers alle Neuerwerbungen als 1981 mit dem Namen Imbrecht ein neuer Stern am Taubenhimmel zu strahlen begann. 

045: Die Liebe zum Tier war wohl mehr von geschäftlichen Interessen bestimmt - anders als dieses Foto glauben machen will.

Die Taubenzahlen Schleichers stiegen jetzt beständig, sodass er nach dem Tode seiner Frau und seiner Schwester Herrn Wulfmeier um Hilfe bei einem großen Verkauf bat, der aus verschiedenen Gründen nicht in geplanter Form stattfand - die Aufzeichnungen Wulfmeiers zeigten, dass zu diesem Zeitpunkt keine originale Desmet-Matthijs oder Janssen-Taube unter den Dachbalken angesiedelt war. Schleichers zweite Ehefrau verkaufte nach dessen Tod den Rest der Tiere. Bis auf die ersten ein/zwei Jahre hat Schleicher an Preisflügen in Rinteln nicht teilgenommen, aber Ringe aus drei Rintelner Vereinen bezogen (Wulfmeier).

Dieter Rieke, einer der wenigen "Brieftaubenversteher", den ich in meinem Leben kennen gelernt habe, holte sich ab 1977/1978 bei Schleicher vor allem die "Desmet-Matthijs" und begründete mit ihnen und einigen wenigen Janssen-Tauben seinen kometenhaften regionalen und bald auch bundesweit gewürdigten Erfolg.
Rieke selbst war viel zu bescheiden, um aus seinen Tieren das damals schon mögliche Geschäft zu machen, aber die überragenden Leistungen zeigten sich beispielsweise darin, dass seine batteriebetriebene, brandneue Benzing Paloma (das letzte Modell vor der Computer-Revolution)  nach einem Bombenflug während des Transportes zur Uhrenstelle durch einen "Sportsfreund" plötzlich stehen blieb. Die Meisterschaft dieses Jahres war futsch!
Rieke war auch einer der wenigen Taubenzüchter, der es verstand, Familie und Sport eng miteinander zu verknüpfen. Er musste es auch. Als Ingenieur für Gleisreparaturen bei der Bundesbahn konnte er oft mehrer Tage nicht zu Hause sein . Seine Frau Christa reinigte, fütterte, überwachte täglich den Ausflug der Tiere und seine damals kleinen Töchter durften schon sehr früh die Jungtiere in ihren Nistschalen durch den Garten tragen. Die dabei gebildeten engen Beziehungen und das Urvertrauen, zeigten sich beispielgebend an folgender selbst erlebter Anekdote: nach einem sehr schweren Weitstreckenflug konnte die jüngere Tochter die total ermattete Taube vom Ausflugbrett nehmen, während der Vater innen vergeblich lockte, um den Gummiring in die Uhr zu drehen.
Seine Töchter kannten und durchschauten auch die (sehr erfolgreichen) Zuchtexperimente des Vaters, der - von der Qualität der Tauben überzeugt - in enger Linien- und Familienzucht die Leistungen der Vorfahren zu erhalten trachtete. Die kleinere sagte mir einmal, sie wundere sich, dass die Tauben noch keine Schwimmhäute ausgebildet hätten. 
Welche Tauben und Linien hat sich Dieter Rieke damals und in der Folgezeit bei Schleicher geholt, welche anderen Züchter trugen zur Verstärkung des Bestandes bei? Die in meinem Besitz befindlichen Abstammungskarten aus den 80er Jahren geben bereitwillig Auskunft, zumal ich als Glückskind damals aus fast allen seinen Besten Nachzucht erhalten konnte.
Am Anfang stand für den Neuenknicker der Glücksgriff!
Ob Dieter Rieke 1978 einige "goldene Eier" von Schleicher erhielt, oder ob er seine Ringe beim Züchter ablieferte, um die Tiere schicken anonym vom Züchter schicken zu können, weiß keiner mehr. In jedem Falle trugen die ersten Tauben aus Rinteln seine Vereinsnummer 9631.
Hierzu gehörten der 55, die beiden Nestschwestern 59 und 60 und wahrscheinlich noch andere, die später in den Abstammungslisten nicht mehr auftauchten. Aus den genannten dreien schälte sich vor allem das Superzuchtpaar 55/60 heraus, dessen Blut in fast allen überragenden Reisetauben Riekes fließen sollte. Und dabei handelte es sich eher um eine vorsichtige Investition, denn die Tiere stammten aus Nachzuchttauben von Schleichers Originalen.
Auch bei der bereits vorher oder nachher getätigten Investition, bewies der Züchter aus Neuenknick ein goldenes Händchen: aus der 77/0712 (Desmest-Matthijs) und dem reinen Jannsen-Vogel 77/0793 (Linie des Ouden Witooger) wurde 1979 der super Reise- und Zuchtvogel 79/229 gezogen mit seinen 73 Preisen und dem Attribut 1. As-Vogel auf Bundesebene.
Und so wurde weiter bei Schleicher gekauft und der Käufer dort immer beliebter, weil er ein hervorragender Werbeträger war ...
Aber was saßen dort auch an Tieren vornehmster Herkunft: Söhne und Töchter, Enkel und Enkeltöchter vom Jongen Klaren, Kapoen, Gendarm, Mannix, Sproeten, Jongen Ballon, Angoûlème, Jongen Limoges, Orléans, Gebroken Slag, Einweißfeder und viele andere mehr.
Die Erfolge Riekes waren beeindruckend. Natürlich wurden auch bei anderen Züchtern Tiere erworben oder getauscht. Ich erinnere mich noch an das Theo-Fetz-Weibchen, eine eng gezogene Tochter aus dem Nestbruder der 77/0712, der Mutter des 229, oder das das Janssen-Blut führende Schwalenberg-Weibchen, Linie Witoger 65. Immer aber wurde sehr genau auf die Ergänzung der vorhandenen Blutlinien geachtet.

030: So sahen sie aus, die Abstammungskarten, die Dieter Rieke seinen Tauben mitgab

Und es beeindruckt vor allem, dass die Tiere so nerven- und vererbungsstark waren, bald schon war eine eigene Handschrift des meisterlichen Züchters aus Neuenknick zu erkennen, eng mit dem Reise-Erfolg verknüpft. Leider hat ihn sein früher Tod mitten aus dem geliebten Hobby gerissen.

Rein gezogenen "Rieke" in Raddestorf

Von ihm kamen die Tauben nach Raddestorf, besonders in den achtziger und zu Beginn der 90er Jahre, leider beendete sein Tod 1993 diese fruchtbare Hilfe abrupt.
Aber sie sitzen noch hier, die Enkel und Urenkel der Athleten aus Neuenknick, und werden gepflegt wie ein Augapfel, besonders die Dunklen und Dunkelgehämmerten mit dem seidenweichen Gefieder, den feurigen, vielgekörnten Augen. Es sind alle - wie Piet de Weerd sagen würde "ungeheure Kämpfer in der Hand". Auch mit seiner Bewertung stimme ich überein, wenn er sagt  "...Sie wissen, dass ich solche für mein Leben gern habe." (P. de Weerd, Die besten Tauben und Züchter der Welt. 1983)

036: Die luftige Zucht-Voliere im Mai 2009

Meine Nachzuchttiere werden noch immer nach ihrem Heimfindevermögen sortiert, obwohl ich den aktiven Taubensport aufgegeben habe: Jede Taube muss in ihrem ersten Lebensjahr nach einigen, kürzeren Trainingstouren im Schwarm und mindestens ein Mal allein den Weg von Melsungen  nach Raddestorf finden. Damit finden die Verwandtschaftsbesuche im etwa 230 km entfernten Nordhessen eine weitere Sinngebung und zusätzlich lassen sich sich sinnvolle Rückschlüsse in Bezug auf die Elterntiere ziehen.

037: Die getrennten Vögel nach der ersten Zucht

Nur noch wenige Paare (etwa 16 Tauben) dürfen jährlich für Nachwuchs sorgen, der dann zum Jahresschluss abgegeben, gespendet oder geschlachtet wird. 
Gesundheitsvorsorge findet nicht mehr statt, die Jungtauben haben täglichen Freiflug und bleiben oder gehen. 
Aber ich habe sie noch, "Meine Rieke"...
Und so sehen sie aus, die hoch geschätzten Dunklen und Dunkelgehämmerten der Linien von Desmet-Matthijs, wie sie auch Dieter Rieke gemocht hatte, weil er mit Tieren dieses Schlages bis zur Deutschen Meisterschaft gekommen war. Natürlich waren auch Blaue, Gehämmerte und Schecken, die ihm halfen - aber ich glaube, er mochte genau wie ich, besonders die ausdrucksvollen Persönlichkeiten mit dem eher dunklen Federkleid. 
Wann immer es ihm in der Anfangszeit möglich war, holte er sich bei Herrn Schleicher diese Typen, sei es als Nachzuchttiere oder direkt aus den dort sitzenden Originalen aus Nokere.
Einige wenige der Raddestorfer Rieke-Kolonie möchte ich hier präsentieren, um zu verdeutlichen, warum ich diese Tauben weiter habe, obwohl ich nicht mehr am Reisen teilnehme.

038: Der Odin, Urenkel aus dem 590 und der 60, wobei sein Großvater, der 90/299 das Produkt einer gewollten sehr engen Familienzucht war

039: Die Poesie, eine Enkelin der 88/666, die direkt aus dem Wunderpaar 55-60 abstammte

Ich höre die Bedenken-Träger schon sagen, "sagt nichts, er schickt nicht mehr". Immerhin werden in Raddestorf die Tauben trainiert. Mein Vater sagte mir einmal, nachdem er mir eine sehr eng gezogene Täubin aus seinen erfolgreichsten Reisetauben mitgab. "Trainiere sie ein paar Mal, dann weißt Du, dass es zumindest mit Orientierungsinstinkten stimmt".
Das Tier, das noch direkt aus dem 1993 erworbenen Vogel 3151/90-299 -eine Taube die ich nie hätte bekommen können, wenn Dieter nicht gestorben wäre,  (es war die berühmte Linie 590x60, Vater also 3. As-Vogel Weitstrecke mal eigene Mutter, züchtet hoffentlich noch zwei/drei Jahre in Raddestorf: 

040: Der Kardinal (00-319) stammt mütterlicherseits aus der Federfuß-Linie mit einem kleinen Schuss Blut vom 79/229, 1. As-Vogel 1984, der eine Janssen-Desmet-M.-Mischung war.

Ab März 2010 züchten in vier Volieren die vorgestellten Rieke-Nachzuchttauben, wobei ich das Glück hatte, vom Sportfreund Schäkel in Neuenknick einen zusätzlichen Vogel, Sohn aus dem bekannten 211 für einige Zeit ausleihen durfte. Er ist schon 11 Jahre macht aber noch einen sehr dynamischen Eindruck und sitzt mit meiner besten Täubin, der Aphrodite (02/009) allein in einer gesonderten Voliere. Vielleicht habe ich Glück und kann Jungtauben aus diesem Paar erhalten.

046: Der ringlose, wunderschöne Zuchtvogel, dem ich den Namen "Schäkel 99" gegeben habe, ein Sohn vom 3151/86-211

050: Das Paar, bei dem zu Ostern das 2. Ei fällt

Zusätzlich erfuhr ich, dass sich Willi Jacke in Windheim aus gesundheitlichen Gründen vom aktiven Reisesport verabschiedet hatte und seine Bestände radikal verkürzen wollte. Dort erwarb ich Janssen-Nachzuchttauben von Bollmeier und Kalle Dreyer und auch Tiere, die Jacke von Spfr. Ruhe nach dessen Schlagaufgabe erwarb, alles Tauben von Meier, Rahden, beringt mit Ruhe-Ringen.
Mit diesen Ergänzungen wollen wir sehr sorgfältig umgehen, und sie gegebenenfalls vorsichtig in die Rieke Linien einkreuzen.
Für einen Zucht-Erfolg des nachfolgenden schon sehr alten Paares habe ich Willy ein Stück Rehwild versprochen...

047: Der Kanzler, eine Tauben aus dem Jahre 1999 ...

048: ... und sein Weibchen aus 2001, die "Comtesse", die sich noch direkt auf die Janssen-Tauben von Cichosz zurückführen lässt.

Mal sehen, was das Zuchtjahr 2010 bringt.

 

 

  Raddestorf